21-5846.1

Ukrainische Geflüchtete im Bezirk Wandsbek - Integration und Chancen Auskunftsersuchen vom 19.09.2022

Antwort zu Anfragen

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28.11.2022
17.11.2022
Sachverhalt

 

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat dazu geführt, dass zahlreiche Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Im Bezirk Wandsbek haben viele Geflüchtete ein neues Zuhause gefunden.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

 

Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) antwortet wie folgt:                                                                                                                                                   07.11.2022

 

Die Sozialbehörde hat unter anderem bereits mit den Drs. 22/7766, 22/8178 und 22/8308 zum Thema Schutzsuchende aus der Ukraine, einschließlich der Versorgungsaspekte (u.a. Integration in Arbeit und Gesundheitsversorgung) berichtet.

 

Dies vorausgeschickt, nimmt die Sozialbehörde, teilweise auf Grundlage von Auskünften der Behörde für Inneres und Sport (BIS), F&W Fördern & Wohnen AöR (F&W), der Agentur für Arbeit sowie des Jobcenter team.arbeit.hamburg zu dem o. g. Beschluss wie folgt Stellung:

 

  1. Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine leben aktuell im Bezirk Wandsbek?
    1. Bitte aufschlüsseln wie viele Menschen in den jeweiligen Einrichtungen leben und ob noch Kapazität für weitere Aufnahmen in den Einrichtungen gegeben ist.

 

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 haben sich 5.102 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit zuziehend aus der Ukraine im Bezirk Wandsbek angemeldet (Stand 7. Oktober). Hierbei sind auch Personen enthalten, die zusätzlich zur ukrainischen Staatsangehörigkeit noch weitere Staatsangehörigkeiten besitzen. Der Status „Geflüchtet“ wird im Hamburger Melderegister nicht gespeichert.

 

In nachfolgender Übersicht sind alle Einrichtungen im Bezirk Wandsbek aufgeführt, die Schutzsuchende aus der Ukraine mit Unterbringungsbedarf beherbergen.

 

Standort/ Unterkunft

Kategorie

Platzkapazität (Soll-Zahlen)

Belegung

AYA GmbH Hostel

Interimsstandort, Hotel

45*

72

Boardinghouse Mundsburg

Interimsstandort, Hotel

48

34

Gossler Suite Boutique

Interimsstandort, Hotel

12

28

Hansezimmer GmbH, Bohlens Allee

Interimsstandort, Hotel

15

13

Hansezimmer GmbH, Poppenbütteler Bogen

Interimsstandort, Hotel

22

22

Heikotel - Hotel Windsor

Interimsstandort, Hotel

45

43

Hostel Wandsbek

Interimsstandort, Hotel

20

21

Hotel Grand Apricot

Interimsstandort, Hotel

60

65

Hotel Meiendorfer Park

Interimsstandort, Hotel

18

16

La Petit Perle

Interimsstandort, Hotel

45

45

Marie-Bautz-Weg

Interimsstandort

360

302

My-Bed.eu, Volksdorfer Weg

Interimsstandort, Hotel

43

41

Richard-Remé-Haus

Interimsstandort

80

80

Quelle: F&W, Stichtag 14. Oktober 2022

*Platzreduzierung von 90 auf 45 Plätze aufgrund von Brandschutzauflagen

 

Darüber hinaus waren im Ankunftszentrum mit Stand zum 30. September 2022 610 Schutzsuchende aus der Ukraine untergebracht. 

 

Die in der Tabelle angegebenen Sollzahlen entsprechen grundsätzlich der maximalen Belegung.

 

Eine vollständige Auslastung ist aus verschiedenen Gründen meist nicht möglich (ungerade Familienkonstellationen, sodass ein Platz in einer Wohneinheit frei bleibt, aus gesundheitlichen Gründen erforderliche Einzelzimmerbelegungen, Baumaßnahmen wie Instandsetzungen und Sanierungen, fluktuationsbedingte Herrichtungsmaßnahmen).

 

In Einzelfällen kann die Ist-Belegung die Soll-Kapazität auch geringfügig übersteigen, da z.B. Kinder zusätzlich in die Zimmer mit aufgenommen werden können, oder Anbieterinnen und Anbieter von Unterkünften, vor allem Hotels, zusätzliche Zimmer anbieten und diese belegt werden, die Soll-Kapazität aber im Vertrag noch nicht angepasst worden und insofern auch in den Belegungsstatistiken noch nicht berücksichtigt ist.

