21-1060.01

Vorsorge hinsichtlich Starkregenereignissen im Bezirk Bergedorf

Antwort

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Gremium
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06.12.2021
25.11.2021
Sachverhalt

Auskunftsersuchen der BAbg. Jacobsen, Meyns, Kubat und FDP-Fraktion

BAbg. Tilsner, Jarchow, Petersen-Griem und SPD-Fraktion

BAbg. Rüssau und Fraktion Grüne Bergedorf

 

 

Nach der Katastrophe durch Starkregen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, einer unfassbaren Zahl an Todesopfern, Vermissten und enormen Sachschäden an privatem Eigentum und der öffentlichen Infrastruktur, geht es in erster Linie nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum Lehren für die Zukunft zu ziehen. Diese Betrachtung muss auch für den Bezirk Bergedorf erfolgen.

Eine der Lehren muss zwingend im Bereich einer effizienteren und frühzeitigeren Warnung der Bevölkerung vor extremen Wetterereignissen liegen.

 

Hamburg als Stadtstaat verfügt über eine sehr leistungsfähige Organisation der Gefahrenabwehr und Störungsbeseitigung mit eingearbeiteten Strukturen der alltäglichen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Von dahernnen in Hamburg sehr viele Anlässe und Situationen über die sogenannte Alltagsorganisation beltigt werden, wie die Beispiele der Elbehochwasser 2002 und 2013, Tornados 2006 in Harburg und 2016 in Farmsen-Berne, aber auch das Starkregenereignis am Vatertag 2018 im Bereich Bergedorf zeigten.

Der Katastrophenschutz soll die Selbsthilfe der Bevölkerung durch im öffentlichen Interesse gebotene behördliche Maßnahmen ergänzen und hierdurch den Einzelnen im Rahmen der organisatorischen und technischen Möglichkeiten vor der Entstehung oder Vergrößerung eines Schadens schützen (siehe Hamburgisches Katastrophenschutzgesetz (HmbKatSG) Paragraph 1 Absatz 3). Katastrophenschutz ersetzt nicht die notwendige Eigenvorsorge von Grundstücks- und Hauseigentümern eigene Vorsorgemaßnahmen zur Retention zu treffen, wie der Schaffung von Versickerungsflächen, Instandhaltung von Gräben, Reduzierung von Oberflächenversiegelungen bzw. weiterer hilfreicher Maßnahmen, wie Dachbegrünungen oder auch technische Objektsicherungen.

Zum Aufruf des lokalen Katastrophenschutzes der Bezirke oder, wenn die Koordination mehrerer Behörden notwendig ist, des Zentralen Katastrophendienststabes der Behörde für Inneres und Sport (BIS), kommt es erst, wenn die Alltagsorganisation  größere Einsatzlagen nicht mehr bewältigen kann.

r diese Fälle hat der Hamburger Katastrophenschutz entsprechend vorgesorgt. Im Übrigen siehe Drs. 22/5589.

 

Zur Beantwortung der Fragen hat die BIS Stellungnahmen von der für den Hochwasser- und Sturmflutschutz zuständigen Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) eingeholt, die in die Beantwortung der Fragen mit eingeflossen sind.

Da in der Anfrage auf die Ereignisse in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Bezug genommen wurde, muss hier darauf hingewiesen werden, dass in Hamburg andere Verhältnisse herrschen. Lokal und begrenzt können auch hier Bäche und Flüsse anschwellen. Für solche Ausmaße, wie im Ahrtal fehlen in Hamburg allerdings die topografische Voraussetzungen.

 

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Behörde für Inneres und Sport die Fragen wie folgt:

Frage 1:  Wie stellen sich die Hamburger Behörden, Feuerwehr, Polizei und Katastrophenschutz auf derartige Ereignisse ein? Werden bestehende Einsatzpläne nach den aktuellen Ereignissen angepasst?

Die Polizei ist auf besondere Einsatzlagen in Verbindung mit Hochwasser, hervorgerufen durch Starkregen oder Sturmfluten, durch den Alarmkalender Hochwasser konzeptionell vorbereitet.

Die Feuerwehr ist grundsätzlich auf die Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit, den Einzelnen oder erhebliche Sachwerte sowie die technische Hilfeleistung in Not-, Unglücks- und Katastrophenfällen vorbereitet und lt entsprechende Ressourcen vor. Somit stehen alle Fahrzeuge (Kraftfahrzeuge, Anhänger, Abrollbehälter und Boote) und Einsatzgeräte der Feuerwehr Hamburg für Aufgaben im Katastrophenschutz zur Verfügung, inklusive der bundeseigenen Fahrzeuge und Geräte für den Zivilschutz.

