21-0672

Einrichtung von Ombudsstellen in der Jugendhilfe gemäß § 27 a Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch -Kinder- und Jugendhilfe- (Hmb. AG SGB VIII)

Beschlussvorlage

Letzte Beratung: 26.01.2021 Jugendhilfeausschuss Ö 6

Sachverhalt

  1. Anlass und Zielsetzung

Die Empfehlung der Enquete-Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken“ (Bürgerschafts-Drs. 21/16000), Ombudsstellen in der Jugendhilfe einzurichten, soll umgesetzt werden. Es wird vorgeschlagen, auf der Grundlage von § 27a Hmb. AG SGB VIII ehrenamtlich tätige Ombudspersonen in den Bezirken einzusetzen, die von einer hauptamtlich organisierten zentralen „Fachstelle Ombudsschaft“ umfassend unterstützt werden. Diese Fachstelle wird durch einen freien Träger betrieben und durch die Sozialbehörde finanziert.

Der Jugendhilfeausschuss (JHA) wird um Mitwirkung und Zustimmung gebeten.

  1. Ausgangslage

Die Bürgerschaft hat im September 2019 mit den Empfehlungen der Enquete Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken“ (vgl. Drs.21/16000) u.a. auch die Empfehlung zur Einrichtung von Ombudsstellen in der Jugendhilfe angenommen und den Senat ersucht, die Einrichtung und Finanzierung entsprechender Stellen zu prüfen (vgl. Drs. 21/18358 und 21/18464).

 

Mit der Drs. 21/19679 hat der Senat die Bürgerschaft über seine konzeptionellen Überlegungen zur Einrichtung von Ombudsstellen unterrichtet und es der parlamentarischen Diskussion und Entscheidung überlassen, ob eine Fachstelle Ombudsschaft bei einem freien Träger oder der Verwaltung (z.B. Sozialbehörde/ÖRA) angebunden werden soll. Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 28. Oktober 2020 entschieden, die Aufgabe an einen freien Träger zu vergeben.

 

 

 

 

  1. Umsetzungsvorschlag

Die Bezirksämter und die Sozialbehörde haben in einer AG „Ombudsschaft“ auf der Grundlage der Drs 21/19679 konkrete Verfahrensvorschläge für die Schaffung der Ombudsstellen erarbeitet. Dabei haben sie sich an den Erfahrungen der Ombudsstelle im Bezirk Hamburg-Mitte orientiert. Dort sind seit 2015 drei ehrenamtliche Ombudspersonen tätig, die derzeit von einer Mitarbeiterin des Bezirksamtes unterstützt werden (zukünftig Aufgabe der Fachstelle Ombudsschaft). Im Folgenden wird die Aufgabenwahrnehmung erläutert.

 

3.1 Wer kann sich an die Ombudsstelle wenden – warum Ombudsarbeit?

Kinder, Jugendliche und Familien, die Klienten von Diensten der Jugendhilfe sind oder ihre Einrichtungen nutzen, sollen die Möglichkeit erhalten, sich mit Anliegen und Beschwerden an eine unabhängige Ombudsstelle zu wenden. Zugrunde liegt die Erfahrung, dass junge Menschen und ihre Familien in Konfliktfällen gegenüber dem professionellen Helfersystem in der Jugendhilfe ihre Rechte mangels Kenntnis oder aus anderen Gründen nicht umfassend verwirklichen können. Dies kann nicht nur dazu führen, dass (Kinder-)Rechte nicht verwirklicht werden, sondern es kann auch eine Belastung der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zur Folge haben. Klient*innen fühlen sich den Mitarbeiter*innen unterlegen, können kein Vertrauen fassen und ein Gelingen der Hilfe wird erschwert.

