Neues Hebammengesetz
Auskunftsersuchen der BAbg. Mirbach, Westberg, Jobs, Gruber, Heilmann –
Fraktion DIE LINKE
Sachverhalt:
Das neue Hebammengesetz regelt die Ausbildung zur Hebamme völlig neu. Dies gibt Anlass dazu, die aktuelle Situation in unserem Bezirk zu analysieren, aber auch die Auswirkungen auf nach dem alten Hebammengesetz bereits fertig ausgebildete Hebammen zu hinterfragen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zu dem o. g. Auskunftsersuchen wie folgt Stellung:
Der zuständigen Behörde obliegt kein „Sicherstellungsauftrag" für eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung mit freiberuflichen Hebammen in Hamburg, da die Versorgung mit Hebammenhilfe zwischen den Hebammenverbänden und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung auf Bundesebene vertragsautonom geregelt wird. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der freiberuflichen Tätigkeit der Hebammen kann daher weder ein Landesministerium noch eine andere Institution per Anweisung eine flächendeckende und ausreichende Hebammenversorgung regeln. Gleichwohl hat die Sozialbehörde im Dialog mit dem Hamburger Hebammenverband verschiedene Spielräume für gezielte Verbesserungen ausgelotet. Als mittel- bis langfristig wirksame Maßnahme wurden in Hamburg bspw. die Ausbildungsplätze in den Krankenhäusern erhöht.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich im letzten Hebammenbericht https://www.hamburg.de/contentblob/4933628/b902564a0ca899e33377d4b15b697ade/data/hebammenbericht-download.pdf der Sozialbehörde große Lücken gezeigt hatten bei der Betreuung von Schwangeren und Müttern im Südwesten Hamburgs sowie in einigen zentrumsnahen östlichen Stadtteilen. Die Sozialbehörde ist deshalb im Gespräche mit dem Hebammenverband und dem zuständigen Bezirk zur besseren Versorgung in Harburg.
Bitte um genaue Anzahl zu jeder Gruppierung (Familienhebammen, freiberufliche Hebammen, in Krankenhäusern etc. angestellte Hebammen).
3,44 Vollkräfte waren im Jahr 2021 im Bezirk Bergedorf als Familienhebammen in einem der Familienteams tätig. Darüber hinaus können Familienhebammen auch bei anderen Trägern bzw. in anderen Angebotsformen tätig sein. Darüber liegen keine Erkenntnisse vor. Im Bezirk Bergedorf sind 38 freiberuflich tätige Hebammen gemeldet (Stand Januar 2022). Dies schließt nicht aus, dass in anderen Bezirken oder benachbarten Bundesländern gemeldete freiberuflich tätige Hebammen zur Versorgung im Bezirk Bergedorf beitragen. Die Geburtsklinik im Bezirk Bergedorf, das Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf, verfügt entsprechend der Angaben im aktuellen Qualitätsbericht des Krankenhauses (Strukturierter Qualitätsbericht gemäß § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB) zum Stand 2020 über 9,51 fest angestellte Hebammen (angegeben als Vollkräfte). Der Bericht ist auf der Website des Gemeinsamen Bundesausschusses unter dem Suchbegriff Bergedorf einsehbar (Referenzdatenbank Qualitätsberichte (g-ba-qualitaetsberichte.de).
Bundesweit wird ein Hebammenmangel beklagt, dies trifft auch für Hamburg zu. Dementsprechend erfolgen ein Monitoring der Versorgungslage und gezielte Maßnahmen auf regionaler Ebene (s. Vorbemerkung). Der Bedarf an Hebammen, die freiberuflich in der Schwangerenbetreuung und/oder in der Betreuung von Müttern mit Säuglingen tätig sind, hängt auch von der Interessenlage des Klientels ab. Die Anzahl von Hebammen kann nur eingeschränkt ein Indikator für eine bedarfsgerechte Versorgung sein, da Hebammen ihren Beruf - ob als Angestellte oder selbstständig - auch in Teilzeit bzw. stundenweise ausüben können.
