Stellungnahme zum Antrag NEUE LIBERALE: Weiterführung der U4 nach Harburg - neue Pläne für Wohnungsbau auf dem Kleinen Grasbrook machen Bedarf unübersehbar
Die SPD hat noch in der vorletzten Wahlperiode einen Weiterbau der U4 bis zu den Elbbrücken abgelehnt (Drs. 19/8336).
In der Folgezeit hatte der Senat jedoch erkannt, dass eine Weiterführung der U4 bis zu den Elbbrücken für die Entwicklung der östlichen HafenCity unerlässlich ist und sich deshalb für den Weiterbau bis zu den Elbbrücken entschieden. Die neue U-Bahnstation „Elbbrücken“ soll bereits im Jahre 2018 fertiggestellt sein und künftig auch die bestehende Linie S3/S31 anbinden.
Eine über die geplante Haltestelle Elbbrücken hinausgehende Streckenführung der Linie U4 war seitens des Senats jedoch zunächst nicht vorgesehen. (vgl. Drs. 20/8715)
Der Senat spricht in seiner Drucksache zum Thema „Langfristige Weiterentwicklung des U-Bahn-Netzes (Drs.20/3739) von zusätzlichen Strecken mit langfristig hohen Nachfragepotenzialen und erwähnt dabei eine Verlängerung der U4 bis Wilhelmsburg/Kirchdorf.
Mit einer Verlängerung der U4 über die in Bau befindliche Haltestelle Elbbrücken hinaus in Richtung Süden könnten perspektivisch die Quartiere Reiherstiegviertel und Wilhelmsburg Mitte sowie die Großwohnsiedlung Kirchdorf Süd an das U-Bahn-Netz angebunden und insbesondere die Busverkehrsleistungen der MetroBus-Linie 13 ersetzt werden, so der Senat.
Es sei jedoch absehbar, dass für eine positive Nutzen-Kosten-Relation eines derartigen Projekts erhebliche städtebauliche Nachverdichtungen durch Wohnungsneubau im Bereich der Elbinsel und des Kleinen Grasbrooks erforderlich wären.
Lediglich für den Fall einer erfolgreichen Bewerbung um künftige Olympische Sommerspiele sah der Senat eine deutlich zügigere städtebauliche Entwicklung des Kleinen Grasbrooks und damit auch eine Verlängerung der U4 Richtung Süden als realisierbar an.
Nach dem Olympia-Aus für Hamburg sind seitens des Senats keinerlei Initiativen erkennbar, die auf eine Verlängerung der U4 Richtung Hamburger Süden zielen.
Der Senat hat bisher auch keine Anstrengungen unternommen- über vereinzelt vorhandene Untersuchungen hinaus (vgl. Drucksache 20/8715) systematisch und umfassend mögliche Trassenführungen der U4 nach Süden zu untersuchen.
Es sprechen gleichwohl etliche Argumente dafür, zügig einen Weiterbau der U4 Richtung Hamburger Süden in Angriff zu nehmen.
So hat bereits vor 2 Jahren ein Vorschlag des Politikwissenschaftlers Michael Rothschuh aus Wilhelmsburg öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Er schlugt vor, die U4 als Stadtbahn oberirdisch auf der jetzigen Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße entlang zu führen, wenn die Bundesstraße voraussichtlich 2019 verlegt wird. U-Bahnzüge könnten mit einem zweiten Stromabnehmer ausgestattetet werden, damit sie ebenerdig auf einer eigenen Fahrspur auf der Straße und unterirdisch im Tunnel fahren können, so der Vorschlag. Tatsächlich existieren derartige Verkehrssysteme bereits, so zum Beispiel in Hannover.
Eine U-Bahn als Stadtbahn zu planen- wie es bereits 2014 auch die Handelskammer Hamburg ins Gespräch gebracht hat- würde deutlich kostengünstiger sein als sie mit viel Aufwand tief unter der Erde zu bauen.
Die Interessenkonflikte, die in vielen dichter besiedelten Gegenden der Stadt mit einer überirdischen Streckenführung verbunden wären, würden bei einer Streckenführung auf der dann verlegten Wilhelmsburger Reichsstraße weitgehend entfallen.
