20-1470.01

Ölbohrungen in Vierlanden /Kirchwerder II

Antwort

Sachverhalt

Auskunftsersuchen der BAbg. Wobbe, Rüssau, Lühr und Fraktion GRÜNE

 

In der Drs. 20-1344.01 informierten die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation bzw. das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie über Maßnahmen im Erdölfeld Reitbrook-West. Zur Druckerhaltung sollten zwei konkrete Tiefbohrungen zur Ausförderung (Reitbrook West 7) und zur anschließenden Re-Injektion (Reitbrook West 17) von Lagerstättenwasser einsatzbereit gemacht werden. Die Injektionsbohrung solle vor Beginn der Verpressung einem Säure-Workover mit Zitronensäure unterzogen werden. Die Maßnahmen sollen im derzeit gültigen Hauptbetriebsplan beschrieben und der Genehmigungsbehörde am 7. August 2017 angezeigt worden sein.

Beide o. a. Bohrungen, wie auch zahlreiche weitere Tiefbohrungen zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen bzw. zur Verpressung von mitgefördertem Lagerstättenwasser, befinden sich im Naturschutz- und FFH-Gebiet Kirchwerder Wiesen. Sie sind laut Angaben des Betreiberunternehmens Engie durch Nassöl- bzw. Lagerstättenwasserleitungen mit den Hochtanks an der Krapphofschleuse verbunden.

Lagerstättenwasser ist hochsalin und enthält üblicherweise neben wassergefährdenen Chloriden eine Reihe von toxischen Schwermetallen sowie, je nach Lagerstätte, unterschiedliche Zusammensetzungen von radioaktiven Isotopen. Messungen des Vorgängers des heutigen Betreiberunternehmens in Hochtanks und Treatern im Erdölfeld Reitbrook haben eine Radioaktivität in Ablagerungen gezeigt, die teilweise mehr als das Vierfache der natürlichen Ortsdosisleistung betrugen.[1]

Die Praxis des Verpressens des mitgeförderten Lagerstättenwasser an Ort und Stelle in den Feldern Reitbrook-West/Allermöhe und Reitbrook-Alt sei, ebenfalls nach Angaben des Betreiberunternehmens, jahrzehntelange Praxis. Allerdings hieß es bislang, dass diese Wässer in Teufen von 500600 Metern injiziert würden. Eine Verpresstiefe von rund 1.800 Metern wie jetzt vom Betreiberunternehmen angegeben (s. Einleitungstext zum o.g. Auskunftsersuchen) scheint demnach neu zu sein.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

 

Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) beantwortet das Auskunftsersuchen vom 14. Dezember 2017 auf Grundlage von Auskünften des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) wie folgt:

 

1.     Wann wurde der aktuell gültige Hauptbetriebsplan für den Produktionsbetrieb Reitbrook zugelassen, bis wann dauert seine Gültigkeit und welche anderen in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden waren gem. § 54 Abs. 2 BBergG am Zulassungsverfahren beteiligt?

 

Zu 1.:

Das Unternehmen Engie hat den aktualisierten Hauptbetriebsplan Anfang des Jahres 2017 beim LBEG zur Prüfung eingereicht. Dieser wurde am 10. April 2017 zugelassen und ist bis zum 30. August 2019 befristet.

 

Nur wenn durch die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen der Aufgabenbereich anderer Behörden oder der Gemeinden als Planungsträger berührt wird, sind diese vor der Zulassung des Betriebsplanes zu beteiligen. Dies ist beim vorliegenden Hauptbetriebsplan nicht der Fall.

 

Mit der Zulassung des Hauptbetriebsplanes hat der LBEG auch die Arbeiten zur Umrüstung der Tiefbohrung Reitbrook West 7 in eine Einpressbohrung genehmigt.

Hierfür wird die vorhandene Infrastruktur genutzt. Bauliche Veränderungen wurden auf dem Betriebsplatz nicht durchgeführt.