Die Zahl der betreuten Säuglinge einschließlich Mütter hängt davon ab, wie die einzelne Hebamme Arbeitszeit und Arbeitsschwerpunkte (z.B. Geburtshilfe, Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskurse, Sprechstundenangebote) gestaltet. Zum anderen passen die Hebammen die Intensität und Dauer der aufsuchenden Betreuung an die individuelle Situation der Schwangeren/der Mutter bzw. der Familie mit Säugling an.
Die Sozialbehörde hat den Hamburger Hebammenverband zunächst finanziell unterstützt, das vorhandene Internet-Portal zu erweitern. Das Online-Portal des Hebammenverbands Hamburg hat Schwangeren die Suche nach einer Hebamme erleichtert. Dieses Hamburger-Portal ist durch Portal des deutschen Hebammenverbandes (DHV) www.ammely.de ersetzt worden.
Aus dem Hebammengesetz des Bundes (HebG) ergeben sich für berufstätige Hebammen keine neuen Pflichten, soweit die Hebamme nicht als Praxisanleitung tätig ist. Für Praxisanleitungen ergibt sich gemäß § 10 Absatz 1 Nummer 4 Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen die Pflicht zur kontinuierlichen berufspädagogischen Fortbildung.
Im Senatsentwurf des Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Hebammengesetzes (HmbHebG) werden in Teil 3 wesentliche inhaltliche Regelungen hinsichtlich der Berufsausübung (Pflichten, Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes, Aufsicht, Ordnungswidrigkeiten) aus der Berufsordnung für die Hebammen und Entbindungspfleger in Hamburg vom 25. April 2017 (Hebammen-Berufsordnung a.F.) auf die gesetzliche Ebene überführt und vereinzelt ergänzt. Im Katalog der allgemeinen Berufspflichten (§ 7) wird mit den Nummern fünf und sechs die Hygiene- und Haftpflichtnachweispflicht für alle Hebammen verankert. Bislang adressierten sich diese Pflichten in der Hebammen-Berufsordnung a.F. lediglich an freiberuflich tätige Hebammen. Die Regelung bewirkt keine inhaltlich Änderung für angestellte Hebammen, da die Pflichten bzw. deren Beachtung dem Berufsbild immanent sind und nur verdeutlichend normiert werden. Die Normierung hat für angestellt beschäftigte Hebammen allein die Folge, dass sie sich vor Beginn des Arbeitsverhältnisses bei ihrem Arbeitgeber zu vergewissern hat, dass ihre Tätigkeit über dessen Haftpflichtversicherung abgedeckt ist. In § 8 Nr. 7 ist die Möglichkeit der Kennzeichnung der Praxis durch ein Schild nunmehr als Pflicht ausgestaltet. Inhaltlich neu ist zudem die Regelung in § 9 Absatz 3 Satz 3. Demnach müssen Hebammen dokumentieren, wenn die Schwangere bzw. Gebärende die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes ablehnt und es ihr nicht möglich ist, dies schriftlich zu bestätigen. Die Regelungen dienen ganz überwiegend dem Gesundheitsschutz als überragendes Gut des Gemeinschaftswohls, beanspruchen unmittelbare Geltung (z.B. Hygiene) und sind daher einer Übergangsvorschrift nicht zugänglich. In Bezug auf die Pflicht, die Praxis durch ein Schild zu kennzeichnen, bedarf es keiner Umsetzungsfrist, da im Falle einer Ordnungswidrigkeit individuelle Umstände im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen wären.
Soweit sich die Frage auf den Gesetzesentwurf zur Änderung des Hamburgischen Hebammengesetzes bezieht, siehe Antwort zu Frage 6. Im Übrigen: Nein. Die gestiegenen Kosten für die Haftpflichtversicherung werden bereits jetzt ausgeglichen.
