22-0084.01

Erstmals Abschiebung aus dem Kirchenasyl in Hamburg

Stellungnahme

Letzte Beratung: 28.11.2024 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.4

Sachverhalt

Auskunftsersuchen

der BAbg. Potthast, Brodbeck, Vlamynck und Fraktion der GRÜNEN

 

Am 30. September 2024 wurde in Hamburg erstmals eine Person aus dem Kirchenasyl abgeschoben. Die 29-jährige Person, die sich in der Obhut einer katholischen Pfarrei in Lohbrügge befand, wurde nach Angaben der Behörde für Inneres und Sport nach Schweden überstellt. Zuvor hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Prüfung möglicher individueller Härtefälle abgelehnt.

Die betroffene Person stammt ursprünglich aus Afghanistan und lebte nach ihrer Ausreise vor neun Jahren zunächst in Schweden, wo ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Im Frühjahr 2024 kam sie nach Deutschland, jedoch wies das BAMF ihren Asylantrag aufgrund fehlender Zuständigkeit ab. Im Sommer suchte sie schließlich Schutz im Kirchenasyl.

Kirchenasyl in Deutschland ist eine Praxis, bei der Kirchengemeinden Schutzsuchenden nach einer individuellen und sorgfältigen Prüfung vorübergehend Unterschlupf gewähren. Das Kirchenasyl ist nicht gesetzlich geregelt, sondern erfolgt üblicherweise unter Duldung der staatlichen Behörden.

 

Die Behörde r Inneres und Sport beantwortet das Auskunftsersuchen wie folgt:

 

Um eine Vereinbarkeit der Institution des Kirchenasyls mit dem Rechtsstaat herzustellen, ist im Jahr 2015 eine Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einerseits und der evangelischen und katholischen Kirche anderseits geschlossen worden. Verabredet wurde, dass in Einzelfällen, in denen Kirchen eine individuelle, humanitäre Härte in einer beabsichtigten Rückführung erkennen, von der sie glauben, dass sie imbisherigen Verfahren nicht ausreichend gewürdigt wurde, Personen in ein „Kirchenasyl“ aufnehmen können. Gleichzeitig wird von der Kirche ein Härtefallersuchen an das BAMF übermittelt. Dieser zusätzliche Verfahrensweg steht ausschließlich den Kirchen offen. Das BAMF prüft dann erneut den Fall auf der Grundlage des von der Kirche eingereichten Härtefalldossiers. Während dieser Zeit wird das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nicht weiter betrieben. Wenn das BAMF eine unzumutbare Härte anerkennt oder einen Rechtsgrund sieht, der entgegen des bisherigen Verfahrensergebnisses, einen weiteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, wird eine entsprechende neue Entscheidung getroffen. Wenn allerdings die Überprüfung ergibt, dass ein Härtefall durch das BAMF nicht gesehen wird, ergeht eine abschließend ablehnende Stellungnahme zum Härtefalldossier. In diesen Fällen ist das Kirchenasyl dann zu beenden.

 

Die BIS respektiert selbstverständlich weiterhin die Tradition des Kirchenasyls. Nach der Ablehnung eines Härtefall-Dossiers durch das BAMF besteht jedoch weder eine rechtliche noch eine andere Grundlage für die Fortsetzung des Kirchenasyls, das gemäß den Vorgaben des BAMF sowie den Absprachen zwischen dem BAMF und den Vertretern der Kirchen beendet werden muss. Sollteeine Kirchengemeinde das Kirchenasyl trotz Ablehnung des Dossiers fortführen, missachtet sie die genannten Vorgaben und Absprachen.

 

Dies vorausgeschickt beantwortet die BIS die Fragen wie folgt:

 

  1. Welche behördlichen Kommunikations- und Abstimmungsprozesse gibt es zwischen den kirchlichen Institutionen und der Behörde für Inneres und Sport im Falle von Kirchenasyl?

 

Kommunikations- und Abstimmungsprozesse bestehen in erster Linie zwischen dem BAMF und den Vertretern der Kirchengemeinde. Aus aktuellem Anlass gab und gibt es mehrere Gespräche der Innenbehörde mit Vertretern der beiden großen christlichen Kirchen

 

  1. War die zuständige Fachbehörde in die Entscheidung involviert, das Kirchenasyl zu missachten?

 

Es liegt keine Entscheidung vor, die eine Missachtung des Kirchenasyls darstellt.