In Abhängigkeit vom Ausmaß einer Schadenslage werden in einem stufigen Konzept Kräfte durch anlassbezogene Disposition oder Nachalarmierung im abwehrenden Katastrophenschutz tätig. Darüber hinaus gibt es spezielle Einsatzstichworte, diegliche Folgen eines Starkregenereignisses kennzeichnen und mit entsprechenden Ressourcen des Einsatzdienstes hinterlegt sind. 

Der Lagedienstführer (LDF) erhält in regelmäßigen Abständen Hinweise vom Deutschen Wetterdienst zur aktuellen und bevorstehenden Wetterlage, die in die aktuelle Lagebeurteilung der Feuerwehr Hamburg einfließen und über den täglichen Lagevortrag kommuniziert werden. Notwendige Maßnahmen für die Einsatzkräfte der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr werden in Abstimmung mit den diensthabenden Einsatzführungsdiensten veranlasst.

Die BUKEA ist für den Hochwasserschutz und die Trinkwassernotversorgung zuständig.

Sturmflut

Die BUKEA baut und unterhält die erste Deichlinie an der Tideelbe sowie die Deiche hinter Sperrwerken und an tidefreien Gewässern. Mit dem derzeit laufenden Deichbauprogramm wird möglichen Folgen des Klimawandels Rechnung getragen und der Schutz der Hansestadt vor Sturmfluten weiter erhöht..

Der LSBG betreibt die Deichverteidigung an diesen Anlagen entsprechend der besonderen Richtlinie für den Schutz vor Sturmfluten - Sturmflutrichtlinie in der Fassung vom 15.08.2015, Richtlinie der BIS. Der LSBG hält dazu folgende Planungen vor:

-          Plan zur Verteidigung der öffentlichen Hochwasserschutzanlagen in Hamburg (DV-Plan)

-          Heft „Anleitung Deichverteidigung“

-          Deichabschnittskarten für die Fachkräfte der Deichverteidigungsorganisation

Der Einsatz der Materialien zur Deichverteidigung ist im Deichverteidigungsplan (DV-Plan) organisiert. Für die Verteidigung der Deiche bei Sturmfluten hält der LSBG derzeit 180.000 gefüllte Sandsäcke in neun dezentralen Depots bereit. Es fanden vier Hamburgweite Sturmflutübungen seit 2016 statt. Die Übung 2020 ist aufgrund von Covid19 entfallen. Ergänzend dazu werden zehn eigene Funkübungen pro Jahr innerhalb der Deichverteidigungsorganisation durchgeführt. Im Schulungszentrum Deichverteidigung des LSBG werden zudem theoretische und praktische Kenntnisse des Deichwesens, möglicher Sicherungstechniken und der Deichverteidigungsorganisation geschult.

Binnenhochwasser

BUKEA und LSBG bestimmen Risikogebiete und weisen Überschwemmungsgebiete (ÜSG) aus. Damit wird das Risiko der Überschwemmung im Binnenbereich gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert. Darüber hinaus haben Hamburg Wasser und die BUKEA mit dem Projekt RISA (Regen-Infra-Struktur-Anpassung) Konzepte und Lösungen für einen zukunftsfähigen Umgang mit Regenwasser erarbeitet. Über eine interaktive Starkregenkarte im Internet (https://www.hamburgwasser.de/privatkunden/themen/starkregen) können sowohl aktuelle Ereignisse beobachtet, als auch Gefährdungspotenziale für regionale Gebiete abgeschätzt werden.

Trinkwassernotversorgung

Die BUKEA ist im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung für die Umsetzung des Wassersicherstellungsgesetzes in Bezug auf die Versorgung mit Trinkwasser im Katastrophenfall zuständig. Hierfür nimmt sie auch die fachliche Koordination mit den Bezirksämtern wahr, welche für Wartung, Unterhaltung und Betrieb von Trinkwassernotbrunnen zuständig sind.

In 2018 fand eine Katastrophenschutzübung (Fachdienstübung) zum Betrieb von Notbrunnen mit Notstromaggregaten unter Beteiligung von Bezirken, BIS und BUKEA statt. Daneben finden dauerhaft einzelne individuelle Schulungen (Einweisungen) von Notbrunnenverantwortlichen durch die BUKEA statt.

