Stellungnahme zum gem. Antrag der GRÜNE-und SPD-Fraktion betr. Neue Perspektiven der Luftschadstoffmessung auch für Harburg?
Letzte Beratung: 24.10.2023 Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz Ö 1
Wie stark wir unter verschmutzter Luft leiden, hat im Jahr 2021 die Weltgesundheitsorganisation erneut deutlich gemacht. Seit ihrem letzten Bericht zur Luftverschmutzung 2005 habe es „einen deutlichen Anstieg in der Qualität und Quantität der Hinweise darauf gegeben, wie Luftverschmutzung die Gesundheit beeinträchtigt“.
Aus diesem Grund verschärfte die WHO ihre Empfehlungen für die Grenzwerte von Schadstoffen wie Feinstaub, Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid und Ozon. Die Europäische Umweltagentur rechnet zudem mit 63.000 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland durch Feinstaub (PM 2,5) und 9.000 durch Stickstoffdioxid.
Im Auftrag der BUKEA wird die Luftqualität in Hamburg derzeit an 15 ortsfesten und repräsentativ aufgestellten Messstationen überwacht.
Die Hintergrund-Messstationen sind jeweils für ein größeres Gebiet repräsentativ und dienen der allgemeinen Luftüberwachung. Sie erfassen die Schadstoffkomponenten Stickstoffdioxid (NO2) und -monoxid (NO), Feinstaub PM10 bzw. PM 2,5 und Schwefeldioxid (SO2). An den Verkehrs-Messstationen werden die für den Autoverkehr typischen Schadstoffe NO, NO2, Benzol, CO und Feinstäube gemessen. Sie sind nur für ihren Straßenabschnitt von wenigen hundert Metern Länge repräsentativ. Die Ozon-Messstationen ermitteln neben Ozon (O3) auch die NO2- und NO-Konzentrationen der Umgebung.
Im Bezirk Harburg befindet sich eine erweiterte Ozonmessstation in Neugraben, die keinen direkten Bezug zu stärker belasteten Luftbereichen des Bezirks hat. In der Vergangenheit hat es zusätzlich Stichprobenmessungen wie das Messprogramm Harburg-Seehafen und eine Reihe von temporären Passivsammlern für Stickstoffoxidmessungen an stark befahrenen Straßen gegeben
Im September 2021 startete in Hamburg das Projekt Air View. Ein Auto des Internetkonzerns Google misst die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid (NO2), Stickoxid (NO), Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO), Feinstaub (PM2, 5) und Ozon (O3) straßengenau in der Hamburger Innenstadt. Außerdem erfasst die im Auto eingebaute Street View-Technologie Bilder, die im Rahmen des Projekts dabei helfen sollen, Orte mit besonders hohen oder niedrigen Werten besser zu analysieren.
In Zusammenarbeit mit dem Science Lab der HafenCity Universität (HCU) soll eine interaktive Luftqualitätskarte entstehen. Gemeinsam mit der HafenCity Universität Hamburg und einer städtischen Arbeitsgruppe, die sich aus Vertreter:innen verschiedener Behörden und Institutionen zusammensetzt, sollen die Messdaten als visuelle Karten und Darstellungen aufbereitet und für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar gemacht werden. Ähnliche Messungen hat der Internetkonzern Google bereits seit 2015 in US-Städten sowie in Amsterdam, Kopenhagen London und Dublin durchgeführt. Hamburg ist die erste deutsche Großstadt in der das Projekt zunächst ein Jahr laufen soll. Die Kosten des Projekts trägt Google. Umweltsenator Jens Kerstan hatte den Start des Projektes grundsätzlich begrüßt.
Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten Vertreter:innen des Projektes Air View (wie die HCU) sowie der BUKEA in den Ausschuss für Klimaschutz, Umweltschutz und Verbraucherschutz (KUV) einzuladen, um über Ergebnisse, eine Bewertung des Projektes und seine Perspektiven für die Luftschadstofftransparenz in Hamburg zu berichten.
Insbesondere soll auch auf mögliche Auswirkungen der Erkenntnisse auf den Bezirk Harburg und eine potenzielle Einbeziehung des Bezirkes in das Projekt eingegangen werden.
Auch soll über Ergebnisse und Möglichkeiten von zusätzlichen (auch temporären) Erfassungen von Luftmesswerten im Bezirk über die feste Station in Neugraben hinaus berichtet werden.
BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG
DER VORSITZENDE
25. Juli 2023
Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) nimmt zu dem gemeinsamen Antrag GRÜNE – SPD (Drs. 21-2669) wie folgt Stellung:
Die BUKEA sieht von einer Referentenentsendung ab. AirView ist ein Projekt der HafenCity Universität Hamburg (HCU) mit der Firma Google, das Forschungszwecken dienen soll. Das Referat „Luftreinhaltung“ der BUKEA war zu keiner Zeit Projektpartner. Vielmehr wurde bereits zum Start des Projektes darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse des Projekts keinerlei Mehrwert für die Belange der Luftreinhaltung darstellen. Sie können weder amtlich erhobenen Messwerte ersetzen oder ergänzen.
Aus den folgenden Gründen können HCU-/Google-Forschungsergebnisse von der BUKEA-Luftreinhaltung nicht bewertet oder verwendet werden:
Für amtliche Messungen sind sowohl die Messmethodiken wie auch die sog. Datenqualitätsziele, wie bspw. Erfassungszeiten, Ort der Erfassung und Methodenfehler, europaweit in der EU-Luftqualitätsrichtlinie festgelegt. Hierüber werden die Rückführbarkeit und Vergleichbarkeit von Messdaten festgelegt.
• Sensoren müssen in einem sog. Äquivalenztest eine Eignungsprüfung durchlaufen, um den Rang einer geeigneten Messmethode (39. BImSchV) z.B. für „orientierende Messung“ zu erreichen. Für das Projekt war die Vorlage/Durchlaufen eines Äquivalenzverfahrens für die eingesetzten Sensoren nicht vorgesehen.
• Die Erfassung von Luftschadstoff-Konzentration im Verkehrsfluss ist in der heterogenen Verteilung im Straßenraum von vielerlei Randbedingungen (aktueller Verkehrsfluss, Abgasnormen vorausfahrenden Fahrzeuge, Sonneneinstrahlung, Wind, Bebauungssituation etc.) beeinflusst, sodass die EU-Richtlinie die Orte der Erfassung der Luftschadstoffkonzentrationen konkret vorgibt. Die Messung direkt auf der Fahrbahn darf nicht zur Beurteilung herangezogen werden.
• Für die Bewertung der Luftqualität gibt die 39. BImSchV Mindestmesszeiten vor. Für die Berechnung eines NO2-Stundenmittelwertes ist eine Mindestmessdauer von 8,4 Minuten erforderlich, für die Berechnung eines Tagesmittelwertes eine Mindestmessdauer von 3,4 Stunden und für die Berechnung eines Jahresmittelwertes die Mindestmessdauer von 1.226 Stunden.
• Es ist unabhängig von der skizzierten Sensor-/Probenahmeort-/Messzeit-Problematik nicht öffentlich vorgelegt, wie die erhaltenen Daten intern verarbeitet wurden. Damit bleiben für Dritte wichtige Fragen zu den Daten offen.
Die Datenerhebung gemäß 39. BImSchV zur Ermittlung und Bewertung der Luftqualität wurde in einem jahrzehntelangen internationalen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs entwickelt und wird seit vielen Jahren europaweit in der Praxis erfolgreich umgesetzt. Zur Bewertung der Luftqualität verfügt die Freie und Hansestadt Hamburg über aktuelle und flächendeckende Daten zur Luftqualität mit einer deutlich höheren Datenqualität. Die Messwerte werden stündlich mit Ortsbezug (hyperlokal) auf der Website des Hamburger Luftmessnetztes zur Verfügung gestellt https://luft.hamburg.de und sind auch über die App Luftqualität des Umweltbundesamtes (siehe unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftqualitaet/app-luftqualitaet) abrufbar .
Daten, die abseits der Qualitätsanforderungen der 39. BImSchV erhoben werden, sind nicht bewertbar und deshalb keine Ergänzung zu erhobenen Luftqualitätsdaten gemäß 39. BImSchV. Solche Daten sind weder im Rahmen der Aufstellung eines Luftreinhalteplans noch vor Gericht verwendbar. Bei einer sehr kurzzeitigen Erfassung eines Messwertes fehlt gänzlich der Bezug zur Beurteilung der Luftqualität und den daran gekoppelten möglicherweise hervorgerufenen gesundheitlichen Auswirkungen. Weiterhin können die auf der Straße gemessenen Konzentrationen aufgrund der heterogenen Luftschadstoffverteilung im Straßenraum nicht unmittelbar in gleicher Höhe auf die Aufenthaltsorte der Bevölkerung oder auf Flächen (Projekt: 500 x 500 m) übertragen werden. Zudem ist die Qualität der Messungen unbekannt, es werden Sensoren zur Messung eingesetzt, zu denen keine weiteren Informationen vorliegen.
Weitere Informationen zu amtlichen Messungen sind auf der Internetseite der Luftreinhaltung unter https://www.hamburg.de/luftreinhaltung/15444962/luftreinhaltung/ und https://www.hamburg.de/luftreinhaltung/15441214/luftreinhaltung/ zu finden.
gez. Heimath f.d.R Hille
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