20-2987.01

Stellungnahme zum Gemeinsamen Antrag der Fraktionen NEUE LIBERALE, DIE LINKE und GRÜNE: Tempo 30 für die Heimfelder Straße

Antwort/Stellungnahme gem. § 27 BezVG

Letzte Beratung: 11.04.2019 Ausschuss für Inneres, Bürgerservice und Verkehr Ö 12

Sachverhalt

Die Heimfelder Straße ist vor allem für verkehrsschwächere Verkehrsteilnehmer wie vor allem Radfahrer problematisch, unter anderem deshalb, weil bereits im Jahre 2012 der besonders gut erhaltene Radweg auf der Nordseite der Heimfelder Straße ersatzlos abgebaut wurde.  

Aktuell soll nun auch der auf der Südseite der Straße noch vorhandene  Radweg zwischen Milchgrund und Alter Postweg ersatzlos entfernt werden. Der Radverkehr soll künftig ausschließlich im Mischverkehr geführt werden. Erhöhte Sicherheitsrisiken für alle Verkehrsteilnehmenden sind die Folge. Denn das Radfahren im Mischverkehr ist dann besonders unfallträchtig, wenn die Breite der Fahrbahn zwischen 6 und 7 Metern, die Verkehrsstärke in der Spitzenstunde über 400 Kfz/h und die zugelassene Höchstgeschwindigkeit bei 50 km/h liegt. Dies sind Kriterien, die allesamt auf die Heimfelder Straße zutreffen.

Das Radfahren wird zudem weiter -entgegen der offiziellen Absicht des Senats- nicht gefördert, sondern behindert.

Denn viele Radfahrer mögen wegen des erheblichen Verkehrsaufkommens, vieler Busse und wegen hoher Geschwindigkeit vieler Fahrzeuge nicht auf der Fahrbahn fahren, sondern fahren aus Unsicherheit auf dem Bürgersteig oder verzichten dann ganz auf das Fahrrad.

Auch für Fußgänger, speziell für Kinder und ältere Menschen, stellt die Heimfelder Straße ein Gefahrenpotenzial dar. Der Kinderspielplatz an der Rennkoppel hat einen direkten Zugang von der Heimfelder Straße, weshalb viele auch jüngere Kinder die vielbefahrene Straße tagtäglich überqueren. Auch sind viele ältere Menschen in der nahe gelegenen Seniorenresidenz „Domicil“ und dem Alten-und Pflegeheim „Pflegen und Wohnen“ im Umfeld der Heimfelder Straße beheimatet, die in puncto Sicherheit von einer verkehrsberuhigten Straße profitieren würden.

 

Fachbehörden und Polizei sperren sich seit Jahren, verkehrsberuhigende Maßnahmen in der Heimfelder Straße anzuordnen, da es sich um eine Bezirksstraße mit gesamtstädtischer Bedeutung handele. Die Heimfelder Straße werde als wichtige Verbindungsachse zwischen der Landesgrenze Niedersachsen bzw. dem Ehestorfer Weg zum S-Bahnhof Heimfeld und zur Harburger Innenstadt genutzt und besitze darüber hinaus die wichtige Funktion einer Sammelstraße, argumentiert die Fachbehörde seit längerem. Die Anordnung etwa einer Tempo-.30-Zone wäre hier nur zulässig, wenn der Durchgangsverkehr eine untergeordnete Rolle spielte, so die Senatsbehörde.

Gerade in Anbetracht des erfolgenden für den Radverkehr ersatzlosen Rückbaus des Radweges an der Südseite der Straße drängt sich eine Verkehrsberuhigung jedoch geradezu auf.

Auf die Frage aus Drucksache 20/1737, welche Maßnahmen zwecks verbesserter Radverkehrsführung aus Sicht der zuständigen Behörde in der Heimfelder Straße in Betracht kommen, antworte die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI):

„Mögliche Radverkehrsführungen sind Mischverkehr, Teilseparation oder Separation. Der Baulastträger trifft im Rahmen eines umfassenden Abwägungsprozesses ein Ergebnis, welches regelmäßig einen Kompromiss aus der Bewertung aller unterschiedlichen Anforderungen an die Nutzung des begrenzten öffentlichen Straßenraums (fließender Verkehr, ruhender Verkehr, Aufenthalt, Außennutzung, Begrünung und Anwohnerschutz) darstellt. Diese Abwägung hierzu liegt im Zuständigkeitsbereich des Bezirksamtes Harburg.

