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Online-Beteiligungsverfahren für Altonas Bürgerinnen und Bürger verstärken und weiterentwickeln Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNE (NEUFASSUNG)

Antrag öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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25.04.2019
Sachverhalt

Altona ist ein Bezirk, der sich in den vergangenen und kommenden Jahren in einem starken Wandel befindet. Eine Vielzahl von Projekten wurde begonnen oder steht an. Beispielsweise die Science City Bahrenfeld, die Magistralenentwicklung, die Umsetzung der Fahrradstrategie oder der Bau der Mitte Altona II und, damit einhergehend, die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona zum Diebsteich.

 

Die aktuellen Diskussionen über die modellhafte Verkehrsberuhigung des Ottenser Zentrums, aber auch die zum Teil hitzig geführten Debatten über die Gestaltung des Blankeneser Marktplatzes, die Zukunft des Wildgeheges Klövensteen oder die Schaffung bzw. Nichtschaffung eines Radweges am Övelgönner Elbstrand – um nur einige Beispiele zu nennen – zeigen, dass auf bezirkspolitischer Ebene immer wieder Themen bewegt werden, die mindestens auf Stadtteilebene für viele Bürgerinnen und Bürger von großer Bedeutung sind und die gleichzeitig ein erhebliches Konfliktpotential in sich tragen.

 

Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, bei strittigen Themen stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen zu werden und möglichst unkompliziert und barrierefrei über Online-Beteiligungsverfahren Ideen und Vorschläge für die Gestaltung ihrer Nachbarschaft einbringen zu können, wächst kontinuierlich. Die Bezirksversammlung Altona ist bei ihrer Entscheidungsfindung zu solchen Themen auch darauf angewiesen, Entscheidungen auf der Grundlage von gefühlten Wahrnehmungen und Meinungsbildern vorzubereiten bzw. zu treffen.

 

Die Bereitstellung von Informationen zu solchen Vorhaben über das Internet ist bereits seit Längerem gängige Praxis – reicht vielen Menschen aber nicht aus. Dementsprechend sind in den letzten Jahren Methoden und Applikationen entwickelt worden, die auch die internetgestützte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen.

 

Zahlreiche Behörden der Freien- und Hansestadt Hamburg nutzen bereits die Möglichkeit von Online-Beteiligungsverfahren. Der, der Behörde für Inneres und Sport (BIS) zugehörige, Landesbetrieb Verkehr (LBV) setzt beispielsweise im Vorfeld der Einführung oder Nicht-Einführung von Bewohnerparkgebieten ein Beteiligungstool ein, um die Stimmung vor Ort auszuloten. Dabei erhalten alle Haushalte in einem Gebiet per Post ein individuelles Passwort, welches einmalig zur Teilnahme an einem Onlineverfahren berechtigt. In Altona und St. Pauli wurde dieses Tool im Jahr 2018 durch den LBV erfolgreich für die neuen Bewohnerparkgebiete eingesetzt.

 

Auch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) setzt zur Begleitung von Planungsprozessen auf Online-Beteiligungstools. Ebenso hat sich das Bezirksamt Altona bei einigen Projekten gemeinsam mit verschiedenen Fachbehörden schon auf den Weg gemacht, diese Instrumente zu nutzen. Beispiele hierfür sind u. a. die Baumaßnahme Elbchaussee, die Verlängerung des Holstenkamps, die Bebauung des Bahndamms Sternschanze oder Stadtklima Altona.

 

Das von der BSW im Rahmen der „Stadtwerkstatt“ entwickelte Online-Beteiligungs-Tool bietet vielfältige Möglichkeiten. Neben der kartenbasierten Beitragseingabe ist es beispielsweise auch geeignet, gezielte Befragungen durchzuführen. Hierbei kann auch das Alter (Dekade), Geschlecht, und Postleitzahl abgefragt werden, so dass man einen Eindruck davon bekommt, wer teilgenommen hat. Dies wurde erfolgreich mit über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei dem angedachten Bauvorhaben S-Bahnhof Sternschanze erprobt.

 

Beteiligungsformate stehen immer wieder im Spannungsfeld der Frage, ob und inwieweit die Meinung der hörbaren Stimmen wirklich der Meinung einer Mehrheit entspricht. Hier kann die verstärkte Nutzung von Online-Beteiligungsverfahren, die ggf. auf Beschluss der Bezirksversammlung Altona, zu strittigen Themen eingesetzt werden können, Abhilfe schaffen. Dies kann dazu beitragen, Barrieren wie Zeitknappheit, Mobilitätseinschränkungen oder Handicaps bei der Sprach- und Ausdrucksfähigkeit zu überwinden, die Menschen von der Artikulation ihrer Belange abhalten können. Bürgerbeteiligung über das Internet eröffnet so die Chance, mehr Menschen zu erreichen und vielfältigere Positionen bei der Planung einzubeziehen.

