Stellungnahme zum gemeinsamen Antrag SPD - CDU betr. Situation am Nachlassgericht (zu DrS. Nr. 22-0976 und 22-0994)
Letzte Beratung: 18.11.2025 Hauptausschuss Ö 2.13
Die Personalsituation und damit auch die Situation der Bearbeitung von gerichtlichen Vorgängen beim Amtsgericht Harburg ist bereits seit geraumer Zeit Gegenstand von zahlreichen Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Dies hat sich auch nach den Antworten der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz auf die bezirkliche Anfrage 22- 0676 und die Schriftliche kleine Anfrage in der Bürgerschaft (23/639) nicht geändert und es gibt weiterhin Hinweise auf extrem lange Wartezeiten und andauernde Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit für persönliche Terminvereinbarungen beim
Nachlassgericht Hamburg-Harburg.
Zuletzt haben sich diese Beschwerden hinsichtlich des Nachlassgerichts gehäuft, da dort Bearbeitungszeiten von mehr als 9 Monaten auftreten. Das ist in der Bearbeitung von Nachlassangelegenheiten nicht nur für die Verwandten und potenziellen Erben von Erblassern eine zusätzliche emotionale Belastung in der Trauerphase, sondern auch für Dritte, wie z.B. Vermieter von Wohnungen Verstorbener. Solche langen Reaktions- und Bearbeitungszeiten sind gerade bei Nachlass-Angelegenheiten nicht akzeptabel.
Während Erben bis zur Erteilung eines Erbscheins nicht über Vermögensgegenstände und insbesondere auch Immobilien verfügen können und dies zu erheblichen Verwicklungen im Hinblick auf den Erhalt von Immobilien oder die Interessen von Pflichtteilsberechtigten führen kann, können Vermieter Wohnungen nicht wieder in Besitz bekommen und neu vermieten. Hierzu ist erforderlich, dass ein Erbe ermittelt wird, der verfügungsbefugt ist. Alternativ ist ein Nachlasspfleger zur Abwicklung laufender Geschäfte zu bestellen. Sollte dabei der Nachlass nicht ausreichend sein, die Miete für diesen Zeitraum zu decken, erleiden Vermieter erhebliche Verluste, die gerade private Kleinvermieter in existenzielle Probleme bringen können. Es ist erforderlich, die Situation am Nachlassgericht zügig zu verbessern und die Rückstände schnellstmöglich aufzuarbeiten, um weitere Schäden zu vermeiden.
1. Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, zur nächsten Sitzung des Hauptausschusses Referenten der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) sowie den Direktor des Amtsgerichts Harburg einzuladen, um über die Situation am Nachlassgericht Harburg, insbesondere die aktuelle Personalbesetzung und die Auswirkungen auf die Bearbeitungsdauer zu berichten und Wegeaufzuzeigen, wie die gegenwärtige unbefriedigende Bearbeitungssituation einschließlich der Aufarbeitung der Rückstände zeitnah gelöst werden können, um eine dauerhafte Normalisierung zu erreichen. Es soll auch berichtet werden, wann damit gerechnet werdenkann, dass die Einschränkungen im Publikumsverkehr wieder aufgehoben sein werden und Bürgerinnen wieder persönlich ihre Anliegen vortragen können.
2. Auch soll dargestellt werden, inwieweit Notare, auf die vom Gericht als Alternative unmittelbar hingewiesen wird, die vermehrten zusätzlichen Arbeiten (Antragsannahme z.B. bei Erbscheinsanträgen oder Ausschlagungserklärungen) für die Dauer des Engpasses leisten können. Denn zwar sind die Beschränkungen von Amtssitzen auf einen Amtsgerichtsbezirk vor längerem aufgehoben worden, jedoch gibt es im Bezirk selbst konkret nur eine Sozietät, in der drei Notare tätig sind.
3. Die BJV wird gebeten, möglichst umgehend geeignete Maßnahmen einzuleiten, um beim Nachlassgericht Harburg wieder eine Bearbeitungssituation herzustellen, in der Nachlassangelegenheiten in üblichen Zeitrahmen erledigt werden.
BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG
DER VORSITZENDE
28.Oktober 2025
Die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) nimmt wie folgt Stellung:
Im Nachlassbereich wurden hamburgweit im Jahr 2023 insgesamt rund 25.000 Verfahren bearbeitet. Davon entfielen 11.467 auf Testamentssachen (Registerzeichen IV) und 13.650 auf sonstige Nachlasssachen (Registerzeichen VI). Im Jahr 2024 stieg die Gesamtzahl auf etwa 28.200 Verfahren, was einem Zuwachs von rund 13 % entspricht. Für 2025 ist nach den Daten des 1. Halbjahres eine leichte Entspannung zu erwarten.
