Armuts- und Reichtumsbericht für Wandsbek Debattenantrag der Fraktion Die Linke
Fast alle, die politischen Parteien vorneweg, wollen die Armut in der Bundesrepublik bekämpfen. Jeder neu veröffentlichte, aktualisierte Armutsbericht schlägt kurzfristig hohe Wellen in der Presse, inklusive Handlungsempfehlungen an die Politik, und landet dann doch wieder in der Schublade bei seinen Vorgängern.
Im aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands liegt Hamburg mit einer Armutsquote von 19,4% deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 16,8%. Die Zahlen für Kinderarmut, die Armut Jungerwachsener sowie Altersarmut sind noch einmal erschreckender.
Aber wie sieht es in Hamburg auf Bezirksebene und darunter aus? Da wird die Datenlage dünn. Die Auswertung des Statistikamts Nord in Hamburger Stadtteil-Profile: Berichtsjahr 2022 liefert zwar zahlreiche Daten, zur Sozialstruktur aber nur die bekannten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Mehr wissen wir nicht. Es fehlen z.B. Angaben über die Anzahl der Rentner*innen, Rentner*innen mit ergänzender Grundsicherung, Minijobber, Daten zur Mobilität, Wohngeldbezug, und, und, und…
Der Bezirk Wandsbek mit seinen über 450.000 Einwohnenden (das wäre aktuell Platz 16 der deutschen Großstädte) benötigt eine eigene Sozialberichtserstattung, die mindestens alle zwei Jahre fortgeschrieben wird. Erst auf dieser Grundlage kann eine verstärkte Bekämpfung von Armut und Armutsgefährdung unter Einbeziehung der verschiedenen Ebenen von Arbeitsmarkt- und Wohnraumpolitik, Gesundheits- und Infrastrukturpolitik, von Hilfs- und Unterstützungsangeboten sinnvoll und begründet in Gang gesetzt werden.
Armut in einer reichen Gesellschaft fordert Beschreibung, Erklärung und die Entwicklung politischer Strategien und konkreter Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung, zur Vermeidung von Armutsrisiken und zur Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten und
Verwirklichungschancen. Mehr noch: einkommensarme Menschen stehen allzu oft im
Fokus öffentlicher Debatten und sehen sich regelmäßig dem Misstrauen von Ämtern
und Behörden ausgesetzt, während die Gruppe der besonders Wohlhabenden allzu
oft im Verborgenen bleibt. Vor diesem Hintergrund ist eine differenzierte Berichterstattung über die soziale Lage der Hamburger*innen, der Segregation in den Stadtteilen
und der sich stärker spreizenden Schere zwischen Arm und Reich unabdingbar, um
auf dieser Grundlage entsprechende Maßnahmen zu entwickeln.
Auf Bürgerschaftsebene haben die Regierungsfraktionen von SPD und Grüne den Senat Ende 2022 mit Drucksache 22/10073 beauftragt, „im Rahmen einer stärker integrierten und auch sozialräumlich orientierten Sozialberichterstattung die vorhandenen Datenquellen weiter auszubauen und zu nutzen, um in Ergänzung zu den Lebenslagenberichten beginnend 2024 der Bürgerschaft im zweijährigen Takt einen digitalen Bericht zur sozialen Situation in Hamburg und seinen Stadtteilen beziehungsweise Sozialräumen vorzulegen…“. Der vorliegende Zwischenbericht der Sozialsenatorin von Anfang des Jahres (Drucksache 22/14264) zeigt jedoch, dass aktuell nicht mehr zu erwarten ist als eine digitale Aufbereitung bereits bestehender, für alle einsichtiger und teilweise von der Zeit überholter Datensätze.
„Bekämpft endlich die Armut!“ forderte die Diakonie bereits 2010. 14 Jahre sind seitdem vergangen, und kämpfen sieht anders aus. Zeit, das zu ändern.
Das Bezirksamt wird aufgefordert
keine Anlage/n