 

Ombudspersonen können als neutrale unabhängige Beteiligte die Rechte der Kinder und Familien stärken und das Machtungleichgewicht ausgleichen helfen. Die Erfahrungen der Ombudspersonen in Hamburg-Mitte zeigen, dass eine Reihe von Verfahren bereits dadurch erledigt werden kann, dass eine unabhängige Person den Klient*innen z.B. das jugendamtliche Handeln erläutert. Zu einem Teil konnten Vorbehalte durch Gespräche der Ombudsperson mit den Fachkräften im Jugendamt und den Klient*innen abgebaut werden. Auch die Teilnahme an Hilfeplangesprächen oder die Beratung zu Aufgaben und Rollen Beteiligter im familiengerichtlichen Verfahren kommt in Betracht.

Zuletzt gingen durchschnittlich 8 Anliegen monatlich bei der Ombudsstelle in Hamburg-Mitte ein.

 

Die Erkenntnisse aus den Ombudsverfahren können Politik und Verwaltung helfen, Arbeitsprozesse weiter zu verbessern, z.B. die Beratung. Dazu sollen die Ergebnisse der behandelten Fälle statistisch ausgewertet werden und in ein jährliches Berichtswesen einfließen. Dieses kann dann dem JHA und der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden.

3.2 Die Aufgaben der Ombudspersonen, der Verwaltung und des Jugendhilfeausschusses (JHA)

Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Ombudspersonen,

 

-          Anliegen und Beschwerden von Kindern, Jugendlichen und Personensorgeberechtigten anzuhören,

-          behördliches Handeln zu erläutern,

-          im Kontakt mit den Fachkräften der Jugendhilfe ein einvernehmliches Ergebnis bei Konflikten zwischen der Familie, dem Jugendamt und freien Trägern zu befördern.

 

Keine Aufgabe der Ombudspersonen ist die Rechtsberatung. Hier kann z.B. auf die Angebote der Öffentlichen Rechtsauskunft zurückgegriffen werden. Auch können Ombudspersonen bei Streitigkeiten keine eigene Entscheidung treffen, denn eine solche Rolle sieht das SGB VIII – auch der Reformentwurf – nicht vor.

 

Ombudspersonen haben keine Anlaufstellen vor Ort im Bezirk. Sie bekommen die Anliegen und Kontaktdaten von Klient*innen zentral über die Fachstelle Ombudsschaft (vgl. u. 3.3). Neben telefonischen Kontakten oder anderen Medien sollen sie sich mit Klient*innen an geeigneten Orten treffen können. Das kann ein Raum im Bezirksamt sein, ebenso kommen aber auch Räume in Einrichtungen der Jugendhilfe in kommunaler oder freier Trägerschaft in Betracht. Hierfür stellen die Verwaltung bzw. Träger von Einrichtungen eine Ansprechperson zur Verfügung und benennen in Betracht kommende Objekte (sog. „verlässliche Orte“).

 

Ombudspersonen sollen unabhängig und weisungsungebunden handeln. Mitarbeiter*innen aus den Jugendämtern oder von freien Trägern der Jugendhilfe kommen wegen der Möglichkeit einer Interessenkollision grundsätzlich nicht in Betracht. Wie alle Personen, die mit Kindern und Jugendlichen zusammen arbeiten, müssen Ombudspersonen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Menschen, die über die Fähigkeit verfügen, in Konflikten angemessen auf die Beteiligten und ihre Anliegen einzugehen und auf eine Lösung hin zu orientieren („soft skills“), kommen als Ombudspersonen in Betracht. Von Vorteil ist, wenn Ombudspersonen bereits über Kenntnisse in der Jugendhilfe verfügen. Dies ist aber nicht Bedingung. Für ihr Engagement erhalten Ombudspersonen eine Aufwandsentschädigung, die von der Fachstelle Ombudsschaft ausgezahlt wird.

 

Die Auswahl von Ombudspersonen sollte gemeinsam durch das Jugendamt und den JHA erfolgen. Die Ernennung sollte dem JHA obliegen. Dies unterstreicht die Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit der Ombudspersonen.

