21-5091

Wohnanlage Luthergrund im Bestand sanieren – Keine rechtliche Aufweichung des Schutzes der Sozialen Erhaltungsverordnung Bahrenfeld-Süd! Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE (NEUFASSUNG)

Antrag öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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30.05.2024
Ö 8.2
Sachverhalt

Die in den 1960er Jahren errichtete genossenschaftliche Wohnanlage Luthergrund besteht aus überwiegend dreigeschossigen Backsteinhäusern. Mit viel Grün in der Umgebung bietet die aus 162 Wohneinheiten bestehende Wohnanlage den Mieter:innen ein angenehmes Zuhause. Auch nach vielen Jahrzehnten wohnen heute noch viele der Erstbewohner:innen in der Wohnanlage. Über die vielen Jahre ist eine enge und gemeinschaftliche Nachbarschaft in der Wohnanlage entstanden. Gerade für die inzwischen älteren langjährigen Mieter:innen ist dies von unschätzbarer Bedeutung.

 

Zum Schutz dieser positiven sozialen Verhältnisse ist 2016 vom Senat eine Soziale Erhaltungsverordnung erlassen worden. Ziel der Sozialen Erhaltungsverordnungen ist es, Verdrängungseffekten in diesen Stadtteilen entgegenzuwirken und weitere Verluste von noch verbliebenem günstigem Wohnraum einzudämmen, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in diesen Quartieren zu erhalten und nachteilige städtebauliche Auswirkungen zu vermeiden. Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen sind von Verdrängung in andere Gebiete bedroht (vgl. Internetseite der Stadt).

 

Seit 2021 plant der genossenschaftliche Eigentümer die Gebäude der Wohnanlage Luthergrund nach und nach abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. In einem ersten Schritt soll der Parkplatz der Wohnanlage mit einem neuen Wohngebäude bebaut werden. Danach sollen die ersten Wohngebäude abgerissen werden. Am Ende eines voraussichtlich über viele Jahre stattfindenden Abriss und Neubaus der gesamten Wohnanlage sollen nach aktuellen Planungen des Eigentümers 100 zusätzliche Wohnungen realisiert werden. Dazu befindet sich der Eigentümer seit längerem in Gesprächen mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und dem Bezirksamt. Zur Vorbereitung des Projekts sind vor allem in den Wohngebäuden, die zuerst für einen Abriss vorgesehen sind, zahlreiche Wohnungen nur noch befristet zwischenvermietet. Ein Abriss und Neubau würde für die Bestandsmieter:innen vermutlich die Zerstörung ihrer über Jahre gewachsenen Gemeinschaft bedeuten.

 

Im Geltungsbereich einer Sozialen Erhaltungsverordnung bestehen hohe rechtliche Hürden für den Abriss von Bestandsgebäuden.

 

Die Antworten des Bezirksamtes auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE ergaben u.a. folgendes (s. Drs. 21-5069):

 

Der genossenschaftliche Eigentümer hat dem Bezirksamt folgende Gutachten vorgelegt:

 

  • Kostenermittlung zur Modernisierung der Wohnanlage
  • Wirtschaftlicher Vergleich zwischen Modernisierung und Neubau
  • Ökobilanz, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit

 

Nach Angaben des Bezirksamtes, sollen die Gutachten die fachliche Einschätzung stützen, dass ein Abriss und Neubau der Wohnanlage gegenüber einer Sanierung im Bestand vorzuziehen sind. Bisher liegen diese Gutachten den Ausschüssen der Bezirksversammlung nicht vor. Da das Bezirksamt offenbar nicht bereit ist, die Gutachten frühzeitig im zuständigen Fachausschuss der Bezirksversammlung vorzustellen, beantragt die Fraktion DIE LINKE gemäß § 25 Abs. 1 BezVG allen Mitgliedern der Bezirksversammlung im Wege der Akteneinsicht, die Gelegenheit zu geben, die vom genossenschaftlichen Eigentümer eingereichten Gutachten einsehen zu können.

 

Das Bezirksamt teilte zudem mit, dass der genossenschaftliche Eigentümer innerhalb des nächsten halben Jahres ein Konzept für eine stabile Miethöhe und die Rückkehr der betroffenen Mieter:innen zu den selben Konditionen vorlegen will. Außerdem informierte das Bezirksamt darüber, dass der Eigentümer noch in diesem Jahr einen Bauantrag für die Bebauung des Parkplatzes der Wohnanlage und Abrissgenehmigung für die ersten Bestandsgebäude beantragen werde.