 

Frage 2:  Welche Vorwarnsysteme werden genutzt oder erprobt, um die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen?

Zur Warnung der Bevölkerung nutzt Hamburg das bundeseigene Modulare WarnSystem (MoWaS), welches Warnmeldungen und Gefahreninformationen an lokale Rundfunkanstalten, an angeschlossene Warn-Apps (siehe auch Antwort zu 3.), auf digitale Stadtinformationsanlagen und ggf. weitere Warnmultiplikatoren versendet.

Zur Warnung vor Sturmfluten erstellt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) laufend eine Sechstage-Vorhersage des Wasserstands unter anderem r den Pegel St. Pauli und warnt bei Extremwetterlagen das Lagezentrum der Polizei, welches als Meldekopf für die Hamburger Behörden dient.

Der Hamburger Sturmflutwarndienst (WADI) wird von Hamburg Port Authority betrieben und gibt Vorhersagen bekannt, wenn ein erwarteter Sturmflutscheitel einen Wasserstand von 4,50 m über Normalhöhennull (NHN) bzw. 2,40 m über mittlerem Hochwasser (MHW) überschreiten kann.

Im Lagezentrum der Polizei können bei Bedarf die Sturmflutsirenen im sturmflutgefährdeten Bereich Hamburgs ausgelöst werden.

r die Warnung vor Binnenhochwasser betreibt der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) im Auftrag der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) den Warndienst Binnenhochwasser Hamburg (WaBiHa). Im Warndienst gibt es einen Email-Verteiler an die Bezirke, die BIS und die Feuerwehr, über den Hochwasserwarnungen ausgesprochen werden.

Derzeit wird von Bund und Ländern ein Verfahren zum Versand von Warnungen über Funkzellen, das so genannte Cell Broadcast, über das auch in Hamburg eingesetzte bundesweite Modulare Warnsystem MoWaS entwickelt. nftig sollen darüber Warnmeldungen in Form einer Push-SMS an alle eingeschalteten Mobilfunkgeräte versendet werden können, unabhängig vom Provider und davon, ob sie eine entsprechende Applikation installiert haben oder bei irgendeinem Anbieter angemeldet sind. Über das Verfahren und die Einsatzschwelle von Cell Broadcast wird man sich noch zwischen Bund und Ländern abstimmen, auch um eine Überwarnung der Bevölkerung (Warnmüdigkeit durch zu viele Warnungen) zu vermeiden. Mit dem Inkrafttreten des geänderten Telekommunikationsgesetzes (TKG) am 01.12.2021 werden die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen.

 

Frage 3:  Welche Mobilfunk-Apps werden aktuell in Hamburg genutzt?

Neben der vom Bund betriebenen Warn-App NINA (Notfall-Informations- und Nachrichten-App), werden über eine technische Schnittstelle Warnungen und Gefahreninformationen im Hamburger Bereich auch an die von privaten Anbietern betriebenen Warn-Apps BIWAPP, FF-Agent, KATWARN, Platzhirsch-App und PowerWarn versendet. Welche Warn-Apps durch die Hamburger Bevölkerung genutzt werden, wird nicht erfasst.

Frage 4:  Welche Social-Media-Kanäle werden aktuell genutzt und durch welche Behörden (Polizei, Feuerwehr)?

Von der Polizei Hamburg und der Feuerwehr Hamburg werden aktuell die Social-Media-Kanäle Facebook, Twitter, Instagram und YouTube genutzt. Diese Social-Media-Kanäle werden, sofern personelle Ressourcen dafür zur Verfügung stehen, in den normalen Bürozeiten, bei besonderen Anlässen auch darüber hinaus bedient. Für akute Warnungen sind sie nicht geeignet.

Frage 5:  Ist geplant, bestehende Apps aus anderen Staaten (z.B. Tornado-Warn-Apps aus den USA) in Deutschland zu implementieren?

Nein. Deutschland hat eigene und bewährte Vorwarnsysteme, wie z.B. die WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes, welche ständig weiterentwickelt und aktualisiert wird.

Frage 6:  Werden für die Erstellung von Verzeichnissen für besonders durch Naturkatastrophen bedrohte Regionen (Bezirke/Stadtteile) bestehende Daten der deutschen Versicherungswirtschaft genutzt? Oder ist erfragt worden, ob diese Daten genutzt werden können. Hier gibt es derartige Daten für das gesamte Bundesgebiet seit Jahren.