Dies bedeutet, dass nach Beendigung der Förderung die Pumpe aus der Bohrung gezogen und die Verrohrung mit nicht wassergefährdendem Reinigungsmittel wie Zitronensäure gereinigt wird. Für diese Arbeiten ist temporär eine Autowinde notwendig. Anschließend werden die Leitungswege umgekehrt (vorher wurde das Öl von der Bohrung zur Aufbereitung transportiert, jetzt wird das aufbereitete Lagerstättenwasser zur Bohrung transportiert).

 

 

2.     Welche für die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutsamen Angaben enthält der aktuell gültige Hauptbetriebsplan? Insbesondere geht es um eine Beschreibung der zu erwartenden erheblichen Auswirkungen des Vorhabens unter Berücksichtigung des allgemeinen Kenntnisstandes und der allgemein anerkannten Prüfungsmethoden, d. h. um eine Beschreibung von Art und Menge der zu erwartenden Emissionen und Reststoffe, vor allem der Luftverunreinigungen, der Abfälle und der anfallenden Abwässer. Ferner geht es um Angaben über alle sonstigen erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Sachgüter. Bitte diese Angaben vollumfänglich wiedergeben.

 

3.     Welche Auswirkungen auf die Umwelt hat die zuständige Behörde vor der Zulassung des Hauptbetriebsplans ermittelt und beschrieben und wie hat sie sie bewertet? Bitte den/die entsprechenden Vermerk/e aus der Akte als Anhang beifügen.

 

Zu 2. und 3.:

r die im vorliegenden Fall beschriebene Ausförderung einer Erdöllagerstätte ist entsprechend der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) keine Umweltverträglichkeitsvorprüfung vorgeschrieben.

 

Bei der Zulassung eines Hauptbetriebsplanes werden gem. § 55 und § 48 Bundesberggesetz (BBergG) u.a. auch  Belange des Umweltschutzes geprüft. So muss beispielsweise  sichergestellt sein, dass die Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs geschützt wird, dass die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung bergbaulich genutzter Flächen getroffen wird und keine gemeinschädlichen Einwirkungen der Aufsuchung und Gewinnung zu erwarten sind.

 

Zu den Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 55 Abs. 1 BBergG im Einzelnen:
 

-          § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG (Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter): Der Hauptbetriebsplan beschreibt die wesentlichen Betriebsabläufe, die nach den anerkannten Regeln der Bergbausicherheit (Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen in der Freien und Hansestadt Hamburg (BVOT)) durchgeführt werden.

 

-          § 55 Abs. 1 Nr. 5 BBergG (Schutz der Tagesoberfläche im Sinne der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs): Durch die untertägige Gewinnung von Erdöl im Bereich Reitbrook werden weder die Nachbarschaft noch der öffentliche Verkehr negativ beeinträchtigt. Die Anlagen werden nach dem Stand der Bergbausicherheit betrieben, negative Einwirkungen sind nicht zu erwarten.

 

-          § 55 Abs. 1 Nr. 6 BBergG (ordnungsgemäße Abfallentsorgung): Hierzu sind Regelung im Sonderbetriebsplan Abfallentsorgung und vermeidung vorgesehen, der von der Firma Engie überarbeitet, im Mai des Jahres 2017 vorgelegt und im Juli des Jahres 2017 vom LBEG zugelassen wurde. Die anfallenden Abfälle werden ordnungsgemäß entsorgt.

 

-          § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG (erforderliche Vorsorge zu Wiedernutzbarmachung): Derzeit stehen keine Bohrungen zur Verfüllung an bzw. werden Förderplätze oder Betriebsanlagen zurückgebaut. Bei Vorhaben zum Rückbau von Förderplätzen oder Betriebsanlagen würden entsprechende Sonderbetriebspläne (SBP) vorgelegt und unter Beteiligung der betroffenen Hamburger Behörden geprüft.

 

-          § 55 Abs. Nr. 9 BBergG (keine gemeinschädlichen Einwirkungen): Wenn Zulassungsvoraussetzung Nr. 5 erfüllt ist, ist auch Nr. 9 erfüllt.

 

Da die vorgenannten Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 55 BBergG erfüllt sind, ist die Zulassung zu erteilen.