Das Senatskonzept "Hamburgs Sprung über die Elbe - Zukunftsbild 2013+" lässt zudem offen, wie der öffentlichen Personennahverkehr die erwarteten zusätzlichen Menschen in den zahlreichen neuen Wohnungen in Wilhelmsburg aufnehmen soll, ganz zu schweigen von den umfangreichen Bauvorhaben im Bezirk Harburg.
Allein in Wilhelmsburg sind ausgedehnte neue Wohngebiete im Bereich der durch die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße frei gewordenen Flächen vorgesehen. Die Rede ist von bis zu 5.000 Wohnungen mit circa 10.000 bis 15.000 neuen Bewohnern. Die gesamte Einwohnerzahl von Wilhelmsburg steigt damit auf weit über 60.000.
Die positive Entwicklung und der weitere deutliche Bevölkerungszuwachs in Wilhelmsburg und Harburg sowie die lange bestehenden Kapazitätsengpässe der S-Bahn machen eine weitere Schienenverbindung in den Hamburger Süden dringend erforderlich.
In Anbetracht der bereits dauerhaft vorhandenen Überlastung der S-Bahnstrecke nach Harburg und der weiterhin stetig steigenden Fahrgastzahlen der S31 und S3 ist der Bedarf für eine U4 offensichtlich. Denn täglich fast 130.000 Pendler/innen nutzen bereits heute die Strecke in Richtung Hauptbahnhof an Werktagen.
Neuste Wohnungsbaupläne des Hamburger Senats für den Kleinen Grasbrook machen erneut deutlich, wie aktuell und wichtig der weitere Ausbau des ÖPNV in Richtung Hamburger Süden ist.
Denn entgegen den zunächst erklärten Absichten nach dem Olympia-Aus in Hamburg sollen Großteile der Elbhalbinsel südlich der Elbbrücken nun doch für den Wohnungsbau erschlossen werden. Damit steigt der Druck, die demnächst bis zu den Elbbrücken führende U4 nach Wilhelmsburg und Harburg zu verlängern.
Eine zügige Realisierung einer U4 Verlängerung würde zugleich die Entwicklung auf dem Grasbrook, auf der Veddel und in Wilhelmsburg beflügeln. Denn erfahrungsgemäß ist es günstiger, schneller und insgesamt sinnvoller, wenn man erst die Infrastruktur schafft und dann die Wohn- und Gewerbegebäude ansiedelt, wie im Falle der frühzeitigen Realisierung der U4 zwischen HafenCity Universität und Elbbrücken zu beobachten ist.
Stets muss es verkehrspolitisches Ziel sein, dem so genannten Bedarf für den ÖPNV einen Schritt voraus zu sein, statt dem Bedarf hinterher zu hinken. Denn attraktive Angebote bringen oft eine erhöhte Nachfrage mit sich. Vor diesem Hintergrund ist zügiges Handeln mehr als dringend geboten.
Die Vorsitzende der Bezirksversammlung wird aufgefordert, sich beim Hamburger Senat und den zuständigen Fachbehörden dafür einzusetzen, dass eine umfassende Machbarkeitsstudie zur möglichen Verlängerung der U4 nach Harburg veranlasst wird. Die Studie soll mehrere denkbare Varianten des Streckenverlaufs und der Streckenführung einbeziehen und auch den Vorschlag, eine U4 teilweise auch überirdisch auf der jetzigen Wilhelmsburger Reichstraße zu führen, berücksichtigen.
Über das Ergebnis der Bemühungen und den Fortschritt in der Angelegenheit soll dem Verkehrsausschuss schriftlich berichtet werden.
Antrag der Abgeordneten Kay Wolkau, Isabel Wiest, Barbara Lewy
Harburg, 06.09.2018
Kay Wolkau
Fraktionsvorsitzender
f. d. R.
Bezirksversammlung Harburg 30.10.2018
Die Vorsitzende
Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation nimmt auch auf Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG zu dem Antrag Neue Liberale Drs. 20-4010 wie folgt Stellung:
Im Rahmen der bisherigen Planungs- und Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der U4 wurden Optionen zu deren Weiterführung in Richtung Wilhelmsburg / Harburg berücksichtigt. Es besteht derzeit die Möglichkeit, die Linie im Anschluss an die in Bau befindliche vorläufige Endhaltestelle U Elbbrücken mittels einer Brücke über die Norderelbe auf den Kleinen Grasbrook zu verlängern. Mögliche Trassenverläufe auf dem Kleinen Grasbrook waren Gegenstand einer Machbarkeitsuntersuchung im Zuge der Vorbereitung einer Bewerbung Hamburgs um die Ausrichtung von Olympischen und Paralympischen Sommerspielen. Auch hierbei war die Wahrung von Verlängerungsoptionen in Richtung Süden eine wesentliche Planungsvorgabe.