Hamburg stützt sich nicht auf die Daten der Versicherungsgesellschaften, sondern wird künftig Vermögenswerte aus der dritten Version des Datensatzes BEAM (Basic European Assets Map) verwenden, die deutschlandweit zur Verfügung stehen.

Dieses Jahr wurde der Abschlussbericht zur „Bewertung des Hochwasserrisikos auf der Grundlage von Schadenspotenzialen Anwendung von Schadensfunktionen in repräsentativen Beispielsregionen im Rahmen des Länderfinanzierungsprogramms „Wasser, Boden und Abfall“ 2020“ vorgelegt. Darin heißt es:

Der Schwerpunkt bei BEAM liegt auf den Sachgütern. Da das Produkt vorrangig zur praktischen Anwendung im Kontext der Bewertung der von Naturgefahren erzeugten Risiken steht, wurden die folgenden Annahmen getroffen:

-          Es werden nur direkte (materielle) Vermögenswerte berücksichtigt.

-          Das Produkt basiert auf dem so genannten NettoKonzept, das die abgeschriebenen Baukosten (nicht die Restaurierungskosten oder die versicherten Vermögenswerte) widerspiegelt.

-          Es sind keine Kosten für Baugrundstücke enthalten, da davon ausgegangen wird, dass sich die ihm zugewiesene Wert im Falle eines Ereignisses nicht ändern.

-          Es sind keine externen Kosten, wie z.B. Kosten für die Baugenehmigungsplanung oder Architekturplanung enthalten, da diese bei einer einfachen Restaurierung nach einem Ereignis nicht anfallen.

-          Es werden keine Kosten aufgrund von Produktionsausfällen berücksichtigt.

Frage 7:   Werden die Daten der EFAS (European Flood Awareness System) zukünftig für die Erstellung von Gefahrenanalysen und die Vorwarnung der Bevölkerung genutzt?

Das Hochwasservorhersagesystem European Flood Awareness System (EFAS) wird in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen bereits komplementär genutzt (Stand 03/2020). Hamburg meldet über die nationalen Meldewege auch Pegeldaten an das EFAS. Derzeit wird geprüft, ob das europäische Vorhersagemodell einen Mehrwert für Hamburg bringt. Das aktuell genutzte nationale Wasserstandsvorhersagesystem (WAVOS) des Bundes oder das lokale Warnsystem Binnenhochwasser Hamburg (WABIHA) sind kleinteiliger, genauer und mit geringerem Zeitverzug behaftet.

Frage 8:  Soll die Einbindung von Rundfunkanstalten bei prognostizierten Extremwetterlagen verändert/optimiert werden?

Das Modulare Warnsystem MoWaS wird vom Bund betrieben und den Ländern und Kommunen für ihre Katastrophenschutzaufgaben zur Mitnutzung überlassen. Der Bund hat so genannte Multiplikatorenvereinbarungen unter anderem mit Rundfunkanstalten (den Multiplikatoren, die Warnungen und Informationen an ihre Kunden bzw. Nutzer weiterleiten, also „multiplizieren“) geschlossen. Darin ist das Verhalten der Sender, abgestuft nach Wichtigkeit der Warnung oder Information der Bevölkerung vor den besonderen Gefahren im Spannungs- und Verteidigungsfall, bei gegenwärtigen Gefahren in Katastrophenfällen und bei anderen erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, geregelt.

Warnungen mit der Priorität „Hoch“ (Warnstufe 1) müssen sofort nach Erhalt und im genauen Wortlaut vom Warnmultiplikator an seine Kunden/Nutzer übermittelt werden.

Warnungen mit der Priorität „Mittel“ (Warnstufe 2) müssen spätestens 10 Minuten nach Erhalt vom Warnmultiplikator an dessen Kunden/Nutzern im sinngemäßen Wortlaut übermittelt werden.

Warnungen mit der Priorität „Niedrig“ (Warnstufe 3) sollten zeitnah und im sinngemäßen Wortlaut übermittelt werden, die Übermittlung ist jedoch freigestellt. Sie dienen in erster Linie der Information der Bevölkerung.

Die Entscheidung über die Priorität einer Warnung obliegt dem jeweiligen Lageeinsatzführer.

Der Bund pflegt mit den Warnmultiplikatoren einen regelmäßigen Austausch.

r Wetterwarnungen ist der Deutsche Wetterdienst zuständig, der über eine eigene MoWaS-Station verfügt.

 

 

 

Petitum/Beschluss

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Anhänge

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