21-1522.01

Wie sind die Verbraucherkosten bei der Fernwärme in Hamburg gestiegen?

Antwort

Letzte Beratung: 15.12.2022 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.7

Sachverhalt

Auskunftsersuchen der BAbg. Emrich, Wegner, Pelch und Fraktion der CDU

 

Seit dem Rückkauf des hamburgischen Fernwärmenetzes am 3. September 2019 hat die Wärme Hamburg GmbH (seit 1.1.2022: Hamburger Energiewerke GmbH (HEnW)) offiziell als Fernwärmegesellschaft der Stadt Hamburg ihren Betrieb aufgenommen. Mit dem Erwerb hat der Senat den Volksentscheid Energienetze von 2013 vollständig umgesetzt. Die HEnW ist der größte Fernwärmebetreiber in der Stadt und verteilt circa 80 Prozent der Fernwärme in Hamburg.

 

Mit dem erfolgreichen Volksentscheid war u.a. die Hoffnung der Bürgerinnen und Bürger Hamburgs verbunden, dass ein kommunaler Netzbetreiber dem Gemeinwohl verpflichtet ist und damit faire Netzentgelte und angemessene Fernwärmepreise gewährleistet seien.

 

Im Bezirk Bergedorf ist es nun bei Mieterinnen und Mietern von Wohnungen mit Fernwärme vermehrt zu stark erhöhten Endpreisen gekommen. Und zwar bereits für das Jahr 2021, also vor den erst im Jahr 2022 entstandenen Faktoren, die, wie allseits bekannt, für nochmalige starke Preiserhöhungen auf dem Energiemarkt sorgen. Den Abnehmern von Fernwärme drohen damit weitere drastische Energiepreissteigerungen.

 

Laut Bericht der Bergedorfer Zeitung vom 15. Oktober 2022 sollen die monatlichen Kosten für das Jahr 2021 mehrheitlich um 150 bis 300 Prozent gestiegen sein, teilweise noch um ein Vielfaches mehr. In der Regel bedeutet dies für die einzelnen Haushalte zwischen 800 bis 2.000 Euro an Nachzahlungen und zukünftig zwischen 400 bis 850 Euro an monatlichen Abschlägen.

 

 

Die Hamburger Energiewerke (HEnW) sind ein städtischer Energieversorger, der ein großes Fernwärmenetz sowie einige Inselnetze betreibt. In Bergedorf betreiben die HEnW das Inselnetz Allermöhe. Neben den HEnW gibt es in Hamburg weitere Wärmenetzbetreiber.

 

Der in diesem Auskunftsersuchen dargelegte Fragenkomplex bezieht sich auf ein Wärmenetz in Bergedorf-Lohbrügge, welches nicht von den HEnW betrieben wird, sondern von E.ON Energy Solutions GmbH. Bei den Fragen wird Bezug genommen auf eine Berichterstattung aus der Bergedorfer Zeitung. Die zitierten Prozentzahlen und Zahlungsangaben stammen aus diesem Zeitungsartikel.

 

Sowohl die E.ON Energy Solutions GmbH als auch die HEnW wurden um direkte Beantwortung der Fragen gebeten. Einige zusätzliche Informationen aus dem Amt Energie und Klima der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) sind ebenfalls in die Beantwortung eingeflossen.

 

Dies vorausgeschickt, beantwortet die BUKEA unter Beteiligung von HEnW sowie der E.ON Energy Solutions GmbH das o.g. Auskunftsersuchen vom 18.10.2022 wie folgt:

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Wie und wann erfolgte eine Information der Anwohnerinnen und Anwohnern im Vorfeld zu dieser massiven Erhöhung des Preises und den teils enormen Nachzahlungen?

 

Zu 1.:

Die E.ON Energy Solutions GmbH hat ihre Kundinnen und Kunden zum Thema Preisentwicklung bereits im Oktober 2021 über die geänderte Marktsituation informiert, die Abschläge für 2022 angepasst und ihnen empfohlen, eine Sonderzahlung für die Rechnung 2021 zu tätigen.

