Abweichungen von der StVO und VWV-StVO II. Vision ZERO Hamburg Auskunftsersuchen von Gesche Boehlich, Stephanie Faust-Weik-Roßnagel, Benjamin Harders, Rolf Stünitz und Dana Vornhagen (alle Fraktion GRÜNE)
Mit den Drucksachen 21-1907, 21-2139 sowie 21-2519 wurde die Behörde für Inneres und Sport aufgefordert mitzuteilen, in welchen Fällen in Hamburg Abweichungen von der StVO und VWV-StVO beschlossen wurden. Zusätzlich wurde um Darstellung der Auswirkungen auf den Bezirk Altona gebeten. Mit der Drucksache 21-2519 bestätigt die Behörde für Inneres und Sport das weitgehende Auskunftsrecht der Bezirksversammlungen im Grundsatz. Sie verwehrt allerdings die konkrete Auskunft unter der falschen Annahme, den um Auskunft ersuchenden Mitgliedern der Bezirksversammlung ginge es um Ausnahmen für bestimmte Antragsteller:innen oder gar statistische Erfassungen. Ausnahmen von der StVO oder VWV-StVO fallen nicht in die Zuständigkeit des Bezirksamts.
Die zuständige oberste Straßenverkehrsbehörde Behörde für Inneres und Sport, Amt A3, kann gemäß § 46 Absatz 2 StVO für bestimmte Stellen von allen Vorschriften der StVO Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller:innen genehmigen. Zudem kann die Behörde für Inneres und Sport, Amt A3, gemäß Randnummer 147 VWV-StVO zu § 46 Absatz 2 StVO Abweichungen „von allen Bestimmungen dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift“ zulassen (Vgl. Drucksache 21-1726). Damit hat Hamburg die Möglichkeit mit Hilfe eigener Richtlinien wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit umzusetzen, die gemäß Straßenverkehrs-Ordnung und VWV-StVO ansonsten noch nicht umsetzbar wären.
Im Juni 2021 hat der Bundesrat folgende Ergänzung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VWV-StVO) „zu § 1 Grundregeln“ beschlossen: „Oberstes Ziel ist dabei die Verkehrssicherheit. Hierbei ist die „Vision Zero“ (keine Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden) Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen.“
Vor diesem Hintergrund ersuchen wir die Behörde für Inneres und Sport um Auskunft:
Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) beantwortet die Fragen wie folgt:
Vorbemerkung
Im Auskunftsersuchen wird zutreffend dargestellt, dass die Behörde für Inneres und Sport (Amt A3) als oberste Landesbehörde gemäß Randnummer 147 VwV-StVO zu § 46 Absatz 2 StVO Abweichungen von allen Bestimmungen der VwV-StVO zulassen kann. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die oberste Landesbehörde hiermit über einen unbegrenzten Gestaltungsspielraum verfügt, der insoweit die Grenzen der Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), sowie der dazu erlassenen Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) überdehnt, wenn nicht sogar überschreitet.
Der Bundesgesetzgeber ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG befugt, im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung Bestimmungen für den Straßenverkehr zu treffen. Regelungsgegenstand des Straßenverkehrsrechts ist die Ausübung der vom zugelassenen Gemeingebrauch umfassten verkehrsbezogenen Verhaltensweisen der jeweiligen Verkehrsart durch den einzelnen Verkehrsteilnehmer in der konkreten Verkehrssituation sowie die Einschränkung oder Untersagung dieser Ausübung mit Rücksicht auf die sich aus ihr ergebenden Nachteile oder Gefahren für Sicherheit oder Ordnung für die Verkehrsteilnehmer oder für Außenstehende. Das Straßenverkehrsrecht regelt mithin zunächst verkehrsimmanente Gefahren und Gefahren durch den Verkehr für Dritte. Die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienenden Vorschriften stehen nicht nur in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verkehr; ihr Zweck besteht gerade darin, den ordnungsgemäßen Ablauf des Straßenverkehrs sicherzustellen.
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind landesrechtliche Regelungen ausgeschlossen, wenn die bundesrechtlichen Vorschriften erschöpfend sind und die Rechtsmaterie damit abschließend geregelt ist (Art. 72 Abs. 1 GG); die Befugnis zur Abweichungsgesetzgebung umfasst das Straßenverkehrsrecht nicht (Art. 72 Abs. 3 GG). Eine in diesem Sinn abschließende Regelung liegt auch dann vor, wenn ergänzende Vorschriften, die der Sache nach an sich möglich wären, ausgeschlossen sein sollen. Der Bund hat von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Straßenverkehrsrecht weitgehend abschließend Gebrauch gemacht.
Insofern nutzt die oberste Landesbehörde ihre Möglichkeiten im Sinne der Anfrage ausschließlich innerhalb der durch § 45 StVO, insbesondere zur Sicherung und Ordnung des Verkehrs, gesetzten Grenzen.
Die Behörde für Inneres und Sport hat mit den Hamburger Richtlinien für die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) eine Ergänzung und Konkretisierung zur VwV- StVO eingeführt. Mit den HRVV werden Regelungen zur Konkretisierung und Sicherstellung einer einheitlichen Ermessensausübung durch die Straßenverkehrsbehörden bei straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen zur Verkehrsberuhigung getroffen.
Die HRVV werden den Straßenverkehrsbehörden und Bezirken zugeleitet und im Transparenzportal veröffentlicht.
Dies vorausgeschickt beantwortet die Behörde für Inneres und Sport die Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2:
Die Abweichungen von der StVO und der VwV-StVO werden nicht zentral erfasst. Zur Beantwortung müssten sämtliche Straßenakten der im Bezirk Altona zuständigen Straßenverkehrsbehörden händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung eines bezirklichen Auskunftsersuchens zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten.
Zu 3:
Siehe Vorbemerkung.
Zu 4:
Siehe Drs. 21-2519.
Zu 5:
Die Vision Zero spiegelt die Verkehrssicherheitsarbeit der Behörde für Inneres und Sport wieder. Alle diesbezüglichen Maßnahmen bewegen sich in diesem Rahmen.
Zu 6:
Zielsetzung sämtlicher Anordnungen sind die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.
Im Übrigen siehe Antwort zu 5, sowie Vorbemerkung.
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Die Bezirksversammlung wird um Kenntnisnahme gebeten.
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