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Wo finden Wandsbeker:innen den "Schlüssel-zur-Welt"? Aktiv für einen besseren Zugang zur Grundbildung für alle auf Bezirksebene! Debattenantrag der Fraktion Die Linke

Antrag

Letzte Beratung: 08.09.2022 Bezirksversammlung Wandsbek Ö 4.6

Sachverhalt

 

Die Hamburger Universität ermittelte in der LEO-Studie 2018, dass fast doppelt so viele Erwachsene wie erwartet nicht ausreichend lesen und schreiben können (s. https://leo.blogs.uni-hamburg.de). Unter den erwerbsfähigen Personen in Deutschland zwischen 18 bis 64 Jahren betrifft das mehr als sechs Millionen Menschen, über die Hälfte davon sind deutsche Muttersprachler:innen. Diese Quote – 12,1 Prozent – sinkt seit Jahren nur sehr langsam. Umgerechnet auf Hamburg sind somit durchschnittlich mehr als 150.000 Menschen, davon etwa 32.500 aus Wandsbek, von einer sogenannten nicht ausreichenden Literarisierung betroffen. Diese Menschen erreichen nur die ersten drei von vier alpha-Leveln, d.h. sie verfügen lediglich über Lese- und Schreibkompetenzen auf Buchstaben-, Wort- und Satz-Ebene, scheitern jedoch am Lesen und/oder Schreiben (kurzer) zusammenhängender Texte (vgl. Grotlüschen et al. 2018: 15). Sie alle gelten als gering Literalisierte, der frühere Begriff funktionaler Analphabetismus wurde als stigmatisierend verworfen.

 

Weitere 10,6 Millionen der erwerbsfähigen Personen in Deutschland (20,5 %) erreichen lediglich das alpha-Level 4, d.h. sie können nur auf Grundschulniveau schreiben, selbst bei gebräuchlichen und einfachen Wörtern ist ihre Rechtschreibung auffällig fehlerhaft.  Umgerechnet auf Hamburg sind entsprechend etwa 255.000 Menschen lediglich auf Level 4 literarisiert, für Wandsbek demnach schätzungsweise 55.500 Menschen zwischen 18 und 64 Jahren.

Dabei verfügen viele über formale Schulabschlüsse oder studieren bisweilen. Immer häufiger „outen“ sich Prominente, manche unter ihnen sind auch als hauptamtliche Politiker erfolgreich – als prominentes Beispiel auf Bundesebene sei hier Bodo Ramelow genannt, amtierender Ministerpräsident von Thüringen, der vor einigen Jahren seine Lese-Rechtschreibschwäche öffentlich machte.

 

Eine geringe Literarisierung bedeutet nicht nur großes persönliches Leid für die Betroffenen und ihre Familien, sondern auch einen gewaltigen ökonomischen Aufwand als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

 

Aufgrund der dramatischen Zahlen hat sich in den letzten Jahre ein reges Netzwerk entwickelt, das die Betroffenen zu erreichen versucht. So hat beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Domainnamen www.mein-schluessel-zur-welt.de eine informative Seite zum Thema Grundbildung eingerichtet.

 

Dennoch scheint der Erfolg von Kampagnen und Angeboten noch nicht da zu sein: Weniger als 1 Prozent sitzen tatsächlich in den kostenlosen Kursen, die bspw. von der vhs angeboten werden. Viele Betroffene wissen nicht, wo und wie sie Angebote wahr nehmen  und dafür auch vom Arbeitgeber unterstützt werden können, bspw. durch Freistellung. Für mehr Informationen über passgenaue Angebote, die die Zielgruppe erreichen, sollte auch die Verwaltung einen nachhaltigen Beitrag leisten, um auch auf bezirklicher Ebene aktiv für eine bessere Grundbildung für alle Wandsbeker:innen zu werden.

 

Die Bezirksversammlung möge beschließen,

 

 

Literatur: Grotlüschen, Anke/Buddeberg,  Klaus/Dutz, Gregor/Heilmann, Lisanne/Stammer, Christopher (2020): Hauptergebnisse und Einordnung zur LEO-Studie 2018 – Leben mit geringer Literalität. In: Buddeberg, Klaus/Grotlüschen, Anke (Hg.): LEO 2018. Leben mit geringer Literalität. Bielefeld: wbv, S. 13-64.

 

 

Petitum/Beschluss

          die Plakate und das Infomaterial der Kampagne „Mein Schlüssel zur Welt“ in allen Kundenzentren in Wandsbek gut sichtbar für den Publikumsverkehr aufzuhängen und auszulegen.

 

          zu prüfen, ob es möglich ist die Info-Ausstellung der Kampagne „Mein Schlüssel zur Welt“ im Bezirksamt oder in einem anderen Wandsbeker Kundenzentrum zu zeigen (auch in digitaler Form möglich).

 

          Eine:n Expert:in zum Thema geringe Literalisierung, bspw. von einem Betroffenen-Netzwerk wie dem alpha-Telefon oder der entsprechenden Bundesvereinigung, in den Sozialausschuss einzuladen, um weitere Ansatzpunkte zu Bekämpfung der Problematik auf bezirklicher Ebene auszuloten. Die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung, Frau Dr. Pöppel, hat dafür ihre Bereitschaft signalisiert.

 

 

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