 

 

  1. Ist es richtig, dass die realen Produktionskosten für die Fernwärme in Lohbrügge deutlich unter den aktuellen Preisforderungen liegen?

 

Zu 2.:

Die E.ON Energy Solutions GmbH schreibt, dass sie die Wärme mittels Gas in Kesseln und einem Blockheizkraftwerk erzeugt. Einen großen Teil der Wärme kauft sie zudem anhand eines Gaspreisäquivalentes von einem Dritten, der KWA Contracting AG, hinzu.

 

 

  1. Warum sollen Bezieher von Fernwärme in Lohbrügge künftig ein Vielfaches bezahlen, obgleich die Produktion der Fernwärme nur zu einem kleinen Anteil mit Erdgas erfolgt?

 

Zu 3.:

 

Die durch Holz erzeugte Wärme, die im Fernheizwerk Lohbrügge zugekauft wird, wird nach einem sogenannten Erdgasäquivalent eingekauft. Die Einkaufspreise sind an die Preisentwicklung von Erdgas gekoppelt. Diese Vereinbarung ist mit dem Lieferanten zu einer Zeit getroffen worden, als die Beschaffung von Erdgas deutlich günstiger war als die Beschaffung von Holz. Dies hat den Kundinnen und Kunden jahrelang deutliche Preisvorteile verschafft. Durch die aktuelle Preisentwicklung auf dem Erdgasmarkt hat sich dieser Effekt leider umgekehrt, ist aber immer noch Bestandteil der Wärmeabnahmeverträge und der dort festgehaltenen Preisgestaltung zwischen der E.ON Energy Solutions GmbH und der KWA Contracting AG.

 

 

  1. Ist es korrekt, dass die Haushalte in Lohbrügge mit Fernwärme versorgt werden, die im Jahr 2021 zu über 70% aus Holzabfällen produziert wurde?

 

Zu 4.:

 

Ja, diese Angaben werden auch gem. dem Hamburgischen Klimaschutzgesetz im Internet veröffentlicht.

 

 

  1. Ist es korrekt, dass der Gaspreis erst im vierten Quartal 2021 signifikant gestiegen ist?

 

Zu 5.:

 

Die Preise sind im zweiten Halbjahr 2021 enorm angestiegen, besonders im vierten Quartal 2021, siehe auch Anlage.

 

 

  1. Ist dem Senat oder der zuständigen Behörde bekannt, dass Fernwärme-Endkunden in Lohbrügge bereits für das Jahr 2021 einen um mehr als 100% gestiegenen Arbeitspreis für Raumwärme gegenüber dem Jahr 2020 zu zahlen haben?

 

Zu 6.:

 

Nein. Das Netz in Lohbrügge wird privatwirtschaftlich betrieben. Es bestehen keinerlei Berichtspflichten.

 

 

  1. Sind die HEnW bzw. andere Energieunternehmen gesetzlich verpflichtet, durch Kopplung an den Gaspreis eine Preiserhöhung vorzunehmen? Inwiefern könnten auch die tatsächlichen Produktionskosten inkl. eines angemessenen Wagnis- und Gewinnzuschlags in Rechnung gestellt werden?

 

Zu 7.:

 

Den Rahmen für einen Wärmepreis gibt die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) vor – dieser Rahmen ist in den Wärmelieferverträgen zwischen den Versorgern und ihren Kundinnen und Kunden festgelegt. Der Preis richtet sich nach den tatsächlich verwendeten Brennstoffen und deren Erzeugungskosten, die über Brennstoff-Indizes bestimmt werden. Zusätzlich fließen weitere Faktoren (u.a. Lohnindex, Investitionsgüterindex) in die Preisfindung ein. Die AVBFernwärmeV berücksichtigt Versorger- und Verbraucherinteressen gleichermaßen und stellt eine sachgerechte Kostenstellung sicher.