Das Bezirksamt Harburg hält demgegenüber die Anordnung von Tempo 30 für vorzugswürdig. Auf obig bezeichnete Anfrage teilt es mit:  

Der Straßenraum ist zu eng für eine separate Führung des Radverkehrs auf Radwegen, Radstreifen oder Schutzstreifen. Dies wäre nur möglich, wenn die Parkstreifen und die Straßenbäume entfernt würden, was angesichts des Parkdrucks voraussichtlich zum illegalen Zuparken der Radverkehrsanlagen führen würde. Auch beim Bau eines einseitigen Schutzstreifens und Aufhebung eines Parkstreifens wäre der bauliche Aufwand mit erheblichem Eingriff in den straßenraumprägenden Baumbestand unverhältnismäßig. Aus Sicht des Bezirksamts als Straßenbaubehörde kommt daher nur die Anordnung einer Streckengeschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h in Betracht. Darüber konnte mit der oberen Straßenverkehrsbehörde, die die Beschilderung anordnen müsste, bisher kein Einvernehmen erzielt werden.“

Der Auffassung des Bezirksamts ist grundsätzlich zuzustimmen. Tempo 30 ist das Mittel der 1. Wahl, damit zügig und kostengünstig Verbesserungen für den Radverkehr und damit auch für die Fußgänger erreicht werden können.

Die Haltung der BWVI ist im Hinblick auf die Verkehrssicherheit im Ergebnis äußerst problematisch. So beharrt die Fachbehörde in ihrer neuesten Antwort auf die Anfrage der Neuen Liberalen, Drucksache  20/2821 zum Thema darauf, dass „die Prüfung der qualifizierten Gefahrenlage im Sinne von § 45 (9) StVO nach Bewertung der Verkehrsunfalllage vorgenommen“ wird. Angaben über Fahrbahnbreiten oder Verkehrsbelastung allein seien nicht geeignet, das allgemeine  Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) hinreichend zu begründen.

Demgegenüber steht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches bereits 2007 entschieden hat: „Eine Gefahrenlage auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, kann sich nicht nur aus der Streckenführung, sondern auch aus der Verkehrsbelastung der betreffenden Strecke ergeben, etwa einer ganz erheblichen Überschreitung der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke und einem überproportional hohen Anteil des Schwerlastverkehrs (siehe  BVerwG  v. 04.07.2007 - 3 B 79.06 )

Hier wie auch an anderen Stellen hat die Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass  eben nicht stets eine tatsächlich auffällige Unfalllage bestehen muss, bevor von einer qualifizierten Gefahrenlage ausgegangen werden kann.

Darüber hinaus ist auch die Lärmsituation in der Heimfelder Straße ein Faktor, der für die Einführung von Tempo 30 spricht. So geht aus der bürgerschaftlichen Anfrage der Fraktion die LINKE (Drucksache 21/9019) hervor, dass die Lärmwerte an der Heimfelder Straße westlich des Milchgrunds (Richtung Kiefernberg) nach RLS-90 bei tagsüber mindestens 66 dB(A) und nachts bei mindestens 60 dB(A) liegen. Damit ist die verkehrsbedingte Lärmbelastung für die Wohnbevölkerung in der Heimfelder Straße eindeutig zu hoch. Konsequente Geschwindigkeitskontrollen vorausgesetzt, würde Tempo 30 den gesundheitsgefährdenden Lärm besonders in den Abend- und Nachstunden reduzieren. Wenn man den Radverkehr fördern, die Verkehrssicherheit für alle erhöhen und den Verkehrslärm für die Anwohner reduzieren möchte, dann bleibt derzeit nur Tempo 30. Jede andere denkbare alternative Maßnahme würde nur ein Teil dieser Probleme lösen und insgesamt deutlich teurer werden.   

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