 

 

  1. Nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes ist es ukrainischen Geflüchteten erlaubt in Deutschland zu arbeiten. Wie viele Geflüchtete haben bereits Arbeit gefunden?

 

Statistisch auswertbar sind Abgänge aus Arbeitslosigkeit von Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Von Februar bis August 2022 sind im Geschäftsstellenbezirk Wandsbek von Jobcenter team.arbeit.hamburg (nahezu deckungsgleich mit dem Bezirk Wandsbek) 51 Abgänge aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung in den ersten Arbeitsmarkt erfolgt, 8 Abgänge in Selbstständigkeit und 8 in Ausbildung.

 

Eine der wichtigsten Voraussetzung für die erfolgreiche Integration in Arbeit sind Kenntnisse der deutschen Sprache. Die meisten Abgänge (331 über den Zeitraum Februar bis August 2022) aus Arbeitslosigkeit erfolgten in entsprechende Sprachkurse.

 

 

  1. Welche Maßnahmen gibt es seitens des Bezirks Wandsbek um ukrainischen Geflüchteten den Einstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen?

 

  1. Gibt es für traumatisierte Geflüchtete ein Therapieangebot? Wenn ja, in welcher Form? Falls nein, weshalb nicht?

 

 

Zu 3. und 4.:

Der Bundesrat hat am 20. Mai 2022 dem Gesetz zugestimmt, wonach Schutzsuchende aus der Ukraine ab dem 1. Juni 2022 Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II) beziehen können. Die gesetzliche Neuregelung soll erreichen, dass Schutzsuchenden aus der Ukraine, die den vorübergehenden Schutzstatus nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder erhalten haben, ab dem 1. Juni 2022 nicht mehr Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen müssen. Stattdessen wechseln sie in den Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuches (SGB) II. Damit haben sie Anspruch auf die regulären Sozialleistungen anstelle der reduzierten Leistungen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden und alle damit verbundenen Möglichkeiten nach dem Prinzip Fördern und Fordern.

 

Das grundsätzliche Ziel von Jobcenter team.arbeit.hamburg ist es, die Schutzsuchenden aus der Ukraine unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedarfe, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten kompetenz- und qualifikationsadäquat auf dem Arbeitsmarkt oder Ausbildungsmarkt zu integrieren. Bei den Leistungen zur Eingliederung sind die Eignung, die individuelle Lebenssituation (insbesondere die familiäre Situation) und die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen. Grundsätzliches Ziel ist die Integration in qualifikations- und beschäftigungsadäquate Beschäftigung, einschließlich der Aufnahme einer Ausbildung. Schutzsuchende aus der Ukraine werden dahingehend beraten, ihr Qualifikationsniveau auszuschöpfen, zum Beispiel durch eine (Teil)-Anerkennung bzw. durch anschließende Qualifizierung oder durch die Aufnahme einer qualifikationsadäquaten Beschäftigung.

 

Jobcenter team.arbeit.hamburg unterstützt die schutzsuchende Person aus der Ukraine umfassend bei ihrer beruflichen und sozialen Integration und stößt die hierfür erforderliche Prozesse frühzeitig an. Hierbei wird Rücksicht auf die individuellen Fluchterfahrungen und die damit ggf. einhergehenden besonderen Belastungen und Handlungsbedarfe (z.B. Traumata) genommen. Einzelfallbezogen wird entschieden, ob der/die Schutzsuchende aus der Ukraine stärker im Wege der Vermittlung oder durch den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente gefördert wird, um eine nachhaltige Überwindung der Hilfebedürftigkeit zu unterstützen.

 

Kenntnisse der deutschen Sprache sind der Schlüssel für eine Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt – insbesondere bei Schutzsuchenden aus der Ukraine. Grundsätzlich ist Schutzsuchenden aus der Ukraine ohne ausreichende Deutschsprachkenntnisse zügig ein Sprachkursangebot zu unterbreiten und im Wege einer Integrationskursverpflichtung umzusetzen.

