21-0689.1

Ottensen macht Platz geht nur mit intensiver Bürgerbeteiligung Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE zur Drs. 21-0689

Antrag öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
20.02.2020
Sachverhalt

Die Auswertung des Modellversuchs „Ottensen macht Platz“ kommt zu einem ambivalenten Ergebnis: Einerseits ist eine große Mehrheit entweder für eine unveränderte oder aber modifizierte Weiterführung dieses Projekts. Andererseits besteht bei einem erheblichen Anteil der Anwohner*innen in den vom Modellversuch betroffenen Straßen sowie in Straßen, die durch den Versuch mit zusätzlichem Verkehr belastet wurden, starke Kritik. Eine auf Dauer eingerichtete Autofreie Zone kann es daher im Zentrum Ottensens nur dann geben, wenn diese Kritik gehört und berücksichtigt wird. Unbedingte Voraussetzung für ein Konzept in Ottensen, das dem Rad- und Fußverkehr mehr Raum gibt, ist eine gut strukturiere, intensive und ergebnisoffene Beteiligung aller betroffenen Bürger*innen. Um das Projekt „Ottensen macht Platz“ fortzuführen und auszuweiten bedarf es im Beteiligungsverfahren einer stadtplanerischen Betrachtung ganz Ottensens. Dabei sind ökologische, soziale, wirtschaftliche und gesundheitlich Aspekte in der Planung mit den Bürgern voll umfänglich zu bedenken. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass mit einer Neuauflage von „Ottensen macht Platz“ kein zeitlich befristeter Modellversuch, sondern eine Regelung auf Dauer angestrebt wird. Die Ergebnisse dieses Beteiligungsverfahrens sind als verbindlich zu akzeptieren.

 

Nachteilig auf den Versuchsverlauf hat sich ausgewirkt, dass der Modellversuch mit einem engen Zeitplan durchgezogen wurde und die zuvor initiierte Beteiligung der betroffenen Bürger*innen unzureichend war. In dieser Schwäche war bereits die spätere Entwicklung, dass der Modellversuch durch einen verwaltungsgerichtlichen Beschluss vorzeitig beendet werden musste, angelegt.

 

Letztlich hat der Modellversuch gezeigt, dass eine Verkehrswende nicht allein durch punktuelle und räumlich sehr begrenzte Maßnahmen erreicht werden kann. Es genügt nicht, einige wenige kleine Straßen in einem Quartier zu sperren. Ein Konzept, dass im Zentrum von Ottensen mehr Platz für Rad- und Fußverkehr schaffen will, kann nur funktionieren, wenn es den gesamten Stadtteil mit einbezieht und durch gesamtstädtische Maßnahmen flankiert wird. Ottensen ist durch das Straßennetz eng mit den angrenzenden Stadtteilen und dem übrigen Stadtgebiet verbunden. Das Gelingen von Fördermaßnahmen für Rad- und Fußverkehr in Ottensen ist deshalb entscheidend davon abhängig, dass die sozial-ökologische Verkehrswende in der gesamten Stadt voranschreitet. Nur wenn parallel in ganz Hamburg die Fahrpreise schrittweise bis hin zum Nulltarif gesenkt werden und das Nahverkehrsangebot deutlich ausgeweitet wird, besteht die Chance, den motorisierten Verkehr zurückzudrängen und dem Rad- und Fußverkehr mehr Raum in städtischen Quartieren, wie z.B. in Ottensen, zu geben. Vor diesem Hintergrund ist die Verlegung des Bahnhofs Altona zum Diebsteich vollkommen unvereinbar mit dem Ziel, im Zentrum von Ottensen auf Dauer eine autofreie Zone einzuführen.

 

Es ist zudem notwendig, durch verkehrsregulierende Maßnahmen den Durchgangsverkehr aus Straßenzügen des Quartiers - wie z.B. Holländische Reihe, Bernadottestraße oder Lobuschstraße, Klausstraße, Eulenstraße, Bleickenallee – zu verdrängen und umzuleiten.

 

Während des Versuchs ist deutlich geworden, dass sich die Verkehrsverlagerungseffekte des Modellversuchs und die negativen Folgen der Sperrung des Lessingtunnels in einigen Straßen zu einer unzumutbaren Belastung für die Anwohner*innen aufsummiert haben. In den nächsten Jahren wird es in Ottensen und in den angrenzenden Stadtteilen zahlreiche Großbaustellen geben, welche mit erheblichen Eingriffen in die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes verbunden sein werden. Zu nennen sind hier beispielhaft nur die Großbaustelle Autobahndeckel, die Grundinstandsetzung der Elbchaussee und die Rekonstruktion der Sternbrücke. Im Quartier selbst kommen z.B. der geplante Neubau am Spritzenplatz und das Bauvorhaben Barnerstraße/Ecke Bahrenfelder Straße hinzu. Ein Konzept für ein autofreies und verkehrsberuhigtes Ottensen muss dies berücksichtigen.

 

Ottensen ist in den letzten Jahren, gesteuert durch profitorientierte Spekulanten, einem Prozess der zunehmenden Gentrifizierung ausgesetzt, der dringend gestoppt und auf keinen Fall weiter gefördert werden darf. Möglicherweise mit einem autofreien und verkehrsberuhigten Ottenser Zentrum verbundene negative Effekte, wie z.B. steigende Gewerbemieten und Förderung weiterer Verdrängungsprozesse, wären deshalb sehr kritisch zu bewerten. Es muss daher eine städteplanerische Untersuchung stattfinden, die Maßnahmenvorschläge unterbreitet, derartigen unerwünschten Entwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken.