 

  1. Warum wurde die Rückführung vollzogen obwohl die Prüfung individueller Härten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt wurde? War die Fachbehörde an der Entscheidungsfindung beteiligt?

 

Die Entscheidung über das Härtefalldossier obliegt ausschließlich dem BAMF. Die Rückführung wurde durchgeführt, weil das BAMF nach Prüfung des Dossiers der Kirchengemeinde das Vorliegen eines individuellen Härtefalls verneinte.

 

  1. Hat die Behörde für Inneres und Sport bei der betroffenen Person eine Einzelfallprüfung durchgeführt?

 

In diesem Einzelfall liegt die Zuständigkeit für die Prüfung, auch von Rücküberstellungshindernissen, maßgeblich beim BAMF. Im Übrigen siehe Antwort zu 3.

 

  1. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen fand die Abschiebung statt?

 

Am 30. September 2024 gegen 1:00 Uhr wurde die Überstellungsmaßnahme in der Wohnung der Pfarrei durchgeführt. Die zeitliche Planung stand in Abhängigkeit von der Überführung mittels Fährverbindung. Die Maßnahme verlief ruhig und kooperativ.

 

  1. Welche Vorschriften, Leitlinien oder Handlungsempfehlungen gelten für die Durchführung von Abschiebungen in oder auf kirchlichem Gelände?

 

Kirchenasyl wird in der Praxis der Kirchengemeinden in Dublin-Fällen gewährt, für die die Zuständigkeit ausschließlich beim BAMF liegt. Zusätzlich zu den allgemeinen Regularien gelten die in der Vorbemerkung beschriebenen Vereinbarungen.

 

  1. Wie beurteilt die Fachbehörde die Bedeutung des Kirchenasyls als humanitäres Schutzinstrument und werden Maßnahmen ergriffen um Kirchenasyle als Schutzraum zu erhalten?

 

Siehe Vorbemerkung.

 

  1. Wie wurde der gesundheitliche Zustand des Betroffenen vor der Abschiebung festgestellt? Wurde eine ärztliche Begutachtung durchgeführt?

 

  1. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um sicherzustellen, dass der gesundheitliche Zustand des Betroffenen während und nach der Abschiebung angemessen berücksichtigt wurde?

 

  1. Liegen der zuständigen Behörde Berichte über eine mögliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands nach der Abschiebung vor?

 

Eine ärztliche Begutachtung hinsichtlich der Transportfähigkeit erfolgt nur, wenn dazu konkrete Hinweise vorliegen. Diese gab es im vorliegenden Fall nicht. Die Maßnahme wurde vorsorglich durch einen Arzt begleitet. Anzeichen für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes lagen nicht vor.

 

  1. Inwiefern wurde der kirchlichen Institution in Bergedorf vor, während oder nach der Abschiebung Informationen zur Verfügung gestellt?

 

Die zuständige Fachbehörde hat zuvor am 23. September 2024 in einem Telefonat mit der katholischen Kirche die Sach- und Rechtslage erläutert und vergeblich versucht, auf eine einvernehmliche Beendigung des Kirchenasyls hinzuwirken. Dem anwesenden Kirchenvertreter wurde der Durchsuchungsbeschluss vor der Maßnahme ausgehändigt.

 

  1. Besitzt die zuständige Fachbehörde eine aktuelle Übersicht wie viele Personen sich derzeit im Kirchenasyl befinden?

 

Ja.

 

  1. Wie wird die Fachbehörde künftig mit ähnlichen Fällen verfahren, in denen Geflüchtete im Kirchenasyl Schutz suchen?

 

  1. Plant die zuständige Fachbehörde Änderungen oder Anpassungen im Umgang mit Fällen von Kirchenasyl vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse?

 

Es erfolgt stets eine umfassende Würdigung und Bewertung des Einzelfalls durch das BAMF und die zuständige Behörde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

Petitum/Beschluss

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