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Pilotprojekt in Eimsbüttel: Selbstleuchtende Fahrbahnmarkierungen an unübersichtlichen Baustellen Drs. 22-0995, Bezirksversammlung vom 22.05.2025

Mitteilungsvorlage der/des Vorsitzenden

Letzte Beratung: 02.07.2025 Mobilität Ö 4.2

Sachverhalt

In der o. a. Angelegenheit nimmt die Behörde fürVerkehr und Mobilitätswende (BVM) wie folgt Stellung und sieht aufgrund der Ausführlichkeit der Stellungnahme von der Entsendung einer/sReferierenden in den AM ab.

Stellungnahme der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM):

Zu phosphoreszierenden Fahrbahnmarkierungen

Die BVM hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem Einsatz phosphoreszierender (nachleuchtender) Materialien im Straßenbau befasst unter anderem im Zusammenhang mit dem Bürgerschaftlichen Ersuchen „Sichtbarkeit und Akzeptanz von Radverkehrsführungen erhöhen Radverkehrsführung in Kreuzungsbereichen farblich hervorheben“ (Drs. 21/7616) vom Februar 2017 sowie dem Projekt Blue Port („selbstleuchtende Markierung von Seitenstreifen an einem Radweg im Hafen“) vom Juli 2019, bei welchem begleitendauch ein Versuch vor Ort durchgeführt wurde.

Eine weitere intensive Befassung erfolgte im September 2022 im Rahmen des Beschlusses der Bezirksversammlung Eimsbüttel „Leuchtende Fuß- und Radwege: Mehr Sicherheit und Energieeffizienz auf Eimsbütteler Straßen (Drs. 21/3226). Auslöser dafür waren u. a. das im aktuellen Beschluss der BV Eimsbüttel zitierte öffentlichkeitswirksame Projekt in den Niederlanden mit der phosphoreszierenden Fahrbahnmarkierung der 500 m langen Teststrecke der N329 bei Oss aus dem Jahr 2014 sowie vergleichbare Projekte, von denen sich mögliche Vorteile in Bezug auf Energieeffizienz, Umweltfreundlichkeit und Verkehrssicherheit erhofft wurden.

Die hierzu im Internet zu findenden Informationen datieren beinahe durchgehend aus dem Jahr 2014 und suggerieren bis heute eine Alternative oder gar Verbesserung zu herkömmlichen Markierungen und Straßenbeleuchtungen. Die Anwendung von phosphoreszierenden Markierungen zumeist unter Verwendung photolumineszierender Pulver sollte danach eine verbesserte Sichtbarkeit bei Dunkelheit ohne externe Stromversorgung ermöglichen. Die BVM hat bereits im Rahmen der vorrangegangenen Prüfungen und Recherchen zu selbstleuchtenden Fahrbahnmarkierungen folgende erhebliche Einschränkungen festgestellt:

- Keine wahrnehmbare Leuchtkraft in urbaner Umgebung mit Umgebungslicht

In städtischen Gebieten mit bestehender Straßenbeleuchtung oder Umgebungslicht wird der Nachleuchteffekt überlagert und ist visuell nicht wahrnehmbar. Zudem setzt der Nachleuchteffekt bereits mit Nachlassen des Tageslichts ein folglich ist dieser bei Dunkelheit bereits deutlich reduziert. Die Nachleuchtdauer erstreckt sich zudem auch bei optimalen Bedingungen insbesondere in den dunklen Jahreszeiten nicht auf die gesamte Nacht.

- Witterungsempfindlichkeit

Der wirksame Lichteintrag wird beeinflusst durch das Wetter, Verschattungen und Jahreszeiten. Schmutz (Staub, Blätter) auf der Oberfläche der Markierung führt zu einer weiteren deutlichen Reduktion der Leuchtintensität und der Leuchtdauer. Zudem wurde in den Niederlanden festgestellt, dass die verwendete Markierungsfarbe durch Feuchtigkeit korrodiert bzw. verblasste und tagsüber nicht mehr ausreichend Licht absorbieren konnte ein Umstand, der unter anderem nach weniger als zwei Wochen zum Abbruch des zitierten Pilotprojekts in Oss führte. Eine verbesserte Version der Markierungsfarbe wurde bis heute nie realisiert.