 

Unter Beachtung der vorgenannten Gesichtspunkte ist es sinnvoll, das bisherige Versuchsgebiet von „Ottensen macht Platz“ räumlich zu erweitern, straßenrechtlich zu entwidmen und dauerhaft in eine Fußgängerzone umzuwandeln.

 

Vor diesem Hintergrund beschließt die Bezirksversammlung Altona Folgendes:

 

  1. Die zuständigen Fachbehörden werden gemäß § 27 BezVG aufgefordert, für den Bezirk Altona und für das gesamte Stadtgebiet ein Konzept mit dem Ziel zu entwickeln, die Fahrpreise für den öffentlichen Nahverkehr schrittweise deutlich zu senken bis hin zum Nulltarif und parallel dazu das Leistungsangebot des Buslinienverkehrs sowie des U- und S-Bahnverkehrs deutlich auszuweiten. In Ottensen ist ausgehend vom Bahnhof Altona ein Quartiersbus als Ringlinie einzurichten. Die Fachbehörde unterbreitet in Abstimmung mit dem HVV einen Vorschlag für den konkreten Linienweg dieses Quartiersbusses. Die Gebührenpflicht für Park & Ride Stellplätze ist abzuschaffen und das Angebot von Park & Ride Anlagen ist auszuweiten.

 

  1. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation wird gemäß § 27 BezVG aufgefordert, sich bei der Deutschen Bahn AG mit besonderem Nachdruck dafür einzusetzen, dass der Bahnhof Altona an seinem bisherigen Standort erhalten bleibt und nicht zum Diebsteich verlagert wird.

 

  1. Das Bezirksamt wird gemäß § 19 BezVG aufgefordert, in enger Kooperation mit den zuständigen Fachbehörden ein Verkehrskonzept für Ottensen auszuarbeiten. Es orientiert sich dabei an den Vorschlägen der Bürgerinitiative „Ottenser Gestalten“ in ihrer aktuellen Fassung. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

  1. Verkehrsregulierende Maßnahmen, die den Durchgangsverkehr aus Straßenzügen des Quartiers – wie z.B. Holländische Reihe, Bernadottestraße oder Lobuschstraße, Klausstraße, Eulenstraße, Bleickenallee – verdrängen und umleiten.

 

  1. Das Versuchsgebiet von „Ottensen macht Platz“ ist räumlich zu erweitern – z.B. auf die gesamte Länge der Ottenser Hauptstraße bis „Bei der Reitbahn“ – straßenrechtlich zu entwidmen und dauerhaft in eine Fußgängerzone umzuwandeln. Ausnahmeregelungen sind einzubeziehen. Maßnahmen zur Umgestaltung der Verkehrsflächen, wie z.B. Entfernung der Bordsteine und Angleichung auf ein Niveau, Entfernung des Kopfsteinpflasters und mehr Straßengrün, sind mit einzubeziehen. Es sind Vorkehrungen zu treffen, dass angrenzende Straßen, z.B. Mottenburger Straße oder Beetsweg, nicht durch zusätzliche Verkehre belastet werden. Gemeinsam mit den im verkehrsberuhigten Gebiet wohnenden Bürger*innen sind Lösungen für die veränderte Situation – z.B. Parkplätze – zu entwickeln.

 

  1. Das Bezirksamt wird gemäß § 19 BezVG aufgefordert, das zu entwickelnde Verkehrskonzept für Ottensen (3.) in enger Abstimmung mit den zuständigen Fachbehörden mit den im Bezirk Altona geplanten Großbaustellen und Bauvorhaben planerisch zu synchronisieren.

 

  1. Das Bezirksamt wird gemäß § 19 BezVG aufgefordert, eine städteplanerische Untersuchung bzgl. mit dem Verkehrskonzept (3.) etwaig verbundener negativer Effekte, wie z.B. steigende Gewerbemieten oder sozialer Verdrängungsprozesse aufgrund von Gentrifizierung, durchzuführen und Maßnahmenvorschläge zu ihrer Vermeidung zu unterbreiten.

 

  1. Unbedingte Voraussetzung für die Realisierung des Verkehrskonzepts (3.) ist eine gut strukturiere, intensive und ergebnisoffene Beteiligung aller betroffenen Bürger*innen im Stadtteil. Kinder und Jugendliche sind zu beteiligen. Außerdem sind Unternehmen, Handwerksbetriebe und Freiberufler mit einzubeziehen. Das Beteiligungsverfahren darf nicht auf bestimmte Straßen beschränkt sein. Für die wissenschaftliche Begleitung ist möglichst ein Kooperationspartner mit stadtplanerischem Schwerpunkt, wie z.B. die HafenCity Universität, zu gewinnen. Das Ziel, möglichst alle Konflikte in diesem Beteiligungsverfahren aufzuarbeiten, hat Vorrang gegenüber dem Wunsch, möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Das Ergebnis dieses Beteiligungsverfahrens ist als verbindlich zu akzeptieren.

 

 

Anhänge

ohne