 

Die parallel in die Planungen einbezogene Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen beabsichtigt offenbar, die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Abrissgenehmigungen von Bestandsgebäuden im räumlichen Geltungsbereich von Sozialen Erhaltungsverordnungen deutlich aufzuweichen. Damit wäre der bisherige Schutz der Wohnanlage Luthergrund durch die seit 2016 geltende Soziale Erhaltungsverordnung in Frage gestellt. Damit würde dem Bezirksamt eine rechtliche Möglichkeit, die Erteilung von Abrissgenehmigungen aus Gründen des sozialen Schutzes der Bestandsmieter:innen abzulehnen, vollständig genommen. Die soziale Erhaltungsverordnung verlöre ihre Schutzfunktion für die betroffenen Menschen und hätte nur noch einen rein symbolischen Charakter.

 

Die in dieser Antragsbegründung enthaltenen Informationen beruhen auf den Antworten des Bezirksamtes auf drei Kleine Anfragen der Fraktion DIE LINKE, vgl. dazu die Drucksachen (s. Drs. 21-3531, 21-4695 und 21-5069).

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung beschließen:

 

  1. Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen wird gemäß § 27 Absatz 1 BezVG aufgefordert, die derzeit in Sozialen Erhaltungsgebieten (§§ 172 ff. des Baugesetzbuches) wie z.B. im Gebiet Bahrenfeld-Süd (siehe Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 44 vom 8. November 2016, Seiten 465 f.)  geltenden restriktiven Genehmigungskriterien für den Rückbau von Bestandsgebäuden unverändert beizubehalten. Die mit der Beauftragung einer wissenschaftlichen Studie seitens der Behörde verfolgte Absicht, nach bisheriger Rechtslage geltende restriktive Genehmigungskriterien für den Rückbau von Bestandsgebäuden aufzuweichen, ist unverzüglich und endgültig zum Schutz der ansässigen Bevölkerung vor Verdrängung aufzugeben.

 

  1. Die Bezirksamtsleiterin wird gemäß § 19 Absatz 2 Satz 2 BezVG aufgefordert, sich bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen dafür einzusetzen, dass der Regelungsinhalt von Sozialen Erhaltungsverordnungen im Bezirk Altona insbesondere hinsichtlich der geltenden restriktiven Genehmigungskriterien für den Rückbau von Bestandsgebäuden unverändert bestehen bleibt. So würde auch in der Diskussion um die Ökobilanzierung von grauer Energie ein zukunftsfähiges Zeichen gesetzt.

 

  1. Es wird gemäß § 25 Abs. 1 BezVG beantragt, den Mitgliedern der Bezirksversammlung die Einsichtnahme in alle Akten des Bezirksamtes zu gewähren, welche die vom genossenschaftlichen Eigentümer zum Bauvorhaben Wohnanlage Luthergrund eingereichten Gutachten bzgl. der Kostenermittlung zur Modernisierung, des wirtschaftlichen Vergleichs zwischen Modernisierung und Neubau sowie zur Ökobilanz, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit betreffen.

 

  1. Das Bezirksamt wird gemäß § 19 Absatz 2 Satz 2 BezVG aufgefordert, gemeinsam mit dem Eigentümer zu prüfen,

 

a)      ob eine energetische Sanierung der Wohnanlage Luthergrund im Bestand als eine besonders förderfähige Maßnahme in das Bezirkliche Klimaschutzkonzept aufzunehmen ist;

b)      ob eine energetische Sanierung durch bei der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft oder anderer Subventionsgeber einzuwerbende Mittel finanziell gefördert werden kann;

c)       ob ein Nahwärme-Konzept in Verbindung z.B. mit den Gebäuden der Privateigentümer an der Straße Lutherhöhe etabliert werden kann.

 

Vor Ausführung von Maßnahmen sind die Mieter:innen frühzeitig ergebnisoffen zu beteiligen. Es ist zu gewährleisten, dass es wegen der energetischen Sanierungsmaßnahmen zu keinen Mietsteigerungen kommt.

 

  1. Den zuständigen Fachausschüssen ist zu berichten.

 

 

Petitum/Beschluss

:

Die Bezirksversammlung wird um Zustimmung gebeten.

 

Anhänge

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