 

 

  1. Welche Überlegungen gibt es aktuell auf Seiten der HEnW bzw. der zuständigen Aufsichtsgremien, aufgrund der stark gestiegenen Beschaffungskosten für die Fernwärmeerzeugung die Preise für die Endkunden so gering wie möglich zu halten bzw. von den Änderungsfaktoren zu entkoppeln?

 

Zu 8.:

 

Zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürgern hat die Bundesregierung bereits drei Entlastungspakete verabschiedet. Das dritte Entlastungspaket beinhaltet eine weitere Entlastung der Endkundinnen und -kunden, indem bei diesen nur ein abgesenkter Umsatzsteuersatz (7 %) auf Erdgas erhoben wird. Rund 15.000 Haushalte in Hamburg haben darüber hinaus Anspruch auf einen Heizkostenzuschuss zur Abfederung bei besonderen Härten. Es ist davon auszugehen, dass es weitere staatliche Entlastungen geben wird, die neben den Möglichkeiten und Angeboten, Energie zu sparen, Einfluss auf die Energiekosten nehmen. Auch für Wärmelieferungen kommt seit dem 1.10. ein abgesenkter MwSt.-Satz zur Anwendung.

 

Darüber hinaus wurden weitere Instrumente auf Bundes- und Landesebene beschlossen bzw. befinden sich in der Diskussion.

 

Härtefallfonds

 

Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise hat Hamburg unter Federführung der Sozialbehörde einen Härtefallfonds für Menschen eingerichtet, die ihre Gas- und Wärmerechnung nicht bezahlen können.

 

Maßnahmen als Soforthilfe

 

Bürgerinnen und Bürger werden im Kampf gegen die hohen Energiepreise durch eine Einmalzahlung im Dezember entlastet werden. Sie gleicht die Dezember-Abschlagszahlung aus.

 

Gas- und Wärmepreisdeckel für Letztverbraucherinnen und -verbraucher

 

Es wurde ein Gaspreisdeckel beschlossen, bei dem jeder Haushalt ein bestimmtes Grundkontingent an Erdgas bekommt, das zu einem gedeckelten Preis abgegeben wird. Wer mehr als diese Menge verbraucht, muss den jetzigen, also teureren, Preis bezahlen. Eine Übertragung auf Wärmekundinnen und -kunden wird erwartet.

 

Übergewinnabgabe/Zufallsgewinnabgabe

 

Im dritten Entlastungspaket hat die Regierungskoalition festgelegt, Zufallsgewinne zum Teil abzuschöpfen. Aus den Einnahmen der abgeschöpften Zufallsgewinne sollen die Hilfspakete finanziert werden.

 

 

  1. Gibt es vertragliche Vereinbarungen zwischen der HEnW und ihren Kundinnen und Kunden, dass die gezahlten Preise mit einem maximalen Aufschlag an die Endkunden weitergegeben werden dürfen? Wenn nein, warum nicht?

 

Zu 9.:

 

Kundinnen und Kunden der HEnW sind die Eigentümerinnen bzw. Eigentümer der Gebäude. Eine Vertragsbeziehung zu Mieterinnen und Mietern besteht in aller Regel nicht.

 

 

  1. Ist dem Senat bzw. der zuständigen Behörde bekannt, inwieweit die Geschäftspartner der HEnW die an die HEnW zu zahlenden Preise an ihre Kundeninnen und Kunden weitergeben bzw. mit einem Aufschlag belegen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, bitte nach Geschäftspartnern aufschlüsseln.

 

Zu 10.:

 

Ja, der zuständigen Behörde ist bekannt, dass die Weitergabe der Kosten an die Endkundinnen und -kunden (Mieterinnen und Mieter) durch die Betriebskostenverordnung (BetrKV) geregelt wird.

 

 

 

Petitum/Beschluss

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Anschreiben der E.ON Energy Solutions GmbH aus Oktober 2021

 

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