- Hoher Wartungsaufwand und geringe Dauerhaftigkeit

Erste Praxiserfahrungen zeigen, dass die ohnehin schon schwache Leuchtintensität durch mechanischen Abrieb (etwa durch Verkehrslast und Reinigung) rasch abnimmt. Damit wäre ein Nutzen im Kontext einer stark beanspruchten Baustellenmarkierung sehr begrenzt. Eine fortlaufende Erneuerung der Markierung zur Erhaltung ist weder wirtschaftlich noch nachhaltig und somit auch nicht zielführend.

- Gefährdungspotenzial durch Fehlnutzung

hrend des Pilotprojektes in den Niederlanden wurde beobachtet, dass Verkehrsteilnehmende ihre Fahrzeugbeleuchtung abschalteten, um das Leuchten der Randmarkierung überhaupt erst wahrnehmen zu können. Dieses Verhalten kann potenziell gefährliche Folgen mit sich führen.

Festzustellen ist, dass selbstleuchtende Fahrbahnmarkierungen auch in anderen Ländern bereits ausgiebig erforscht und in der Praxis getestet wurden mit letztlich vergleichbaren Ergebnissen.

So wurden u.a. in Australien und Malaysia ähnliche Projekte durchgeführt und wieder eingestellt, da diese keine Vorteile für die Verkehrssicherheit boten. Auch hier verlor die Farbe bereits nach wenigen Wochen ihre Eigenschaften und nutzte sich ab.

In der Schweiz wurde im Jahr 2021 eine Testreihe mit unterschiedlichen Markierungsmethoden durchgeführt. Das verwertbarste Ergebnis erzielte dabei eine nachleuchtende Markierung, welche durch eine herkömmliche weiße retroreflektierende Markierung eingefasst wurde. Solch eine Kombination aus zwei verschiedenen Markierungen wurde bereits 2018 in Duisburg getestet und in der Drs. 21/3226 erläutert. Aber auch bei dieser Markierungsform waren die zuvor beschriebenen Einflussfaktoren zu beachten (insbesondere die Auswirkung von Umgebungslicht).

Die in der Schweiz durchgeführten Tests bestätigen wiederum die in der zuvor genannten Drucksache erläuterten Ergebnisse des in Duisburg durchgeführten Projekts: In städtischen Umgebungen mit öffentlicher Beleuchtung kann keine Wirkung der nachleuchtenden Markierung festgestellt werden. Lediglich in Bereichen ohne jegliches Umgebungslicht also ohne künstliche Beleuchtung und weit außerhalb bebauter Gebiete war zeitlich begrenzt ein Lumineszenzeffekt wahrnehmbar.

Das Ziel Fahrbahnmarkierungen besser zu erkennen und u.a. bei Nebel, Regen oder Nässe Fahrbahnumrisse deutlicher zu machen konnte in urbanen Umgebungen bisher nicht erreicht werden. Bei bestehenden Lichtquellen sind retroreflektierende Markierungen zu wählen.

Der eingangs erwähnte in Hamburg im Rahmen des Projekts Blue Port durchgeführte Test hat diese Einschätzung eindeutig bestätigt. Trotz der seinerzeit als bestmöglich zu bewertenden Ausgangslage (neues unverschmutztes Material, sonniger Tag und damit lange und intensive Aufladung) war kein Nachleuchteffekt wahrnehmbar.

