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Photovoltaik auf Gewächshäusern. Immer erlaubt?

Antwort

Letzte Beratung: 17.06.2021 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 5.1

Sachverhalt

Kleine Anfrage der BAbg. Garbers Froh, Capeletti, Pelch, Woller und der CDU-Fraktion

 

In den Vier- und Marschlanden werden viele Gewächshäuser nicht mehr im Sinne ihrer ursprünglichen Bestimmung genutzt. Viele Eigentümer überlegen nun, wie diese Häuser einer neuen Bestimmung zugeführt werden könnten.

 

Eine immer wiederkehrende Idee ist, die Dächer mit Photovoltaik zu belegen. Unsicherheit besteht oft bezüglich etwaiger Genehmigungen.

 

Die hamburgische Bauordnung regelt in § 60 (Verfahrensfreie Vorhaben)

 

(1) Verfahrensfreie Vorhaben sind solche, die weder einer Genehmigung noch einer Zustimmung nach diesem Gesetz bedürfen.

 

(2) Verfahrensfrei sind die in der Anlage 2 zu diesem Gesetz bezeichneten Vorhaben.

 

Und die Anlage 2 zu § 60 erläutert:

 

Für die nachfolgenden Vorhaben ist eine Genehmigung der Bauaufsichtsbehörden nicht erforderlich …

 

2a.1 Solaranlagen in, an und auf Dachflächen außer bei Hochhäusern sowie die damit verbundene Änderung der Nutzung oder der äußeren Gestalt des Gebäudes.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

 

Das Bezirksamt beantwortet die Kleine Anfrage vom 17.05.2021 wie folgt:

 

Vorbemerkung:

 

Eine pauschale Aussage, dass PV-Anlagen auf Gewächshäusern basierend auf § 60 HBauO in Verbindung mit Anlage 2 zu § 60 HBauO genehmigungsfrei sind, kann nicht getroffen werden. Vielmehr handelt es sich bei jedem Vorhaben um einen konkreten Einzelfall, der an den jeweils vorliegenden rechtlichen Gegebenheiten individuell betrachtet und geprüft werden muss.

 

Sollte sich ein Bauherr auf § 60 HBauO in Verbindung mit Anlage 2 zu § 60 HBauO berufen und die Errichtung einer derartigen PV-Anlage verfahrensfrei in Angriff nehmen, obliegt es seiner Verantwortung, sicherzustellen, dass auch die übrigen rechtlichen Rahmenbedingungen (insbeondere die bauplanungsrechtlichen Vorgaben) sowie die darüber hinaus eventuell erforderlichen Genehmigungen eingehalten bzw. eingeholt werden. Sofern die materiell-rechtlichen Anforderungen nicht eingehalten werden, kann die Bauaufsichtsbehörde Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um das öffentliche Recht durchzusetzen (Untersagung, Beseitigung etc.).

 

Um hinsichtlich des konkreten Vorhabens Klarheit in Bezug auf das weitere Vorgehen zu erhalten, ist es jederzeit möglich, sich bei der zuständigen Baugenehmigungsbehörde im Rahmen einer Bauberatung informieren und beraten zu lassen.

 

 

  1. Ist es richtig, dass für den Anbau von Photovoltaik auf Gewächshäusern keine Genehmigung vom Bauamt eingeholt werden muss? Wenn nein, warum?
  2. Gibt es andere Voraussetzungen die erfüllt sein müssen, um Photovoltaik auf Gewächshausdächer zu installieren? Wenn ja, welche?
  3. Wie ist in 2a.1 „die damit verbundene Änderung der Nutzung … des Gebäudes“ zu verstehen? Bedingt der Aufbau einer Photovoltaik automatische eine Nutzungsänderung und erlischt damit gleichzeitig die Erlaubnis zur Nutzung als Gewächshaus? Würde sich etwas ändern, wenn nur ein Teil des Daches mit Photovoltaik belegt ist?
  4. Welcher Nutzung könnte der untere Gebäudeteil verfahrensfrei zugeführt werden außer als Gewächshaus?
  5. Könnte neben den Gewächshäusern zusätzliche gebäudeunabhängige Photovoltaik mit einer Höhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge bis zu 9 m ohne Baugenehmigung aufgestellt werden (Anlage Nr. 2a.2). Wenn ja, nur eine oder mehrere? Wenn nein, warum nicht?
  6. Welche anderen Genehmigungen müssten eventuell eingeholt werden?