 

 

4.     Welche chemischen Stoffe kommen bzw. kamen, sofern diese Arbeiten inzwischen abgeschlossen sind im Gesamtverlauf des Workover der Bohrung Reitbrook West 17 in den unterschiedlichen Anlageteilen zum Einsatz (über die Behandlung der Bohrung mit Zitronensäure hinaus)? Bitte vollständig auflisten.

 

Zu 4.:

Bei den Workover-Arbeiten werden entsprechend des Hauptbetriebsplanes Zitronensäure und Lagerstättenwasser zum Spülen der Bohrung eingesetzt. Es kommen bei diesen speziellen Arbeiten keine weiteren chemischen Stoffe zum Einsatz.

 

 

5.     Gibt es einen zugelassenen Sonderbetriebsplan (SBP) gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 57d BBergG für den Betrieb der Bohrung Reitbrook West 17 als Injektionsbohrung?

5.1 Wenn ja, welche anderen in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden wurden gem. § 54 Abs. 2 BBergG am Zulassungsverfahren beteiligt und wie haben sie jeweils Stellung genommen?

5.2 Wenn nein, warum nicht? Bitte nachvollziehbar begründen, warum kein SBP erforderlich ist.

 

Zu 5., 5.1., 5.2.:

Es handelt sich bei den im Hauptbetriebsplan angekündigten Arbeiten um die Umfunktionierung der bereits bestehenden Tiefbohrung Reitbrook West 7 in eine Einpressbohrung. Gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 2 BBergG kann der LBEG verlangen, dass für bestimmte Teile des Betriebes oder für bestimmte Vorhaben Sonderbetriebspne aufgestellt werden.

Aufgrund der für diese Arbeiten detaillierten Antragsbeschreibungen im Hauptbetriebsplan, besteht jedoch für ein solches Verlangen kein Bedarf. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.

Im Hauptbetriebsplan sind diese Arbeiten auch als Standardarbeiten beschrieben. 

Dazu gehören u.a. der Auf- und Abbau einer Windenanlage, der Ab- und Aufbau der Bohrlochsicherung, das Ziehen und der Einbau einer Untertagepumpe, die Reinigung der Verrohrung und der Einbau von technischen Einheiten im Bohrloch.

 

 

6.     Der Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 48 Abs. 1 und 2 WHG) besagt:
(1) Eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser darf nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. [...]
(2) Stoffe dürfen nur so gelagert oder abgelagert werden, dass eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. Das Gleiche gilt für das Befördern von Flüssigkeiten und Gasen durch Rohrleitungen.“
Aufgrund welcher Erkenntnissen und Daten über das betroffene Gebiet ist eine Gefährdung des Grundwassers in den umliegenden Wasserschutzgebieten als auch den Einzugsgebieten von Trinkwassergewinnungsgebieten als auch gegebenenfalls von Hausbrunnen durch die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen und/oder den Transport von Nassöl bzw. Lagerstättenwasser durch Rohrleitungen und/oder die Einpressung von Lagerstättenwasser im Erdölfeld Reitbrook nicht zu besorgen?

 

Zu 6.:

Die Tiefbohrung Reitbrook West 7 existiert bereits seit mehreren Jahren. Durch ein Mehrfachsystem von Verrohrungen und Zementationen ist gewährleistet, dass kein Erdöl oder Lagerstättenwasser in den Bereich des nutzbaren Grundwassers eintreten kann.  Das Einpressen von Lagerstättenwasser erfolgt maximal bis zu einem Druck der dem ursprünglichen Lagerstättendruck entspricht (abzüglich eines Sicherheitsfaktors). Die Lagerstätte konnte sich nur im konkreten Gebiet ansammeln, da eine Abdichtung der Lagerstätte, beispielsweise durch darüber liegende Ton- oder Salzformationen, gegenüber darüber befindlichen geologischen Formationen gegeben ist. Das nutzbare Grundwasser ist zum einen durch die Einhaltung dieser Drücke, zum anderen durch die über der Lagerstätte befindlichen Ton- oder Salzformationen geschützt. Eine Gefährdung des Grundwassers in den umliegenden Wasserschutzgebieten, in den Einzugsgebieten von Trinkwassergewinnungsgebieten als auch gegebenenfalls von Hausbrunnen ist damit nicht zu besorgen. Die Bohrungen werden hinsichtlich ihrer Integrität durch technische Überwachungssysteme regelmäßig überprüft.