Der Bundesgesetzgeber hat durch Änderungen des § 134a SGB V die finanzielle Situation der Hebammen verbessert. Hierzu gehören die Verpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), zusätzliche Mittel für Geburtshilfeleistungen bereit zu stellen und die kontinuierlich gestiegenen Kosten für die Berufshaftpflichtprämie bei freiberuflichen Hebammen durch die jährlichen Vergütungssteigerungen auszugleichen. Ab dem 1. Juli 2015 wurde diese Übergangsregelung durch einen Sicherstellungszuschlag ersetzt sowie Näheres hierzu durch die Vertragspartner, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Hebammen maßgeblichen Verbände vereinbart (§ 134a Absatz 1b SGB V). Der Vergütungsvertrag zwischen den Krankenkassen und den Hebammenverbänden wurde durch einen Schiedsspruch am 25.9.2015 festgesetzt. Zuvor gab es Ausgleichszahlungen, die an die einzelnen Vergütungspositionen gekoppelt waren. Diese sind weggefallen.
Der Sicherstellungszuschlag wird auf Antrag der Hebamme rückwirkend ausbezahlt. Mit dem Sicherstellungszuschlag ist eine Zwischenlösung gefunden worden, die den Großteil der Kosten für freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen abdeckt, seit 01.07.2020 bis zu 6.861,55 Euro, ab dem 01.07.2021 bis zu 8.068,01 Euro. (Quelle: dhv_zahlenspiegel.pdf (unsere-hebammen.de) )
Das Verfahren zur Auszahlung des Sicherstellungszuschlags hat sich mittlerweile etabliert und wird gut von den Hebammen angenommen. Bis Ende Juni 2021 wurden vom GKV-Spitzenverband insgesamt rund 64 Millionen Euro für Sicherstellungszuschläge an die Hebammen ausgezahlt. (Quelle: Wichtige Arbeit der Hebammen unterstützen | BMG - Bundesgesundheitsministerium )
Zudem bietet der Deutsche Hebammenverband eine Absicherung des Haftpflichtrisikos als Gruppenversicherungsvertrag über den Verband an. Ende 2020 wurde zwischen dem auch bislang im Markt befindlichen Versicherungskonsortium und dem DHV eine Vereinbarung unterzeichnet, mit dem der Gruppenversicherungsvertrag bis Sommer 2024 verlängert wird. Hierbei wurde die bisherige Deckungssumme von 10 auf 12,5 Millionen Euro angehoben. Damit erhalten freiberuflich tätige Hebammen eine längerfristige Perspektive und werden von der Gefahr einer persönlichen Haftung entlastet.
Der Hebammenverband Hamburg begrüßt die Anpassung des Hamburgischen Hebammengesetzes. Ergänzend bittet er darum, im Entwurf die Möglichkeit von kooperativen Zusammenschlüssen von freiberuflich tätigen Hebammen zu berücksichtigen. Es mangele diesbezüglich an einer ausdrücklichen Erlaubnis in den landesrechtlichen Regelungen. Die Einzelheiten zur Berufsausübung regelt die Hebammen-Berufsordnung. Nachdem die Bürgerschaft die Änderung des HmbHebG beschlossen hat und die Regelung in Kraft getreten ist, wird dem Senat die weitere Drucksache zur Änderung der Hebammen-Berufsordnung, Vergütungsordnung sowie Zuständigkeitsanordnung vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang wird der Vorschlag des Hebammenverbandes Hamburg geprüft werden.
Ziel der Hebammenreform ist es, den Hebammenberuf durch die Akademisierung zukunftsgerecht weiterzuentwickeln, attraktiver zu machen und die Qualität der Ausbildung zu verbessern. Effekte auf die Entwicklung der Gehälter zugunsten des Berufstandes bleiben abzuwarten. Gemäß § 80 Absatz 1 HebG evaluiert das Bundesministerium für Gesundheit die Wirkungen dieses Gesetzes bis zum 31. Dezember 2035 auf wissenschaftlicher Grundlage.
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