 

 

Die Fragen 1 bis 6 sind anhand der rechtlichen Rahmensetzungen wie folgt zu beantworten:

 

  1. Bauplanungsrecht

 

Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit mit dem Bauplanungsrecht sicherzustellen: 

 

Sofern die PV-Anlagen auf ehemaligen Gewächshäusern errichtet werden sollen, die im Außenbereich zu verorten sind, ist die planungsrechtliche Zulässigkeit dieser Vorhaben nach § 35 BauGB zu prüfen. Sofern es sich bei den Gewächshäusern um Gebäude handelt, die dem Innenbereich nach § 34 BauGB zuzurechnen sind, ist bei einer Nutzung der PV-Anlage für den Privatgebrauch grundsätzlich von einer planungsrechtlichen Zulässigkeit von PV-Anlagen in, an und auf Dächern auszugehen. Sollte die derart erzeugte Energie gewerblich genutzt werden (d.h. der erzeugte Strom wird ins öffentliche Netz zur Gewinnerzielung eingespeist), muss sich die dann vorliegende gewerbliche Anlage einfügen und ihre Erschließung muss gesichert sein.

 

Sollte es sich um ein Gewächshaus handeln, das sich in einem B-Plan-Bereich befindet, darf die Gesamtanlage den Festsetzungen des B-Plans nicht widersprechen und im Falle einer gewerblichen Nutzung muss diese laut B-Plan auch zulässig sein.

 

Da der überwiegende Teil der Gewächshäuser sich allerdings im Außenbereich nach § 35 BauGB befindet, werden die entsprechenden Voraussetzungen besonders erläutert:

 

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB nicht entgegenstehen, die Erschließung gesichert ist und es der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dient, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist. Entscheidend ist dabei, ob es sich bei den Gewächshäusern, auf deren Dächern die PV-Anlagen geplant sind, um zulässigerweise genutzte Gebäude handelt – dies bedeutet Folgendes:

Das Gebäude muss zum einen tatsächlich vorhanden sein und auch als solches benutzbar sein. Baufällige Gebäude oder Ruinen fallen nicht darunter. Zum anderen muss das betreffende Gebäude zulässigerweise genutzt werden. Es scheiden daher Gebäude aus, die nicht genutzt werden und die nicht zulässigerweise genutzt werden.

 

Dabei ist regelmäßig der Zweck des Gebäudes, dem das Gebäude zu dienen bestimmt ist, zu berücksichtigen. Es scheiden daher Gebäude aus, die entgegen ihrer Zweckbestimmung seit längerer Zeit nicht genutzt worden sind und weiterhin nicht genutzt werden.

Wird das Gebäude nicht mehr zulässig genutzt, verliert die PV-Anlage auch ihre privilegierte Zulässigkeit iSd § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB, weil sie nicht mehr an einem zulässig genutzten Gebäude angebracht ist.

 

Die Anwendung des Privilegierungstatbestands nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB kann daher Veranlassung geben, eine Genehmigung zu beantragen, wenn die vorhandene Nutzung nicht zulässig ist und nicht genehmigt war.

 

Sofern die PV-Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, und weiterhin ausreichend Sonnenlicht für die Gewächshausnutzung einfallen kann, liegt kein Erfordernis für eine Nutzungsänderung vor.