 

Um Frustrationen zu vermeiden, muss bei der Einführung eines solchen Verfahrens klar festgelegt werden, was das Verfahren leisten kann, was für Fragestellungen hiermit abgebildet werden können und inwieweit das Ergebnis der Online-Befragung die Entscheidung der Bezirksversammlung beeinflusst. Es kann unter Umständen sinnvoll sein, Konflikte über einfache Ja/ Nein-Fragestellungen („Sind sie dafür, dass…“) abzufragen. In der Regel sollte aber differenzierter vorgegangen werden. Fragestellungen sollten dabei allgemeinverständlich formuliert und überschaubar, mit möglichst nicht mehr als 10 Fragen, abgehandelt werden. Weiterhin macht es Sinn, die soziodemografischen Kerndaten (Alter, Geschlecht, Wohnort) nach Möglichkeit mit abzufragen.

 

Grundsätzlich sollten zunächst alle informellen Beteiligungsverfahren als „beratende“ Veranstaltungen gewertet werden, d.h. in den Beteiligungsverfahren werden keine Entscheidungen getroffen, es werden Empfehlungen erarbeitet. Entscheiden tun die dafür demokratisch legitimierten Gremien. Diesen Gremien können entscheiden, dass sie sich an Voten aus Beteiligungsverfahren halten wollen, bevor diese getroffen wurden (Selbstbindung). Grundsätzlich gilt, je breiter und intensiver die informelle Beteiligung durchgeführt wurde, desto stärker sollten sich die entscheidungsbefugten Gremien an den dort erarbeiteten Empfehlungen orientieren.

 

In der nächsten Legislaturperiode der Bezirksversammlung Altona gilt es, diese Verfahren gemeinsam mit den Fachbehörden auszudehnen und weiterzuentwickeln. Eine denkbare Richtung wäre zu prüfen, ob neben der Vergabe von Passworten eine digitale Authentifizierung möglich ist, um Mehrfachabstimmungen zu vermeiden oder ob Beteiligungsformate im Sinne eines „Bürgerbudgets“ vorstellbar sind. Beispielsweise geht die Stadt Madrid mit dem Tool „Consul“ hier völlig neue Wege, in der die Bürgerinnen und Bürger Bürgerbudgets festlegen (vgl.: http://consulproject.org/en/index.html).

 

Hinzuweisen ist auch auf das im September 2017 von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, der HafenCity Universität und dem Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung gestartete DIPAS-Projekt (Digitales Partizipationssystem). Hier wird aktuell daran gearbeitet, das Online-Beteiligungstool mit einer Version für digitale Planungstische (Touch-Tables) für die On-Event-Beteiligung zu einem medienbruchfreien digitalen Partizipationssystem weiterzuentwickeln. Ziel ist es, das System den Bezirksämtern, Fachbehörden und öffentlichen Unternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg ab 2020 zur Nutzung zur Verfügung stellen zu können.

 

Der Bezirk Altona kann (und sollte) in den nächsten fünf Jahren Vorreiter für alle digitalen Beteiligungsprozesse sein und schrittweise, ggf. in einem Pilotprojekt, erwägen, wie über die bereits von Behörden praktizierten Ansätze hinaus und in welchen Formaten mit welchen Beteiligungsschritten die digitale Beteiligung vorangebracht werden kann.

 

Dies sollte aber sorgfältig vorbereitet werden und obliegt der dann neu gewählten Bezirksversammlung.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung Altona beschließen:

 

Das Bezirksamt wird nach § 19 BezVG gebeten,

 

  1. die Vorstellung von DIPAS inklusive der Nutzung des digitalen Planungstisches im 4. Quartal 2019 im Planungs- und Verkehrsausschuss vorzubereiten und ggf. in einer Sondersitzung zu terminieren.

 

  1. gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen zu prüfen, welche technischen Möglichkeiten zur Einführung einer digitalen Authentifizierung bei Online-Abstimmungsverfahren aktuell zur Verfügung stehen und in welchem rechtlichen Rahmen (Zulässigkeit nach BezVG, Hamburgisches Abstimmungsgesetz, Meldedatengesetz, DSGVO usw.) sich ein solches System bewegt. Das Prüfungsergebnis ist Anfang 2020 dem Planungsausschuss vorzustellen.

 

  1. zu prüfen, wie das bereits vom Landesbetrieb Verkehr und dem Statistikamt Nord entwickelte und praktizierte Tool bei der Einführung von Bewohnerparkgebieten auf bezirkliche Fragestellungen übertragen werden kann.

 

  1. der neugewählten Bezirksversammlung im 4. Quartal vorzustellen, in welchen Projekten und welchen anstehenden Bauvorhaben sich wann welche Online-Beteiligungstools in welcher Größenordnung und Tiefe eignen und welche Kosten hierfür entstehen, die ggf. durch die Bezirksversammlung beschlossen werden müssen.

 

 

Anhänge

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