Altonaer Deklaration Teil II Neuanfang nach der Krise Antrag der Fraktion DIE LINKE
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass grundlegende Änderungen des allein auf Rendite und Wachstum basierenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems notwendig sind.
Flächendeckende Gesundheitsversorgung, umweltschonende und soziale Produktionsweise sowie konsequente Friedenspolitik und Existenzsicherung Geflüchteter, Obdachloser sowie prekär Beschäftigter müssen nach der Corona-Krise mehr denn je in den Fokus der Politik genommen werden und dürfen dann nicht auf dem Altar der Wachstumsideologie geopfert werden.
Vor diesem Hintergrund beschließt der Hauptausschuss stellvertretend für die Bezirksversammlung, dass das Amt nach § 19 BezVG aufgefordert wird, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die die Altonaer Deklaration um die folgenden Punkte, die sich aufgrund der Corona – Krise ergeben haben, zu erweitern. Dabei müssen insbesondere diese Punkte oberste Priorität bekommen:
Gesundheit darf keine profitorientierte Ware sein. Die Corona-Krise konnte erst zur Krise werden, da befürchtet wurde, dass nicht genügend Kapazitäten in dem größtenteils mittlerweile privatwirtschaftlich organisierten Gesundheits- und Pflegewesen zur Verfügung stehen. Fehlendes, unterbezahltes Pflegepersonal, fehlende Beatmungsgeräte und Betten zeigen in der Krise auf, dass es hier zu einem sofortigen Umdenken kommen muss. Klatschen allein hilft nicht.
Wie man an den blitzschnell eintretenden Versorgungsengpässen in vielen Bereichen der Wirtschaft erkennt, scheitert die Globalisierung an sich selbst. Die Produktion existenzsichernder Lebensmittel und Medikamente sowie Pflegehilfsmittel muss vor Ort stattfinden und entsprechend organisiert werden. Einziges Motiv einer möglichst billigen Produktion darf nicht mehr entscheidendes Kriterium der Standortbestimmung sein. Nebeneffekt der Regionalisierung wäre, dass der interkontinentale Handel insbesondere durch Containerschiffe eingedämmt werden würde und damit ein entscheidender Faktor der Umweltverschmutzung entfiele.
Erste Ansätze für wirkliche Klimaschutzmaßnahmen statt Konferenzen mit vagen Absichtserklärungen dürfen nicht dem Diktat der Wirtschaftsförderung nach der Krise geopfert werden. Die Einschränkung des weltweiten Massentourismus muss durch Aufhebung der subventionierten Billig-Flug-Industrie umgelenkt werden auf klimafreundlichen, regionalen und schienengebundenen Reiseverkehr. Der Hamburger Hafen darf nach norwegischem Vorbild nur Anlegeerlaubnisse für Schiffe erteilen, die landstromfähig sind und diesen zwingend auch nutzen müssen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss endlich wieder und zwar sofort erheblich gefördert werden.
Schienengebundene Angebote müssen endlich bezahlbar, pünktlich und attraktiv sein. Dazu gehört auch, dass der Altonaer Bahnhof an seinem jetzigen Standort bleibt, um die zukünftigen Herausforderungen (Deutschlandtakt) auch wirklich und schnell meistern zu können. Die „Alternative“ am Diebsteich wird dies nicht schaffen. Schneller Ausbau des schienengebundenen ÖPNV (insbesondere Straßenbahn) muss erfolgen. Autos raus aus der Stadt! Perspektivisch kostenloser ÖPNV gehört ebenso wie der konsequente Ausbau der Fahrradspuren und –Stellplätze zu einer sozial – ökologischen Verkehrswende. Die Corona – Krise hat gezeigt, dass eine mindestens 50 %ige Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs möglich ist. Ohne Autos ist genug Platz für ÖPNV.
Die Corona – Krise hat die Digitalisierung des Arbeitslebens massiv fortentwickelt und insbesondere zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs geführt. Dies darf aber nicht zu Lasten des Arbeitnehmerschutzes gehen.
Dort, wo kein Homeoffice möglich war, wie bei den Pflegekräften, wurden zur Krisenbewältigung die Arbeitnehmerschutzrechte aufgeweicht. Dies muss nach der Krise zurückgedreht werden. Gerade im Bereich des Gesundheits- und Pflegewesens müssen nachhaltige Maßnahmen für einen Zuwachs an Pflegekräften sorgen. Bessere Bezahlung, und ein Personal-Patient*innen-Schlüssel orientiert an den skandinavischen Ländern muss dabei ein erster Schritt sein. Das gilt nicht nur für das Gesundheitswesen, sondern für alle Arbeitnehmer*innen insbesondere in Handwerk, Land- und Bauwirtschaft.
Das, was durch Privatinitiative für Obdachlose in der Krise ermöglicht (Reemtsa) wird, gehört in öffentliche Hand. Jeder Mensch hat Anspruch auf ein Leben in Würde. Niedrigschwellig, unbürokratisch und schnell müssen Hilfen für Menschen in Notlagen ermöglicht werden. Dies muss unabhängig von privaten Firmen und deren Stiftungen, mit entsprechender Betreuung, krisensicher und selbstverständlich das ganze Jahr über erfolgen.
Auch 2019 sind die deutschen Rüstungsexporte weiter gestiegen an Staaten, die an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt sind (wie die Türkei und Saudi – Arabien). Diese wurden vielfach und zu großen Teilen über den Hamburger Hafen verschifft, sofern sie nicht sogar in Hamburg produziert wurden, was ein erheblicher Beitrag zur Auslösung der Flüchtlingsströme war, die dann wiederum durch die militärische Abschottung der EU an den Außengrenzen in seuchenungeschützten Flüchtlingscamps mündeten, wie zum Beispiel in Griechenland. Die Aufnahme von 50 Kindern von Geflüchteten ist ein symbolischer Akt, der an der Gesamtsituation nichts ändert. Deswegen sind Rüstungsexporte zu unterbinden und Kriegsgüterproduktion zu Gunsten von alternativer Fertigung (zum Beispiel Windkraft) umzustellen. Der Verteidigungshaushalt von Deutschland, der 2020 bei ca. 45 Milliarden Euro lag, ist aufzulösen und zugunsten der öffentlichen Daseinsvorsorge einzusetzen.
Die Auslegung der Allgemeinverfügungen und Verordnungen durch die Bezirksämter sowie die Krisensituation führte dazu, dass demokratisch gewählte Gremien massiv in ihrer Arbeit beeinträchtigt wurden. In zukünftigen Krisen muss auch weiterhin die Demokratie vorderstes Primat und Kontrolle jeglicher Entscheidungen der Exekutive bleiben. Dazu gehört auch, dass die Einbeziehung der Öffentlichkeit auch während einer Krise gewährleistet sein muss.
ohne