 

Eine wasserrechtliche Erlaubnis ist nicht erforderlich. Das Lagerstättenwasser wird im Kreislauf gefahren und dient der Druckerhaltung in der Lagerstätte.

 

 

7.     Wie wird der besondere Schutzstatus des NSG/FFH-/Natura2000-Gebietes Kirchwerder Wiesen im aktuell gültigen Hauptbetriebsplan konkret berücksichtigt und wie sind eine Erdölproduktion bzw. eine Verpressung von Lagerstättenwasser in diesem Gebiet mit den geltenden Naturschutzvorschriften vereinbar (z. B. in der Verordnung über das Naturschutzgebiet Kirchwerder Wiesen sowie ggf. im Pflege- und Entwicklungsplan Kirchwerder Wiesen)?

 

Zu 7.:

Das Naturschutzgebiet (NSG) Kirchwerder Wiesen wurde im Jahr 1993 über Teile des Ölfeldes gelegt. Schutzzweck des NSG ist die Erhaltung und Entwicklung der überwiegend durch landwirtschaftliche Grünlandnutzung geprägten, weiträumigen und offenen Kulturlandschaft der Elbmarsch der Vierlande sowie als Lebensstätte für Tier- und Pflanzenarten. Die vorgenannten Schutzziele des NSG werden durch die Inhalte des Hauptbetriebsplanes nicht berührt.

 

 

8.     Welche Tiefbohrungen im Erdölfeld Reitbrook wurden in den letzten 30 Jahren als Verpressbohrungen verwendet, welche Tiefbohrungen erfüllen aktuell diesen Zweck und welche Tiefbohrungen sind zukünftig dafür vorgesehen? Bitte tabellarisch mit Namen, Hoch- und Rechtswert aufführen und dabei den jeweiligen Zeitraum der Verpressung und die jeweilige Injektionsteufe angeben.

 

Zu 8.:

Aktuell sind im Erdölfeld Reitbrook die Bohrungen Reitbrook (R) 43, R 99, R 132, R 133, R 134, Reitbrook-West (RW) 17, RW 19, RW 27a  als Einpressbohrungen zugelassen. Für eine Benennung der Einpressbohrungen der vergangenen 30 Jahre ist eine umfassende Recherche notwendig, die aufgrund der für eine bezirkliche Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 

 

 

9.     Im Jahr 2015 dem Jahr der Auflassung des Erdgasspeichers Reitbrook erzielte das Betreiberunternehmen in den Feldern Reitbrook-West/Allermöhe und Reitbrook-Alt eine Produktion von 7608 Tonnen; im Jahr 2016 waren dies 7482 Tonnen.[2] Welche Menge Erdöls wird dort voraussichtlich im Jahr 2017 erzielt werden und zu wann wird mit dem Erreichen der angepeilten 20.000 Tonnen Erdöl pro Jahr gerechnet?

 

10. Wie hoch waren die Feldesabgaben und die Förderabgaben, die das Betreiberunternehmen in den Jahren 2015 und 2016 an die Freie und Hansestadt Hamburg zu zahlen hatte, und welche Anteile davon gingen jeweils auf die Produktion in den Vier- und Marschlanden zurück?

 

Zu 9. und 10.:

Die Frage, wann mit den angepeilten 20.000 t Erdöl pro Jahr gerechnet wird, kann vom LBEG nicht beantwortet werden und ist an den Betreiber zu richten. Für eine Zusammenstellung der Mengen, der Förderabgabezahlen und der Feldesabgabezahlungen aus den Erhebungszeiträumen der Jahre 2015 und 2016 siehe Anlage. Die Angaben geben die Größenordnung wieder. Sie stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich die genannten Werte aufgrund von Förderabgabeerklärungen und/oder Förderabgabeprüfungen zukünftig noch ändern können.

 

 

 

 

 

Petitum/Beschluss

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