Saseler Kern prägnant im Wandel: Unternehmensaufgabe Baumarkt KWP mündet in Wohnungsbaugroßvorhaben Saseler Ch. /Stadtbahnstr. - Verkehrliche und sozialräumliche Erfordernisse für den Stadtteil mitdenken und konzipieren! Debattenantrag der Fraktion Die Linke und Frauke Häger (fraktionslos), angemeldet zur Debatte von der Fraktion Die Linke
Der Baumarkt KWP hat an der Saseler Chaussee 211 seit 1970 als erster Baumarkt Hamburgs für Endverbraucher (und nicht nur Handwerker) seinen Standort. Das Familienunternehmen mit einem Kundenkreis auch über die Hamburger Stadtgrenzen hinaus feierte 2019 mit einem aufwändigen Relaunch des Baumarktes seinen 100. Geburtstag. Im November 2021 kündigten die KWP-Inhaber:innen über die Lokalpresse und eigene Website überraschend und schon sehr zeitnah die Aufgabe des mittelständischen Unternehmens für Ende 2023 an. Eine Wandlung des Gewerbegrundstückes in eine Wohnbebauung wurde avisiert. Im Stadtteil kursieren auch in Form von Offenen Briefe bereits Gerüchte über die Planung einer besonders dichten und hohen Bebauung.
Das Areal des neuen Wohngebietes liegt im Zentrum von Sasel, gegenüber dem Saseler Park, an der der „Kreuzung Kratzmann“ mit sehr hohem Verkehrsaufkommen mit der Magistrale vom Stadtzentrum zur Landesgrenze (Süd/Nord, Hamburg/S-H, B434), mit der Stadtbahnstr. vom Saseler Markt über Stadtbahnstr. und Saseler Damm als Ring 3 (Ost/West, Stapelfeld/A1 zum Krohnstieg/A7). Angrenzend eine Marken-Tankstelle und Bushaltestellen des HVV, Gewerbebetriebe (Druckerei, Pizza-Service, Veterinär) sowie umliegende Mehr- und Einfamilienhaus-Bebauung.
Mit dem Baumarkt KWP verliert der Stadtteil Sasel ein florierendes Unternehmen und die Regionen Alstertal und Walddörfer wie auch Kund:innen aus dem sogen. „Speckgürtel“ wie z.B. Norderstedt, Ammersbek, Bargteheide ihr Fachgeschäft „vor Ort“ mit „kurzen Wegen“ zur Fachberatung und umfangreichem Angebot (Material, Zuschnitt, Geräte, Sanitär, Farben, Deko, Gartenmöbel, …). Selbst unter erschwerten Pandemie-Auflagen konnte ein gesetzlich-eingeschränktes Verkaufsangebot für professionelle Handwerker:innen fortgesetzt und auch für Endverbraucher:innen aufrechterhalten werden. Bis Ende 2023 wird sich ein großes Team an Fachpersonal daher leider neu orientieren müssen.
Städtebauliche Betrachtung und Ausblick:
Das KWP-Hauptgebäude mit gläserner Fassade und hervorragender KWP-Stele ist ein ansehnliches städtebauliches Element. Mit einem kleineren Teil der Parkplätze, Präsentation des eigenen Carport-Modell-Angebots vor dem Gebäude, fällt der Baukörper allen im Stadtteil und Vorbeifahrenden ins Auge und wirkt durch die offene Glasfront „leicht“ und verlockend, „einladend“ für die Kundschaft mit Blick auf dekorierte Räume, Flächen und Beleuchtung. Als Kontrast ist die angrenzende Tankstelle mit zwei Zufahrten zu sehen. Diese ist ein kompaktes Standard-Bauwerk, gelb-rot-leuchtende Unternehmensfarben im CI und eine hohe PKW-Betriebsamkeit an Zapfsäulen und Waschanlage.
Ohne auf die detaillierten baurechtlichen Grundlagen einer Baugenehmigung einzugehen, lassen sich städteplanerische Vorstellungen durchaus benennen. Eine optimale zukunftsorientierte Nutzung freier Flächen für einen (Mehrfamilien-)Wohnungsbau ist anzustreben.
Aufgrund der zentralen Lage ist ggf. eine gewerbliche Nutzung oder die Erschließung von Räumlichkeiten für das Gemeinwesen zu erwägen (Kita, Senior:innen, Quartiersbüro). Lagebedingt muss sich das Vorhaben in das „Magistralenkonzept für die äußeren Stadt einpassen („Gutachten zur Untersuchung der Magistralen-Räume in Hamburg-Wandsbek“, https://www.hamburg.de/stadtplanung-wandsbek/projekte/14291876/magistralen-in-wandsbek/):
„Das sieht an dieser Stelle eine Betrachtung als Stadtraum bis Saseler Markt und den jeweiligen Achsen bis zur nächsten Straßeneinmündung sowie den Saseler Park vor.
