Erstmals Abschiebung aus dem Kirchenasyl in Hamburg
Letzte Beratung: 28.11.2024 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.4
Auskunftsersuchen
der BAbg. Potthast, Brodbeck, Vlamynck und Fraktion der GRÜNEN
Am 30. September 2024 wurde in Hamburg erstmals eine Person aus dem Kirchenasyl abgeschoben. Die 29-jährige Person, die sich in der Obhut einer katholischen Pfarrei in Lohbrügge befand, wurde nach Angaben der Behörde für Inneres und Sport nach Schweden überstellt. Zuvor hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Prüfung möglicher individueller Härtefälle abgelehnt.
Die betroffene Person stammt ursprünglich aus Afghanistan und lebte nach ihrer Ausreise vor neun Jahren zunächst in Schweden, wo ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Im Frühjahr 2024 kam sie nach Deutschland, jedoch wies das BAMF ihren Asylantrag aufgrund fehlender Zuständigkeit ab. Im Sommer suchte sie schließlich Schutz im Kirchenasyl.
Kirchenasyl in Deutschland ist eine Praxis, bei der Kirchengemeinden Schutzsuchenden nach einer individuellen und sorgfältigen Prüfung vorübergehend Unterschlupf gewähren. Das Kirchenasyl ist nicht gesetzlich geregelt, sondern erfolgt üblicherweise unter Duldung der staatlichen Behörden.
Die Behörde für Inneres und Sport beantwortet das Auskunftsersuchen wie folgt:
Um eine Vereinbarkeit der Institution des Kirchenasyls mit dem Rechtsstaat herzustellen, ist im Jahr 2015 eine Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einerseits und der evangelischen und katholischen Kirche anderseits geschlossen worden. Verabredet wurde, dass in Einzelfällen, in denen Kirchen eine individuelle, humanitäre Härte in einer beabsichtigten Rückführung erkennen, von der sie glauben, dass sie imbisherigen Verfahren nicht ausreichend gewürdigt wurde, Personen in ein „Kirchenasyl“ aufnehmen können. Gleichzeitig wird von der Kirche ein Härtefallersuchen an das BAMF übermittelt. Dieser zusätzliche Verfahrensweg steht ausschließlich den Kirchen offen. Das BAMF prüft dann erneut den Fall auf der Grundlage des von der Kirche eingereichten Härtefalldossiers. Während dieser Zeit wird das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nicht weiter betrieben. Wenn das BAMF eine unzumutbare Härte anerkennt oder einen Rechtsgrund sieht, der entgegen des bisherigen Verfahrensergebnisses, einen weiteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, wird eine entsprechende neue Entscheidung getroffen. Wenn allerdings die Überprüfung ergibt, dass ein Härtefall durch das BAMF nicht gesehen wird, ergeht eine abschließend ablehnende Stellungnahme zum Härtefalldossier. In diesen Fällen ist das Kirchenasyl dann zu beenden.
Die BIS respektiert selbstverständlich weiterhin die Tradition des Kirchenasyls. Nach der Ablehnung eines Härtefall-Dossiers durch das BAMF besteht jedoch weder eine rechtliche noch eine andere Grundlage für die Fortsetzung des Kirchenasyls, das gemäß den Vorgaben des BAMF sowie den Absprachen zwischen dem BAMF und den Vertretern der Kirchen beendet werden muss. Sollteeine Kirchengemeinde das Kirchenasyl trotz Ablehnung des Dossiers fortführen, missachtet sie die genannten Vorgaben und Absprachen.
Dies vorausgeschickt beantwortet die BIS die Fragen wie folgt:
Kommunikations- und Abstimmungsprozesse bestehen in erster Linie zwischen dem BAMF und den Vertretern der Kirchengemeinde. Aus aktuellem Anlass gab und gibt es mehrere Gespräche der Innenbehörde mit Vertretern der beiden großen christlichen Kirchen
Es liegt keine Entscheidung vor, die eine Missachtung des Kirchenasyls darstellt.
Die Entscheidung über das Härtefalldossier obliegt ausschließlich dem BAMF. Die Rückführung wurde durchgeführt, weil das BAMF nach Prüfung des Dossiers der Kirchengemeinde das Vorliegen eines individuellen Härtefalls verneinte.
In diesem Einzelfall liegt die Zuständigkeit für die Prüfung, auch von Rücküberstellungshindernissen, maßgeblich beim BAMF. Im Übrigen siehe Antwort zu 3.
Am 30. September 2024 gegen 1:00 Uhr wurde die Überstellungsmaßnahme in der Wohnung der Pfarrei durchgeführt. Die zeitliche Planung stand in Abhängigkeit von der Überführung mittels Fährverbindung. Die Maßnahme verlief ruhig und kooperativ.
Kirchenasyl wird in der Praxis der Kirchengemeinden in Dublin-Fällen gewährt, für die die Zuständigkeit ausschließlich beim BAMF liegt. Zusätzlich zu den allgemeinen Regularien gelten die in der Vorbemerkung beschriebenen Vereinbarungen.
Siehe Vorbemerkung.
Eine ärztliche Begutachtung hinsichtlich der Transportfähigkeit erfolgt nur, wenn dazu konkrete Hinweise vorliegen. Diese gab es im vorliegenden Fall nicht. Die Maßnahme wurde vorsorglich durch einen Arzt begleitet. Anzeichen für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes lagen nicht vor.
Die zuständige Fachbehörde hat zuvor am 23. September 2024 in einem Telefonat mit der katholischen Kirche die Sach- und Rechtslage erläutert und vergeblich versucht, auf eine einvernehmliche Beendigung des Kirchenasyls hinzuwirken. Dem anwesenden Kirchenvertreter wurde der Durchsuchungsbeschluss vor der Maßnahme ausgehändigt.
Ja.
Es erfolgt stets eine umfassende Würdigung und Bewertung des Einzelfalls durch das BAMF und die zuständige Behörde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
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