20-3716.01

Stellungnahme zum Antrag SPD betr. Mängel bei der Pflegeheimkontrolle

Antwort / Stellungnahme des Bezirksamtes

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
08.04.2019
Sachverhalt

Der demografische Wandel bringt eine immer weiter steigende Anzahl an Menschen mit sich, die in Pflegeheimen, oder durch ambulante Pflegedienste versorgt werden müssen. Zur gleichen Zeit herrscht ein drastischer Pflegepersonalmangel vor. In pflegewissenschaftlichen Studien, wie z.B. der RN4Cast-Studie (www.rn4cast.eu) wurde der Zusammenhang zwischen Personalmangel und der Gefährdung der Patientensicherheit aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser Studie sind sicherlich auch auf die Personalsituation in Pflegeeinrichtungen übertragbar. Auch in den Medien werden immer wieder Mängel in der Versorgung der Pflegebedürftigen öffentlich gemacht, so wurde zum Beispiel im NDR in Panorama 3 über einen Pflegereport in Norddeutschen Pflegeheimen berichtet.

Zitat einer Betroffenen: "Unsere Mutter ist ja nicht mehr in der Lage gewesen einen Löffel oder eine Gabel in die Hand zu nehmen", erzählt Esther Schweizer. Ihre Mutter war in einem Hamburger Pflegeheim untergebracht. "Es gab dann so eine Situation, das werde ich auch im Leben nicht mehr vergessen, weil sie hat dann wie so ein Kind, immer ihre Hand genommen und ihre Finger zu diesem Suppenteller geführt, und versucht, diese Suppe rauszukriegen." Fassungslos spricht Esther Schweizer eine Pflegerin an: "Ich sag: was machen wir jetzt? Und dann gucken sie letztendlich in ein Gesicht einer Pflegekraft, die sie fast genauso hilflos angeguckt, wie die eigene Mutter."

Die Prüfquote in Hamburger Pflegeheimen lag nach der Berichterstattung im Jahr 2016 bei 8 % und 2017 bei 22 % bei der Regelprüfung. Das schlechteste Ergebnis aller norddeutschen Bundesländer.  

Im Jahr 2017 wurden im Bezirk Hamburg Mitte von 45 Heimen kein einziges wie vorgeschrieben geprüft. Im Bezirk Wandsbek liegt die Prüfquote nur bei 9,7 Prozent, hier sind von 103 Prüfungen nur zehn durchgeführt worden, im Bezirk Bergedorf sind nur vier von 24 vorgeschriebenen Prüfungen absolviert worden. Die Begründungen in Hamburg sind ebenfalls eine zu hohe Anzahl an anlassbezogenen Prüfungen, aber auch fehlendes Personal in der Heimaufsicht.  Bereits im Evaluationsbericht zur Wohnpflegeaufsicht (WPA) vom Mai 2017 heißt es: „Dass es in den Routinen des Alltages immer wieder zur Verletzung der Interessenslagen und Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer kommt, war im Evaluationsprozess unbestritten und unterstreicht die Bedeutung des Heimrechts mit seiner menschenrechtlichen und advokatorischen Ausrichtung und der im Bedarfsfall zur Intervention aufgerufenen WPA.“

Petitum/Beschluss

Die Verwaltung wird gebeten die entsprechenden Zahlen für den Bezirk Harburg in Verbindung mit der Anzahl der Einrichtungen darzustellen und im Ausschuss für Soziales, Bildung und Integration zu berichten. Die Mitglieder des Ausschusses für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sind zu diesem Tagesordnungspunkt einzuladen.

Des Weiteren sollen die Ergebnisse der Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in diese Erläuterungen einfließen.

 

FREIE UND HANSESTADT HAMBURG

Bezirksamt Harburg

 

 

  14.09.2018

 

 

Das Bezirksamt Harburg nimmt zu dem Antrag der SPD Fraktion (Drs. 20-3716) wie folgt Stellung:

 

Der Bezirk Harburg hat aktuell insgesamt 73 Einrichtungen/Dienste, die unter das HmbWBG fallen und in unterschiedlicher Art und Weise überprüft werden sollen. Davon befinden sich im Bezirk zurzeit 12 Einrichtungen der Altenpflege und 10 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 22 ambulante Pflegedienste sowie 2 ambulante Dienste der Behindertenhilfe.

In 2017 wurden im Bezirk Harburg 4 Einrichtungen aus dem Bereich der Altenpflege regelhaft überpft. Das entsprach der zwischen den Bezirken und der BGV vereinbarten Überprüfungsquote von 30 % der Alten und Pflegeheime für das Jahr 2017. Die Einrichtungen der Behindertenhilfe sollten nur nachrangig bzw. risikoorientiert überprüft werden. Anlässe, die eine Überprüfung im Behindertenbereich erforderlich gemacht hätten, gab es in 2017 nicht.