3.3 Aufgaben der Fachstelle Ombudsschaft

Die Fachstelle Ombudsschaft führt selbst keine Ombudsverfahren durch. Sie übernimmt zentral für alle Bezirke die Entgegennahme von Anliegen, erfasst die Daten (Berichtswesen), klärt die örtliche und sachliche Zuständigkeit und leitet Klient*innen dann an eine Ombudsperson im Bezirk weiter. Neben Verwaltungsaufgaben gehört die fachliche Unterstützung und Weiterentwicklung der Ombudstätigkeit zu den Aufgaben der Fachstelle. Hierzu gehört z.B. das Organisieren von Fort- und Weiterbildungen zu relevanten rechtlichen und fachlichen Themenstellungen für Ombudspersonen sowie das Anbieten oder Vermitteln von Informations- und Qualifizierungsveranstaltungen für Ehrenamtliche, die sich für eine Ombudstätigkeit interessieren. Ebenso sind der Austausch der Ombudspersonen untereinander wie auch mit der Verwaltung Bestandteil der Aufgaben.

 

Ein weiterer Aufgabenbereich ist eine konzeptbasierte Öffentlichkeitsarbeit, mit der für die Ombudsstelle, die Ombudstätigkeit und das Eintreten für Kinderrechte geworben wird.

Die Fachstelle erarbeitet in Absprache mit der Verwaltung ein jährliches Berichtswesen und gewährleistet den Datenschutz von ihr erfasster und verarbeiteter Sozialdaten.

3.4 Weiteres Verfahren

Die Sozialbehörde wird ein Interessenbekundungsverfahren durchführen, um einen freien Träger für die Fachstelle Ombudsschaft auszuwählen.

 

Es ist davon auszugehen, dass sich die Einführung der Ombudsarbeit in allen Bezirken mit dem Aufbau der Fachstelle sukzessive vollziehen wird. Dabei steht im Mittelpunkt, dass die ehrenamtlich tätigen Menschen eine solide Unterstützung erhalten und Kinder, Jugendliche und ihre Familien ihre Anliegen verlässlich und barrierefrei vorbringen können. Daher sollten in einem Bezirk ausreichend Ombudspersonen bereit stehen und die Verwaltung der Fachstelle aufgebaut sein, bevor die Ombudstätigkeit flächendeckend aufgenommen wird. Der Aufbau soll sich in enger Abstimmung zwischen Verwaltung und dem Träger der Fachstelle vollziehen. Parallel kann mit der Auswahl und ggf. Ernennung der Ombudspersonen begonnen werden.

Solange sich die Fachstelle im Aufbau befindet (Startphase) wird vorgeschlagen, dass sich Interessierte an Mitarbeitende in den Jugendämtern und/oder an die Vorsitzenden oder die Fachsprecher*innen der JHA wenden, um sich zu informieren und ggf. ihre Bewerbung zu erklären. Der JHA und die Verwaltung entscheiden, wer sich als Ansprechperson bereitfindet.

 

Über die Eignung und Benennung von Ombudspersonen entscheidet der JHA unter Beteiligung des Jugendamtes Dabei sollen auch Kinder und Jugendliche beteiligt werden; zunächst im Rahmen vorhandener oder einfach herzustellender Beteiligungsstrukturen.

 

Sobald der Aufbau der Fachstelle abgeschlossen ist (Betriebsphase) soll die Fachstelle Ombudschaft Menschen, die sich für eine Ombudstätigkeit interessieren, beraten. Interessierte können dann vom JHA oder der Verwaltung an die Fachstelle verwiesen werden. Diese führt Info-Gespräche, unterstützt bei der Qualifizierung und schlägt geeignete Bewerber*innen dem zuständegen JHA vor. Die Entscheidung trifft der JHA dann wiederum unter Beteiligung der Jugendämter.

 

 

Petitum/Beschluss

 

Der Jugendhilfeausschuss stimmt der Schaffung einer Ombudsstelle zu und unterstützt die Umsetzung.

 

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