Sofern allerdings die ursprünglich genehmigte Nutzung nicht mehr ausgeübt wird und eine andere Nutzung für das Gewächshaus erwünscht ist, ist grundsätzlich eine Nutzungsänderungsgenehmigung für das Gewächshaus als Grundgebäude, auf dem sich die PV-Anlage als privilegiertes Vorhaben andocken will, erforderlich. Dies bedeutet, dass unter Umständen die Privilegierung des Betriebs erneut nachzuweisen ist. Wenn die Gewächshäuser keinem landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb im Sinne des § 201 BauGB (mehr) dienen, fehlt ihnen der Hauptnutzungszweck. Die Stromgewinnung durch die Photovoltaikanlagen selbst stellt keine privilegierte landwirtschaftliche Nutzung im Außenbereich nach § 35 BauGB dar. Zu beachten ist außerdem, dass oftmals eine Rückbauverpflichtung bei Aufgabe der Nutzung besteht.

 

In diesem Zusammenhang könnte sich dann die Frage stellen, ob nach Aufgabe der ursprünglichen Gewächshausnutzung im Außenbereich eine anderweite zulässige Nutzung denkbar ist. Nur wenn eine anderweitige, außengebietsverträgliche Nutzung für das Grundgebäude gefunden werden kann, die dann auch tatsächlich ausgeübt wird, ist eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB für die PV-Anlage möglich.

Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, muss die weitere Voraussetzung beachtet werden, dass die PV-Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet zu sein hat. Maßstab ist das Verhältnis der Größe der PV-Anlage zur Größe des Gebäudes. Auf das Verhältnis zur Größe des Daches und seiner baulichen Merkmale kommt es nicht an. Das Gebäude muss die bauliche Hauptsache und die PV-Anlage muss die bauliche Nebensache darstellen.

 

Sollte eine privilegierte planunsgrechtliche Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht kommen, könnte eine PV-Anlage auf dem Dach eines Gewächshauses unter Umständen zusammen mit dem Gewächshaus als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB im Außenbereich zulässig sein. Die bedarf einer Einzelfallprüfung und darf nur dann zugelassen werden, wenn die Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass diese Konstruktion (nicht mehr im ursprünglichen Sinne genutztes Gewächshaus mit PV-Anlage auf dem Dach) das Orts- und Landschaftsbild nach § 35 Abs. 3 BauGB als öffentlichen Belang beeinträchtigen könnte.

 

 

  1. Bauordnungsrecht

 

Sofern die genannten planunsgrechtlichen Vorgaben beachtet werden und keine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung für das der PV-Anlage als Grundlage dienende Gewächshaus erforderlich ist, kann die PV-Anlage verfahrensfrei nach § 60 HBauO in Verbindung mit Punkt 2a.1 der Anlage 2 zu § 60 HBauO errichtet werden.

 

Eine Nutzungsänderung der der PV-Anlage als Grundlage dienenden Gewächshäuser ist allerdings immer genehmigungspflichtig.

 

Gebäudeunabhängige PV-Anlagen sind nach § 60 HBauO in Verbindung mit Punkt 2a.2 der Anlage 2 zu § 60 HBauO mit einer Höhe bis zu 3m und einer Gesamtlänge bis zu 9m als Nebenanlagen auf dem Grundstück selber (aber nicht im Außenbereich) verfahrensfrei, wenn sie Energie allein für den Eigenbedarf des Betriebs produziert. Wird der erzeugte Strom in das öffentliche Stromnetz zur Gewinnerzielung eingespeist, handelt es sich bereits um eine gewerbliche Nutzung.

 

 

  1. Weitere, unter Umständen erforderliche Genehmigungen

 

 

Abhängig von dem jeweiligen Einzelfall kann es erforderlich sein, dass trotz der baurechtlichen Verfahrensfreiheit eine Genehmigung aus anderen Rechtsbereich einzuholen ist. Dabei handelt es sich überwiegend um

  • Denkmalschutzrechtliche Genehmigungen
  • Landschaftsschutzrechtliche Genehmigungen
  • Genehmigungen nach § 173 BauGB (Erhaltungsverordnungen).

 

 

 

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