2017 wurden 35 anlassbezogene Überprüfungen in den stationären Altenpflegeeinrichtungen durchgeführt. Im Bezirk Harburg hat die WPA bis auf eine Einrichtung alle Altenpflegeeinrichtungen, teilweise auch mehrmals, anlassbezogen bzw. regelhaft überprüft. Zu der Einrichtung, die 2017 weder anlassbezogen noch regelhaft überprüft wurde, gab es unterjährig mehrere Arbeitskontakte; vom MDK wurde sie mit einem sehr guten Prüfergebnis im November 2017 geprüft. Aus diesen Gründen erfolgte die regelhafte Prüfung im Januar 2018.

Von den ambulanten Pflegediensten wurde 2017 keiner stichprobenartig/regelhaft überprüft, es wurden 20 anlassbezogene Überprüfungen durchgeführt. Der Zeitaufwand für die anlassbezogenen Überprüfungen der Pflegedienste war teilweise sehr hoch. In zwei Fällen führten die Überprüfungen zu Untersagungen von zwei ambulanten Pflegediensten. Bei einem der untersagten Dienste handelte es sich um einen Intensivpflegedienst, bei dem gravierende Mängel auftraten und personelle Anforderungen nicht erfüllt wurden.

Generell kann sowohl für den stationären als auch für den ambulanten Pflegebereich festgestellt werden, dass sich der Mangel an Pflegepersonal bemerkbar macht. Im stationären Bereich werden zunehmend von den Einrichtungen nicht mehr alle Plätze belegt, da die Einrichtungen eine adäquate Versorgung der Bewohner sonst nicht mehr gewährleisten können. Die Gründe für anlassbezogene Prüfungen der WPA haben häufig ihre Ursache im Bereich des Personalmanagements. Ähnliches gilt auch für den Bereich der ambulanten Pflegedienste, hier können Patienten häufig nicht mehr angenommen werden, bzw. nicht im erforderlichen pflegerischen Umfang versorgt werden. Auch hier macht sich bemerkbar, dass zu wenig oder nicht ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden ist.

Zum Aspekt „Prüfungsergebnisse MDK“:

Die WPA erhält die Prüfberichte des MDK zur Kenntnis. Sollte es in den Berichten Hinweise auf gravierende Mängel geben, führt die WPA eigene Überprüfungen durch, ggf. nach Rücksprache mit den Pflegekassen. 2017 gab es zwei Fälle in der ambulanten Pflege, bei denen die WPA mit den Pflegekassen/MDK zusammengearbeitet hat. 

Die Prüfungen des MDK beinhalten schwerpunktmäßig den Bereich der Pflege, die von der WPA bei Regelbegehungen grundsätzlich nicht abgeprüft wird. Darüber hinaus prüft der MDK noch folgende Bereiche:

  • Gestaltung der Wohnräume
  • Regelungen zur Bezugspflege
  • Bewohnerorientierter Personaleinsatz
  • Erste Hilfe Schulungen
  • angemessenes Hygienemanagement
  • Verpflegung (Speiseangebot)
  • Angebote von Betreuungsleistungen
  • Sterbebegleitung.

 

Außerdem werden 9 Bewohner stichprobenartig ausgewählt,  bei denen der Pflegezustand überprüft wird und die ausführlich zu ihrer Zufriedenheit befragt werden. Grundsätzlich liegt der Schwerpunkt der MDK- Begehungen in der Überprüfung, ob die von den Pflegekassen finanzierten Leistungskomplexe von den Einrichtungen adäquat erbracht werden. Der MDK handelt im Auftrag der Pflegekassen.

Die Regelprüfungen der WPA sind dagegen modulhaft ausgerichtet, 2017 wurde das Prüfmodul „Selbstbestimmung und Teilhabe“ bearbeitet. Diese Prüfung erfolgt sehr detailliert, dabei werden zahlreiche Befragungen von verschiedenen am Betreuungsprozess beteiligten Personengruppen durchgeführt. Es werden auch hier 9 Bewohner befragt, sowie Leitungskräfte, Mitarbeiter, Wohnbeirat und ggf. Angehörige. Zusätzlich werden die sogenannten „Verbraucherrelevanten Kriterien“ wie

  • Umgang mit kulturellen und religiösen Bedürfnissen
  • Gestaltung der Bezugsbetreuung
  • individuelle Gestaltung des Tagesablaufs
  • Sicherstellung der Wahrnehmung wichtiger Termine
  • Verpflegung
  • Aufenthalt im Freien
  • Teilnahmemöglichkeiten am Einrichtungsleben von schwerpflegebedürftigen Menschen
  • Begleitung in der Sterbephase abgeprüft.

 

In einigen Bereichen gibt es thematische Überschneidungen zu den MDK Prüfungen. Die WPA prüft als unabhängige, neutrale behördliche Instanz auf rechtskonforme und fachlich einwandfreie Ausgestaltung des Einrichtungsbetriebs.

Bemühungen der bezirklichen Gesundheitsämter gegenüber der BGV, mit dem MDK Gespräche mit dem Ziel einer hamburgweiten Koordination /Abstimmung der Begehungen von MDK und WPA zu führen, blieben leider erfolglos.

 

gez. Trispel