21-0576.01

Stellungnahme zum gemeinsamen Antrag DIE LINKE, SPD und GRÜNE Harburg für Alle! Dem Naziaufmarsch am 1. Mai entgegentreten

Antwort/Stellungnahme gem. § 27 BezVG

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23.06.2020
Sachverhalt

Für den 1. Mai 2020 haben Neonazis der Partei ‚Die Rechte’ unter dem Motto: „Zuwanderung bewirkt Sozialabbau. Gegen die rote und die goldene Internationale - Heraus zum 1. Mai“ für 14 Uhr zu einer bundesweiten Demonstration vom Bahnhof Harburg, durch das vielfältige Phoenixviertel und zurück zum Bahnhof Harburg aufgerufen.

Das Motto der Demonstration schürt offen ein Klima der Angst vor Armut und ist zudem ebenso rassistisch wie antisemitisch. Die Neonazis bedienen sich ganz offen der Thesen des Naziregimes und schwadronieren mit dem stehenden antisemitischen Begriff „goldene Internationale“ von einer jüdischen Weltverschwörung.

Nur wenige Tage vor dem 75. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus am 8. Mai und dem damit verbundenen Ende des zweiten Weltkrieges in Europa ist das Motto und die Demonstration eine offene Provokation für alle demokratisch und humanistisch gesinnten Menschen nicht nur in Harburg.

Die Demonstration der Neonazis ist Ausdruck des Selbstbewusstseins einer neuerstarkten, politischen Rechten. Sie soll, will und wird die Grenzen des Unsagbaren weiter verschieben. Eine Entwicklung die seit der Gründung der AfD kaum Grenzen kennt. Vertreterinnen und Vertreter dieser Partei bereiten den Nährboden für die extreme Rechte und schüren in Reden rassistische Vorurteile oder versuchen wie zum Beispiel mit Alexander Gaulands „Vogelschiss-Debatte“ den Faschismus zu relativieren. Teile der AfD werden vom Verfassungsschutz überwacht. Teile, die nicht vor der Zusammenarbeit mit Neonazis zurückschrecken. Und die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen hat gezeigt, wie brüchig die Grenzen nach rechts mittlerweile auch im demokratischen Spektrum geworden sind.

Deshalb sind alle aufrechten Demokratinnen und Demokraten aufgerufen, sich am 1. Mai den Neonazis in Harburg und anderswo entgegenzustellen.

 

 

Petitum/Beschluss

        Die Harburger Bezirksversammlung stellt sich offensiv gegen Neonazis, Rassismus und Antisemitismus. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

 

        Die Harburger Bezirksversammlung fordert die Versammlungsbehörde auf, alle rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Nazidemo am 1. Mai zu unterbinden.

 

        Die Harburger Bezirksversammlung ruft alle Menschen im Bezirk auf, die demokratische Vielfalt zu verteidigen, sich zu positionieren und ein politisches Zeichen zu setzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG    

Der Vorsitzende        

 10.06.2020

 

 

Die Behörde für Inneres und Sport nimmt zu dem Antrag wie folgt Stellung:

 

1.

Die Bezirksversammlung Harburg hat am 10. Februar 2020 den anliegenden Antrag „Harburg für Alle! Dem Naziaufmarsch am 1. Mai entgegentreten“ beschlossen und fordert die Versammlungsbehörde auf, „alle rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Nazidemo am 1. Mai zu unterbinden“.

Die BIS muss nun nach Maßgabe des § 27 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG), der das Auskunfts- und Empfehlungsrecht der Bezirksversammlungen regelt, der Bezirksversammlung innerhalb von sechs Wochen eine Antwort übermitteln oder mitteilen, ob und in welcher Form die Empfehlung Berücksichtigung findet (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 BezVG).

Nach Beteiligung der Versammlungsbehörde ergeht der nachfolgende Antwortbeitrag.

 

2.

Das Recht der Bürgerinnen und Bürger, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Kernelementen eines demokratischen Rechtsstaates. In Art. 8 Abs. 1 GG ist daher verfassungsrechtlich garantiert, dass jedermann jederzeit Versammlungen unter freiem Himmel abhalten darf. So sind Versammlungen stets frei von staatlicher Genehmigung und unterliegen grundsätzlich nur einer Anzeigepflicht.

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit durch die Verwaltung und insbesondere die Polizei unterliegen besonders hohen Anforderungen. Entsprechende Maßnahmen der zuständigen Behörden richten sich nach Art. 8 Abs. 2 GG, wonach die Versammlungsfreiheit für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden kann. Hierzu gehört etwa das Versammlungsgesetz und hierin enthaltene versammlungsbeschränkende Maßnahmen, die stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung der in Art. 8 Abs. 1 GG verankerten Versammlungsfreiheit auszulegen sind und die auf das zu beschränken sind, was zum Schutze gleichwertiger anderer Rechtsgüter notwendig ist. Es ist immer eine Frage des Einzelfalles, welche Maßnahmen die zuständigen Behörden ergreifen können. Ein Verbot oder der Erlass von bestimmten Auflagen kommen nur in Betracht, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.

Die Versammlungsbehörde prüft in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Dienststellen bei allen bei ihr angemeldeten Versammlungen/Aufzügen hiermit verbundene mögliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Gefahren erlässt die Versammlungsbehörde nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls gegebenenfalls beschränkende Verfügungen oder verfügt als letztes Mittel ein Verbot der Versammlung oder des Aufzuges.

Dieses Verfahren wird auch für den in Rede stehenden Aufzug am 1. Mai 2020 und die zu erwartenden Gegenproteste durchgeführt.

Soweit sich im Einzelfall konkrete Gefahren für einzelne Personen ergeben, werden unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die lage- und anlassabhängigen erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und gegebenenfalls Strafverfolgung getroffen.

 

gez. Heimath

 

f.d.R.

Riechers