Eine verkehrlich sinnvolle und baulich grundsätzlich vorstellbare Weiterführung ab Kleiner Grasbrook über Reiherstiegviertel, Mengeplatz und Mitte Wilhelmsburg nach Kirchdorf Süd wird in der Konzeptstudie zur U-Bahn-Netzerweiterung aus dem Jahr 2014 dargestellt (http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/4ce82603-91b5-461c-8efa-e83c6746f194/Akte_745.3410-036.pdf).
Eine Trassenführung im Korridor der heutigen Wilhelmsburger Reichstraße wurde ebenfalls betrachtet, jedoch aufgrund der Nähe zur bestehenden S-Bahn-Trasse sowie der großen Entfernung zu wichtigen Aufkommensschwerpunkten verworfen.
Sowohl in der Konzeptstudie als auch in der Bürgerschaftsdrs. 20/13739 wird dargelegt, dass eine Verlängerung der U4 nach Wilhelmsburg gegenüber der Umsetzung anderer Ausbaumaßnahmen des Schnellbahnnetzes als nachrangig anzusehen ist und daher über eine langfristige Umsetzungsperspektive verfügt. Wesentlicher Grund ist, dass die vorhandene S-Bahn-Verbindung zwischen Harburg, Wilhelmsburg und der Innenstadt aufgrund des großen Haltestellenabstands sehr kurze Reisezeiten ermöglicht und grundsätzlich ausreichend leistungsfähig ist. Dementsprechend müsste eine verlängerte U4 als zusätzliche Schnellbahn-Linie in diesem Bereich eine flächenmäßige Erschließung der aufkommensstarken Gebiete sicherstellen, die bisher nicht direkt an die S-Bahn angebunden sind. Es ist absehbar, dass dies nur dann wirtschaftlich umsetzbar wäre, wenn in diesen Bereichen in erheblichem Umfang städtebauliche Nachverdichtungen stattfinden. Auch in Kenntnis der seit dem Jahr 2014 neu geplanten Wohnungsbauvorhaben im Bereich Wilhelmsburg gilt diese Einschätzung im Grundsatz weiterhin.
Der Streckenabschnitt Hauptbahnhof – Harburg ist der nachfragestärkste Abschnitt der S-Bahn Hamburg mit täglich etwa 130.000 Fahrgästen und über 150 Fahrten pro Richtung. Mit Start des neuen Verkehrsvertrages „Verkehrsleistung S-Bahn Hamburg 2018-2033“ im Dezember des Jahres 2018 steht ein modernisierter und erweiterter Fahrzeugpark zur Verfügung, der es ermöglicht, das Angebot grundsätzlich auszuweiten und den Bedürfnissen weiter anzupassen. Hierbei wird mit dem erweiterten Fahrzeugpark das Maximum an Kapazitätsangebot auf der Achse möglich: Zukünftig werden in der Hauptverkehrszeit auf der Linie S3 Langzüge (Zugverband aus drei Einheiten mit insg. knapp 1.500 Plätzen) und auf der Linie S31 Vollzüge (Zugverband aus zwei Einheiten mit insg. knapp 1.000 Plätzen) in einer Taktfolge von jeweils zehn Minuten eingesetzt.
Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, die S-Bahn Hamburg GmbH sowie DB Netz arbeiten mit Hochdruck an den Planungen und der Finanzierung der technischen Ertüchtigung der Strecke Harburg Rathaus – Hauptbahnhof für einen möglichen 120-Sekunden-Takt, so dass auf diesem Streckenabschnitt in der Hauptverkehrszeit eine dritte Linie eingesetzt und eine Kapazitätserweiterung ermöglicht werden kann. Für den Betrieb der geplanten Linie S32 (Harburg Rathaus – Hauptbahnhof – Altona) sind im Jahr 2016 vorausschauend zwölf Fahrzeuge beschafft worden, die ab Dezember des Jahres 2018 als betriebliche Vorstufe den bereits erwähnten Langzugeinsatz auf der Linie S3 ermöglichen.
gez. Rajski
f.d.R.
Wyzinski