Bei der erneuten für den vorliegenden Beschluss der BV Eimsbüttel von der BVM durchgeführten Recherche haben sich hinsichtlich der Einschätzung der Anwendbarkeit fluoreszierender Materialien keine neuen Erkenntnisse ergeben. Weiterentwicklungen der Materialien, welche die bereits bekannten Probleme der mechanischen Widerstandsfähigkeit des Materials oder des schwachen Nachleuchteffektes beheben, sind nicht bekannt.

Zu thermochromen Fahrbahnmarkierungen

Bei den im Beschluss der BV Eimsbüttel außerdem benannten thermochromen Markierungen handelt es sich vom Grundsatz her um ein Material, welches temperaturabhängig die Farbe verändert. Auch hier sind Einschränkungen in der praxisnahen Anwendung bekannt:

- Kein geeignetes Material verfügbar

Nach unserer Recherche ist aktuell kein auch nur ansatzweise verwendbarer Baustoff verfügbar.

- Keine gesicherten Erfahrungen

Öffentliche Berichte und Evaluationen aus den Niederlanden sind spärlich. Die Idee des Künstlers Daan Roosegard sollte z. B. bei Frostgefahr ein Schneeflockensymbol auf der Fahrbahn sichtbar machen. Aussagen zu Wirksamkeit und Kosteneffizienz sind derzeit nicht belastbar, da der zitierte Versuch nie in der Praxis umgesetzt wurde.

- Begrenzte Sichtbarkeit bei Dunkelheit

Da thermochrome Pigmente selbst kein Licht abgeben, ist die Sichtbarkeit bei Nacht ohne Zusatzbeleuchtung stark eingeschränkt. Die Veränderung der Farbpigmente kann zudem dazu beitragen, dass die Reflektion der ursprünglichen Markierung beeinträchtigt wird.

- Abrieb und Lebensdauer

Analog zu den phosphoreszierenden Markierungen wäre der Verschleiß durch Fahrzeuge, Witterung und Streumittel erwartbar hoch was die Haltbarkeit und damit letztlich Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit infrage stellen würde.

Fazit:

Aufgrund der oben geschilderten Wirkfaktoren (Umgebungslicht, Feuchtigkeit, Abrieb) bieten nachleuchtende Markierungen bei den in urbanen Gebieten wie Hamburg vorherrschenden Randbedingungen keinen Zusatznutzen gegenüber konventionellen retroreflektierenden Fahrbahnmarkierungen oder können diese gar ersetzen. Ein Ausleuchten von Straßenräumen kann mittels nachleuchtender Markierungen definitiv nicht erreicht werden.

Eine gerade in Baustellen aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderliche zuverlässige und dauerhafte Beleuchtung des Straßenraums (Sichtbarkeit und soziale Sicherheit bei Nacht) kann von nachleuchtenden Markierungen in keiner Weise geleistet werden.

Ohne einen erzielbaren Nutzen wären nachleuchtende Markierungen deutlich teurer als herkömmliche Markierungen und die Aufbringung/Verlegung aufwändiger.

Im Ergebnis lehnt die BVM es daher weiterhin ab, phosphoreszierende Fahrbahnmarkierungen auf städtischen Baustellen oder anderen Stellen im Straßenraum zu erproben, solange keine wirklich neuen und belastbaren Informationen dazu bestehen

Dies schließt auch thermochrome Markierung ein, für die kein Zusatznutzen im Verkehrsalltag erkennbar ist. Eine Erprobung scheidet hier allerdings schon aufgrund des Fehlens auch nur ansatzweise verwendbarer Baustoffe aus.

Die Frage nach umweltfreundlichen Möglichkeiten, diese Stoffe zu installieren, erübrigt sich vor diesem Gesamtbild: was ohne Nutzen ist und nur Geld kostet, kann nicht umweltfreundlich sein.

Petitum/Beschluss

:

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

Bera­tungs­reihen­folge
Datum/Gremium
TOP
02.07.2025
Ö 4.2
Anhänge

keine

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