Das Amtsgericht Harburg zeigt überdurchschnittliche Belastungen, liegt aber im Anteil am Gesamtaufkommen stabil bei rund 8 % der hamburgweiten Nachlasssachen. In Testamentssachen verzeichnete Harburg 2024 1.146 Eingänge (nach 1.093 im Vorjahr) und bei den sonstigen Nachlasssachen 1.690 Verfahren.
Seit Anfang dieses Monats ist eine im Nachlassbereich erfahrene Kraft des Mobilen Teams ausschließlich in Harburg tätig und vermittelt dort Wissen und unterstützt in der Bearbeitung. Auch der Krankenstand am Amtsgericht Harburg hat sich verbessert (Rückkehr von zwei langzeiterkranken Kräften), sodass mittelfristig mit einer Stabilisierung der Bearbeitungssituation zu rechnen ist. Zudem erfolgt eine interne Umsteuerung erfahrener Kräfte zu Gunsten des Nachlassbereichs: Seit Beginn des Monats wurde der Nachlassbereich um eine weitere Vollzeitkraft verstärkt.
Hinsichtlich der Erreichbarkeit des Nachlassgerichtes Harburg kann mitgeteilt werden, dass die Aufarbeitung der Rückstände vorrangig ist. Mit nunmehr zu erwartender Stabilisierung der Bearbeitung wird perspektivisch auch wieder mit Publikumsverkehr (ggf. schrittweise zu gewissen Zeiten und/oder zunächst telefonisch) zu rechnen sein.
Die BJV und das Amtsgericht nutzen in allen Bereichen alle denkbaren Potentiale, die Amtsgerichte und insbesondere den Nachlassbereich zu stärken. Dies betrifft Geschäftsprozessoptimierungen, Digitalisierungsprojekte, die Personalbewirtschaftung sowie die Nachwuchskräftegewinnung. Insbesondere die Ausbildung und die Quereinsteiger-Qualifizierung sind mittlerweile stark aufgestellt und zeigen bereits erste Erfolge. Zusätzlich gibt es zahlreiche personelle Unterstützungsmaßnahmen wie die Anwerbung von Pensionären, den Einsatz von studentischen Aushilfen, die Verstärkung durch das Mobile Team, die Unterstützung durch Führungskräfte und Personalverschiebungen.
Daneben laufen weitere Geschäftsprozessoptimierungen und Digitalisierungsvorhaben, die direkt dem Nachlassverfahren zugutekommen. Das Projekt „Digitalisierung im Nachlassbereich“ sieht neben verbesserten Zugängen für die Antragstellenden über Onlineantragsverfahren auch Erleichterungen für den Bereich Servicekräfte vor, z.B. die automatisierte Übernahme von Datensätzen aus den Onlineanträgen ins Fachverfahren, was an vielen Stellen die händische Eintragung der Verfahrensdaten durch die Geschäftsstellenmitarbeitenden erleichtert.
Um weitere Optionen zur Unterstützung der Nachlassgerichte zu erörtern, hat die BJV zudem unlängst einen runden Tisch unter Beteiligung des Staatsrates und der Amtsleitung Z eingerichtet.
Fristsachen wie Erbausschlagungen werden prioritär bearbeitet. Wo Termine nicht kurzfristig angeboten werden können, bestehen Ausweichmöglichkeiten über Notare. Nach Rückmeldung der Hamburgischen Notarkammer (HNotK) können Notarinnen und Notare zwar aktuell nur in sehr begrenztem Umfang zur Arbeitsentlastung der Nachlassgerichte beitragen. Erbscheinsanträge und Ausschlagungserklärungen werden allerdings nach Wahrnehmung der HNotK schon fast ausschließlich von Notarinnen und Notaren aufgenommen. Die weitere Bearbeitung erfolgt jedoch wieder zwingend durch das Nachlassgericht. Termine für Erbscheinsanträge und Ausschlagungserklärungen sind bei den Notarinnen und Notaren in Hamburg, auch in Harburg, stets zeitnah, oftmals am gleichen oder am nächsten Tagmöglich. Eine Unterversorgung mit notariellen Dienstleistungen in Harburg besteht nicht. Auch beantworten die Notariate viele Bürgeranfragen, die telefonische Auskünfte zu Nachlassangelegenheiten wünschen, beim Nachlassgericht in Harburg jedoch niemanden erreichen. Auch diese Auskünfte können stets zeitnah erteilt werden, die Erreichbarkeit ist stets sichergestellt.
Von einer persönlichen Teilnahme von Referentinnen und Referenten der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, des Direktors des Amtsgerichts Hamburg-Harburg oder weiterer Vertreter der amtsgerichtlichen Leitung an den Sitzungen des Hauptausschusses der Bezirksversammlung Harburg wird aufgrund der ausführlichen schriftlichen Beantwortung abgesehen.
gez. Böhm f.d.R. Hille
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