 

Insbesondere werden (bei Kundinnen und Kunden, die über 25 Jahre alt sind) die Berufsgruppen Pädagogin bzw. Pädagoge, Arzt bzw. Ärztin, Pflegefachkraft, Ingenieurin bzw. Ingenieur oder IT-Fachkraft in die Betreuung des Hamburg Welcome Centers (HWC) zugesteuert. Gerade in diesen fünf Berufsgruppen soll durch eine verzahnte und engmaschige Betreuung aller beteiligten Akteure im HWC die Integration in den ersten Arbeitsmarkt unterstützt werden. 

 

Der Förderverlauf einer Arbeitsmarktintegration von einer schutzsuchenden Person aus der Ukraine ist nachfolgend beispielhaft dargestellt:

 

 

-          Erstgespräch Integrationsfachkraft

          Profiling inklusive Feststellung der beruflichen, fachlichen und sprachlichen Kompetenzen, der gesundheitlichen und familiären Rahmenbedingungen sowie Erarbeitung einer Handlungsempfehlung

          Einleitung erster stabilisierender Angebote (z.B. flankierende Leistungen/ Sozialberatung/ Gesundheitsberatung)

          Bei Bedarf zielgruppenspezifische Förderangebote (Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gem. § 45 SGB III bei einem Träger, AVGS-MAT) bzw. alle weiteren Förderangebote des SGB II

          Zusätzliche Infoveranstaltungen für Studieninteressierte, gemeinsam mit der Berufsberatung als hybride Veranstaltung, um über Zugangsvoraussetzungen und Möglichkeiten/ Angebote von z.B. englisch-sprachigen Studiengängen zu informieren.

          Schulpflichtige oder Personen die noch ihren Schulabschluss absolvieren müssen/ wollen, erhalten die entsprechenden Informationen über Voraussetzungen und Verfahren zur Schulanmeldung über das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB)

          Einsteuerung in Integrationskurse

          Zusteuerung der Berufsgruppen Pädagogin bzw. Pädagoge, Arzt bzw. Ärztin, Pflegefachkraft, Ingenieurin bzw. Ingenieur oder IT-Fachkraft direkt zum HWC

 

-          Sprachförderung (Integrations-/ Berufssprachkurs)

          Ziel des Integrationskurses ist vorrangig die Vermittlung allgemeinsprachlicher Deutschkenntnisse, in der Regel bis zum Abschluss B2.

          Ziel des Berufssprachkurses ist der Erwerb arbeitsweltlicher sprachlicher Kompetenzen, nach Möglichkeit flankierend zu einer Beschäftigung/Ausbildung

          Während Teilnahme am Integrations-/ Berufssprachkurs begleitende Beratung durch u.a. die Integrationsfachkraft zu den vorhandenen Handlungsbedarfen

          Bei Bedarf parallel zielgruppenspezifische Förderangebote (AVGS-MAT; Maßnahmen bei einem Träger), bzw. alle weiteren Förderangebote des SGB II)

 

-          Folgegespräch Integrationsfachkraft

          Nach Abschluss des jeweiligen Sprachkurses bzw. begleitend zu diesen anhand des vorhandenen Sprachniveaus weitere Planung der Integrationsstrategie

          Analyse der bisherigen Situation und Anpassung der Handlungsbedarfe

          Bei Bedarf Unterbreitung individueller Förderangebote des SGB II

          Unterstützung bei der Anerkennung der in der Ukraine erworbenen Qualifikationen

          Unterstützung bei der Vermittlung in Arbeit und Ausbildung (z.B. bewerberorientierte Vermittlung, Vermittlungsvorschläge bei Arbeitgebern die für das Thema Zuwanderung sensibilisiert wurden, Newsletter Jobbrücke, eServices (Jobsuche), Messen und Veranstaltungen)

 

Zahlreiche schutzsuchende Personen aus der Ukraine bringen im Ausland erworbene formale Qualifikationen mit, für die ein Anerkennungsverfahren in Betracht kommen. Für Hochschulabschlüsse im nicht-reglementierten Bereich existiert kein förmliches Anerkennungsverfahren. Hier besteht alternativ die Möglichkeit einer Zeugnisbewertung durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB), die ebenfalls die Chancen auf eine qualifikationsadäquate Beschäftigung erhöht. Das Anerkennungs- bzw. Zeugnisbewertungsverfahren wird konsequent genutzt, um eine qualifikationsadäquate Beschäftigung zu erreichen.