Prägend ist die Mischnutzung mit Kleingewerbe auch in den Hinterhöfen. Maßstab sei eine Randbebauung mit 3-4 Vollgeschossen, Gewerbe bzw. Öffentliche Nutzungen im Erdgeschoss und verbesserte Aufenthaltsqualität und Fußgängerverkehr. Entlang der Magistrale wird darüber hinaus eine Begrünung mit mindestens 6m tiefen Vorgärten empfohlen. Eine Änderung des Planrechts sei dafür notwendig („Gutachten zur Untersuchung der Magistralen-Räume in Hamburg-Wandsbek“, Printausgabe S.112 ff.).“
Insbesondere die Übergänge nach Westen zur eingeschossigen Wohnbebauung (Eekbusch, Wohnstraße Tempo 30) sind angemessen zu gestalten und die Anrainer_innen im Genehmigungsverfahren zu beteiligen.
Ein Bauvorhaben dieser Größenordnung mit gefördertem Wohnungsbau stellt für den Stadtteil Sasel durchaus einen Paradigmenwechsel dar. So verläuft der Zuzug neuer Stadtteilbewohner:innen bisher auch verstärkt für junge Familien mit Kindern eher unbemerkt über den Einfamilienhaus-Bau über den ganzen Stadtteil verteilt und eine Nachverdichtung in wenigen einzelnen exemplarischen Mehrfamilienhaus-Quartieren (Lüttmelland/Baugenoss. Hamburger Wohnen eG und Petunienweg + Saselberg/Schiffzimmerer Genossenschaft).
Eine neue prägende Skyline, Baukörperdichte und hohe Zahl von Neu-Saseler:innen werden ein völlig neues Gesicht und einen Schwerpunkt an der Magistrale bringen. Eine Betrachtung der sozialräumlichen und verkehrlichen Entwicklung ist daher dringend geboten. So besitzt Sasel seit Jahrzehnten keinen Jugend-Treff und eng bemessene Raum- und Personalkapazitäten für die Senior:innenarbeit.
Dies vorausgeschickt möge die Bezirksversammlung folgendes beschließen:
1) Die Verwaltung wird aufgefordert in Kooperation mit dem Vorhabenträger vor der Erteilung einer Baugenehmigung eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor Ort zu organisieren.
2) Einen Perspektivplan für die bauliche und verkehrliche Entwicklung sowie Freiraumgestaltung um den Planungsraum „Kreuzung Kratzmann“, Magistrale (Saseler Ch.) und Stadtbahnstr./Ring 3 konkret zu entwickeln. Auf eine Mischnutzung in den Erdgeschossen und eine gute Aufenthaltsqualität auf den Wegen des öffentlichen Raumes sollte besonderes Augenmerk gelegt werden.
3) Die Verwaltung wird gebeten, bezüglich des konkreten Wohnungsbauvorhabens in Sasel und für die Bewertung der Lage Saseler Ch./Kreuzung Ring 3 innerhalb des Magistralen-Konzeptes Wandsbek und Hamburg zeitnah einen Fachaustausch mit der Bezirksamtsleitung, Vertreter:innen von D4 sowie D3 und Fachsprecher:innen der politischen Gremien der Bezirksversammlung Fachausschüsse Planung (PLA), Soziales, Gesundheit, Sport (AS) und Regionalausschuss Alstertal (RAt) und Fraktionslose BV-Abgeordnete zu den Formen und Zielsetzungen des konkreten Wohnungsneubau-Projektes, Bewohner:innenzuwachs (Zahl, Alter, Art des Wohnens/gefördert) und Analyse bestehender sozialen Einrichtungen im Stadtteil sowie Ermittlung fehlender Kapazitäten (z.B. seit Jahrzehnten kein Jugendtreff, kein Quartiersbüro, unterdimensionierter [Senior:innen-Treff) unter Einbeziehung des Projektträgers und ggf. weiterer Experten/regionaler Stakeholder durchzuführen.
4) Die Verwaltung sorgt für eine frühzeitige Klärung und Darstellung der Thematik „Tankstelle“ hinsichtlich Erhalt oder Rückbau, Umwelt-/Gesundheits- und Altlastenproblematik, benennt Besonderheiten der Lage hinsichtlich Lärmschutz für das Wohnen an der Magistrale, energetischem klimaschutzförderndem Bauen und Freiraumgestaltung (vertikale Begrünung, PV), Mobilität (z.B. Errichtung eines E-Hubs).
5) Die Ergebnisse des Fachaustausches hinsichtlich Bauplanung entlang der Magistrale und einer sozialräumlichen Analyse werden mit dem Ziele eines Generationen-Mix, zielgruppenorientiert und nach Möglichkeit auch inklusiv und behindertengerecht für die zu errichtenden Wohnangebote von Verwaltung und Bezirksversammlung mit dem Projektträger koordiniert. Für fehlende Einrichtungen in Stadtteil (Jugend, Senior:innen, Inklusion) werden Lösungen konzeptionell, personell und räumlich geplant.
keine Anlage/n