Stellungnahme zum Gem. Antrag der GRÜNE- und SPD-Fraktion bet. Tempo 30-Strecke auf einem Teilabschnitt der Heimfelder Straße
Mit der Drucksache 21-1720.01 haben die zuständigen Fachbehörden die Anordnung von Tempo 30 für den gesamten Straßenzug Heimfelder Straße – Alter Postweg – Schwarzenbergstraße abgelehnt.
Das Anliegen bleibt aber für die Bürger*innen Heimfelds aktuell.
Die Heimfelder Straße ist die wichtigste Verkehrsader des Stadtbezirkes. Fahrbahn und Gehwege werden von vielen Menschen und Fahrzeugen benutzt, seien es Kraftfahrzeuge, Busse, Radfahrer*innen jeglichen Alters oder Fußgänger*innen mit und ohne begleitende Kinder.
In dem Abschnitt zwischen Alter Postweg und Eißendorfer Pferdeweg befindet sich geschlossene mehrgeschossige Wohnbebauung, zusammen mit verschiedensten Gewerbeobjekten des täglichen Bedarfs, vom Discounter über den Friseursalon bis zur Eckkneipe oder dem Döner-Imbiss. In diesem Abschnitt der Heimfelder Straße und angrenzend befinden sich außerdem mehrere soziale Einrichtungen: ein Kinderspielplatz, eine Schule, eine Kita, eine Seniorenwohnanlage, eine Seniorentagesstätte sowie eine Wohneinrichtung für psychisch erkrankte Menschen. Diese Einrichtungen weisen einen messbaren Zubringerverkehr mit Fahrrädern auf, ebenso das benachbarte Friedrich-Ebert-Gymnasium im Alten Postweg. Vor dieser Schule ist bereits eine Tempo-30-Strecke angeordnet, und zwar von der Einmündung Bissingstraße/Meyerstraße bis zum Beginn der Heimfelder Straße. Insofern wird auf § 45 Abs. 9 Nr. 6 StVO hingewiesen.
In der Heimfelder Straße waren bis 2012 zwischen dem Heimfelder Platz und dem Eißendorfer Pferdeweg Hochbord-Radwege vorhanden. Diese waren sanierungsbedürftig, konnten aber im gegebenen Straßenquerschnitt nicht regelkonform hergestellt werden. Deshalb wurden sie zu Gunsten breiterer Gehwege zurückgebaut, so dass ein regelkonformer Radverkehr seitdem nur noch auf der Fahrbahn möglich ist.
Jedoch wurde darauf verzichtet, als flankierende Maßnahme eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen. Dies führt bis heute dazu, dass der Radverkehr entweder regelwidrig auf den Gehweg ausweicht, oder die Radfahrenden sich auf der Fahrbahn einer subjektiven Gefahrenlage ausgesetzt sehen, die
nicht wenige als bedrohlich empfinden.
Der Anteil von Zweirädern am Verkehrsaufkommen hat sich in Heimfeld deutlich erhöht, sei es durch die gewachsene Wohnbevölkerung, die gestiegene Fahrrad-Mobilität (auch in der Corona-Pandemie), aber auch durch E-Bikes, Elektro-Kleinroller und Lastenfahrräder. Durch den Einsatz der Gelenkbusse der HOCHBAHN kann es auch öfters zu gefährlichen Überhol- und Begegnungssituationen kommen, mit Bussen, PKW und Fahrrädern.
Hinsichtlich des Busverkehrs ist folgendes festzustellen: Auf der 950 m langen Strecke zwischen Alter Postweg und Eißendorfer Pferdeweg werden insgesamt vier Haltestellen bedient (S-Bahn Heimfeld, Thörlstraße, Lohmannsweg und Eißendorfer Pferdeweg). Daher kann auf dieser Teilstrecke eine nachhaltige Beschleunigung auf 50 km/h kaum erreicht werden, wie man z.B. als Fahrgast leicht feststellen kann. Weil somit eine Verlängerung der Wegezeiten kaum zu erwarten ist, hat die HOCHBAHN in der Drucksache 21-1720.01 auch folgerichtig erkennen lassen: „Grundsätzlich denkbar wäre es, (...) ein ganztägiges Tempo-30-Streckengebot in Teilabschnitten umzusetzen.“ Als Bedingungen dafür wurden genannt: „konsequente LSA (Lichtsignalanlage)-Bevorrechtigungen, ein Verlegen aller Haltestellen in Fahrbahnrandlage, Park- und Halteverbote auf der Fahrbahn im gesamten Abschnitt sowie die konsequente Unterbindung von Falschparken durch geeignete Maßnahmen“. Diese Maßnahmen sind bereits erfolgt (Haltestellen in Fahrbahnrandlage) oder sollten ohne weiteres durchzuführen sein. Abschließend heißt es: „Unter diesen Umständen könnte die HOCHBAHN der abschnittsweisen Einführung von Tempo-30-Streckengeboten zustimmen“.
Im Ergebnis sollten die Voraussetzungen für die Anordnung einer Tempo-30-Strecke gemäß § 45 StVO, Abs. 9, Nr. 6 vorliegen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Verlängerung von Wegezeiten sowohl für Kfz als auch für Busse nicht oder nur unwesentlich zu erwarten ist.
Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, sich bei der zuständigen Fachbehörde dafür einzusetzen, dass auf der Heimfelder Straße auf dem Abschnitt Alter Postweg bis Eißendorfer Pferdeweg eine Tempo-30-Strecke angeordnet wird
Bezirksversammlung Harburg 20.10.2022
Der Vorsitzende
Die zentrale Straßenverkehrsbehörde Verkehrsdirektion (VD) 5 nimmt im Einvernehmen mit der örtlichen Straßenverkehrsbehörde des Polizeikommissariats (PK) 46 zu dem gemeinsamen Antrag GRÜNE und SPD-Fraktion Drs. 21-2420 wie folgt Stellung:
Lagebeschreibung
Bei der Heimfelder Straße handelt es sich um eine Bezirksstraße von gesamtstädtischer Bedeutung. Diese erschließt die angrenzenden Wohnstraßen und verteilt den Verkehr auf das übergeordnete Netz. Die angrenzenden Wohnstraßen sind in großen Teilen als Tempo 30-Zonen eingerichtet. Radverkehrsanlagen sind nicht vorhanden.
Bewertung
Gemäß § 45 Absatz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder den Verkehr umleiten. Diese Ermächtigung wird durch § 45 Absatz 9 StVO dahingehend eingeschränkt, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs wie z.B. Geschwindigkeitsbeschränkungen dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verkehrsverhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der im § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Das vielfach geäußerte Ansinnen, das Sicherheitsempfinden für Radfahrer und die Akzeptanz zur Nutzung der Fahrbahn zusätzlich durch Geschwindigkeitsbeschränkungen zu unterstützen, wenn kein Radweg, kein Schutzstreifen und kein Radfahrstreifen vorhanden sind, lässt außer Acht, dass das Radfahren auf der Straße bei Tempo 50 als nach § 3 Absatz 3 StVO „unter günstigsten Umständen zulässige Höchstgeschwindigkeit“ innerhalb geschlossener Ortschaften gesetzlich der Normalfall ist. Würde man der Argumentation folgen, müsste Tempo 30 auch auf sehr vielen anderen Straßen in Hamburg angeordnet werden.
Zudem müssen Kinder nach § 2 Absatz 5 StVO bis zum vollendeten achten Lebensjahr und dürfen Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr mit Fahrrädern Gehwege benutzen. Soweit ein Kind bis zum vollendeten achten Lebensjahr von einer geeigneten Aufsichtsperson begleitet wird, darf diese Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen.
Eine Unfallauswertung der letzten drei Jahre (01.01.2019-31.12.2021) ergab bezüglich der Unfallursache Geschwindigkeit und der Unfallbeteiligung zu Fuß Gehende und Rad Fahrende ein unauffälliges Lagebild. Es sind auch sonst keine Hinweise auf erhebliche Gefahrenlagen vorhanden.
Einer Gefahrenlage bedarf es gemäß § 45 Absatz 9 Satz 4 Ziffer 6 StVO nicht bei innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h auf Straßen des überörtlichen Verkehrs oder auf weiteren Vorfahrtsstraßen im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern.
Mit dieser Neuregelung des § 45 Absatz 9 Satz 4 Ziffer 6 ist kein Automatismus verbunden, dass Tempo 30 vor den Einrichtungen stets anzuordnen ist. Es ist weiterhin eine Einzelfallprüfung und eine Gesamtabwägung erforderlich. Gemäß dem inhaltlich unveränderten § 45 Absatz 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen weiterhin nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.
Die Hamburger Richtlinien zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) sind zu beachten.
Gemäß der HRVV muss die soziale Einrichtung mit einem direkten Zugang zur Straße ausgestattet sein.
Alten- und Pflegeheime im Sinne des § 45 Absatz 9 Ziffer 4 Satz 6 stellen alle Einrichtungen für vollstationäre Pflegeinrichtungen sowie Tagespflegeeinrichtungen nach § 72 SGB XI dar.
Die Michelschule in der Woellmerstraße 1 und die Pflegeeinrichtung in der Rennkoppel haben keinen Zugang zur Heimfelder Straße. Bei den anderen genannten Pflegeeinrichtungen handelt es sich nicht um Pflegeeinrichtungen nach § 72 SGB VI. Spielplätze gelten nicht als soziale Einrichtung gemäß der StVO.
Fazit
In der Heimfelder Straße sind keine Gefahrenlagen erkennbar, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigen. Es fehlt hiermit an der erforderlichen Rechtsgrundlage, Tempo 30 anzuordnen.
Der VD 51 sind keine sozialen Einrichtungen in der Heimfelder Straße bekannt, die den in der HRVV genannten Kriterien entsprechen. Daher kann eine streckenbezogene Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 gemäß § 45 Absatz 9 Satz 4 Ziffer 6 StVO ebenfalls nicht angeordnet werden.
Das PK 46 wird die Verkehrsverhältnisse weiterhin im Rahmen der personellen Möglichkeiten und Prioritätensetzungen vor Ort beobachten, begleiten und ggf. die zur Verkehrssicherheit erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
gez. Heimath
f.d.R.
Wyzinski