 

Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse steigert die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Einwanderinnen und Einwanderern nach einem Jahr um 17 Prozentpunkte und nach drei Jahren um 25 Prozentpunkte im Vergleich zu Personen, die keine Anerkennung ihres Berufsabschlusses beantragt haben. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von Februar 2021. Eine Anerkennung führe demnach sehr schnell zu positiven Arbeitsmarkteffekten und diese bleiben auch über die Zeit bestehen.

 

Die Verfahren von der Beschaffung der erforderlichen Unterlagen bis zum Vorliegen eines Anerkennungsbescheides bzw. einer Zeugnisbewertung kann mehrere Monate andauern. Die Einleitung des Verfahrens wird deshalb nicht vom Vorhandensein eines bestimmten Niveaus an deutschen Sprachkenntnissen abhängig gemacht. Vielmehr wird allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die deutlich machen, in Deutschland in ihrem erlernten Beruf arbeiten zu wollen, ein Anerkennungs- bzw. Zeugnisbewertungsverfahren nahegelegt, ohne die qualifikationsadäquate Vermittlung auf Basis einer Selbstauskunft hinauszuzögern.

 

Jobcenter team.arbeit.hamburg berät die Schutzsuchenden aus der Ukraine zu Möglichkeiten der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sowie zur Zeugnisbewertung von ausländischen Hochschulabschlüssen auch im nicht-reglementierten Bereich.

 

Zur vertieften Anerkennungsberatung bezieht Jobcenter team.arbeit.hamburg die Träger des Hamburg Welcome Centers (HWC) ein, insbesondere die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatungsstellen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ (IQ-Netzwerk) ein – in Hamburg die „Zentrale Anlaufstelle für Anerkennung“ (ZAA). Des Weiteren besteht grundsätzliche für Schutzsuchende aus der Ukraine die Möglichkeit, sich zum Thema Anerkennung von ihrem Abschluss über einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) Unterstützung einzuholen.

 

Im Übrigen stehen allen Schutzsuchenden aus der Ukraine im erwerbsfähigen Alter die Dienstleistungen des HWC offen (Erstorientierung, Suche nach Sprachkurs, Anerkennung, Vermittlung in Praktika, Ausbildung, Beschäftigung oder arbeitsmarktbezogene Qualifikationen. Daneben können die sozialräumlich platzierten Beratungsleistungen der Migrationsberatungen für Erwachsene in Anspruch genommen.

 

Für traumatisierte Schutzsuchende bietet Centra, das koordinierende Zentrum für traumatisierte Schutzsuchende am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), ein umfängliches Therapieangebot. Es koordiniert psychotherapeutische Hilfen für Schutzsuchende und betreut außerdem mehrsprachig erwachsene Schutzsuchende mit Trauma und Traumafolgestörungen. Das Angebot umfasst sowohl niedrigschwellige Angebote, wie beispielsweise Akkupunkturbehandlungen, als auch psychotherapeutische Intervention.

 

Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde das Angebot um telefonische Sprechstunden erweitert, die auch auf Russisch angeboten werden. Zudem sind Therapeutinnen und Therapeuten von Centra aufsuchend in den Unterkünften tätig. Neben der Versorgung der akut belasteten Menschen bietet Centra auch ein Unterstützungsangebot für Angehörige und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren an. Mehr Infos unter https://centra.hamburg/.

 

Für Kinder und Jugendliche bietet die Flüchtlingsambulanz am UKE ein ganz ähnliches Angebot an, siehe UKE - Flüchtlingsambulanz Traumatisierte Kinder und Jugendliche werden hier ebenfalls mehrsprachig betreut und behandelt.

 

Daneben führt der Träger stabil & gesund GbR in mehreren Unterkünften und seit Mai 2022 auch an einem externen Standort eine sogenannte Stabilisierungssprechstunde durch.

 

Die Beratungsstelle savia - steps against violence (verikom GgmbH), die gewaltbetroffene Schutzsuchende in den Unterkünften berät, und der Hamburger Frauen Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. haben das Beratungsangebot erweitert, um dem zu erwartenden Anstieg an Anfragen entsprechen zu können.

 

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

 

 

Anhänge

keine Anlage/n