Stellungnahme zum Antrag DIE LINKE betr.: Harburg für alle! - Anbieter von E-Scootern durch Sondernutzungserlaubnis in die Pflicht nehmen!
Mit der Freigabe von Elektro-Kleinstfahrzeugen für den öffentlichen Straßenverkehr im Jahre 2019 etablierte sich ein neues Geschäftsmodell auf Hamburgs Straßen: Das Bereitstellen und Vermieten von zunächst E-Scootern, später auch E-Fahrrädern und Motorrollern im öffentlichen Raum. Mit Bezugnahme auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Hamburg aus dem Jahr 2009 (Az. 2 Bs 82/09) weigerte sich der Hamburger Senat, die Bereithaltung von Rollern im öffentlichen Raum als Sondernutzung einzustufen und schloss freiwillige Vereinbarungen mit den Anbietern von E-Rollern.
Diese Strategie der freiwilligen Vereinbarungen ist gescheitert. Allein in den Monaten Oktober bis Dezember stellten zwei Teams der Stadtreinigung 12.820 Fahrzeuge von den Rad- und Gehwegen auf geeignete Abstellflächen um. Das waren pro Arbeitstag 203 Fahrzeuge. Nach Auskunft des Senats (Drs. 22/10741 der Bürgerschaft) haben sich die Anbieter bis dato an den monatlichen Kosten dieses Modellprojektes in Höhe von 41.560 € nicht beteiligt.
Andere Städte, wie Bremen oder Düsseldorf, nutzten von Anfang an die Möglichkeit, die E-Roller per Sondernutzungserlaubnis zu regulieren. Diese Ansicht teilt mittlerweile auch das Oberverwaltungsgericht Münster (Az. 11 B 1459/20).
In anderen aktuellen Verfahren wurde eine jährliche Sondernutzungsgebühr der Stadt Köln in Höhe von 130 € pro Scooter vom Verwaltungsgericht nicht beanstandet. Auch die Städte Düsseldorf, Nürnberg und Dresden erheben zum Teil erhebliche Gebühren.
In diesen Städten ist geplant, die Zahl der Scooter durch eine Ausschreibung zu begrenzen und an Qualitätskriterien zu binden. So soll es Vorgaben zu Umweltstandards, Arbeitsbedingungen und Reaktionszeit bei Parkverstößen geben.
Die Scooter tragen auch nicht zu einer Verkehrswende bei. Im Januar 2022 veröffentlichte die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich eine Untersuchung zur Nutzung der E-Scooter (abrufbar unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1361920921004296?via%3Dihub ). Die Forscher:innen beobachteten in Zürich, dass nur in 12% der Fälle die Nutzung eines E-Scooters eine Autofahrt ersetzte, hingegen in 51% der Fälle einen Fußweg und in 19% der Fälle eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In einer Gesamtbilanz der Treibhausgasemissionen (einschließlich Herstellung, Aufladung, Transporte innerhalb der Stadt) liegt der Leih-E-Scooter mit etwa 110 g CO2 pro Personenkilometer nur wenig unterhalb der Emissionen von Autos (etwa 130 g CO2 pro Personenkilometer).
Der Vorsitzende der Bezirksversammlung empfiehlt den zuständigen Fachbehörden zu prüfen, ob die bisherige Rechtsauffassung – bei den ausleihbaren E-Scootern handele es sich um einen Gemeingebrauch der Wege – noch aufrechterhalten bleiben kann.
Gegebenenfalls ist für die bestehenden Verleiher:innen eine Sondernutzungsgebühr pro E-Scooter zu erheben.
Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende wird aufgefordert, in Kooperation mit dem Bezirksamt Harburg und den übrigen Bezirksämtern der Stadt eine Konzeption für eine künftige Ausschreibung des E-Scooter-Verleihs auf öffentlichen Wegen zu erarbeiten.
BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG
Der Vorsitzende
06.07.2023
Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende nimmt zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Die BVM untersucht und bewertet fortlaufend die u.a. auch für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren maßgebliche Frage, ob das Abstellen gewerblich angebotener (Kraft-)Fahrzeuge im Rahmen des stationsunabhängigen Sharing als Gemeingebrauch oder als Sondernutzung anzusehen ist. Insbesondere Entwicklungen und Gerichtsentscheidungen aus dem Land Nordrhein-Westfalen sind der BVM bekannt.
Ungeachtet dessen, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 11. Mai 2023 (Az. 11 B 96/23) die konkrete Ausgestaltung der im Text unter Verweis auf eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung angesprochenen Sondernutzungsgebühr durch die Stadt Köln mittlerweile für rechtswidrig befunden hat, ist die Ausgangsfrage weiterhin nicht abschließend geklärt: Bereits mit Urteil aus dem Jahr 1982 hatte das Bundesverwaltungsgericht (Az. 7 C 73/79) auf öffentlichen Straßen abgestellte Mietwagen als „Gemeingebrauch“ eingestuft. Dieser Einschätzung hat sich das Hamburgische Oberverwaltungsgericht im Jahr 2009 (Az. 2 Bs 82/09) für Mietfahrräder angeschlossen. Unlängst hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 (1 S 56/22) entschieden, dass stationsunabhängiges, gewerbliches Sharing von Kraftfahrzeugen nicht als Sondernutzung, sondern als „Gemeingebrauch“ anzusehen ist. Der Grund hierfür sei, dass auch solche Fahrzeuge vorrangig zu Verkehrszwecken bereitgestellt würden und damit anders zu beurteilen seien als das Angebot verkehrsfremder Waren oder Dienstleistungen auf öffentlichen Straßen.
Die Annahme einer Sondernutzung ließe prinzipiell auch eine Ausschreibung bzw. Vergabe zu. In diesem Fall würden die Bezirksämter in die Konzeptionierung eingebunden werden. Im Übrigen wurden im Zusammenhang mit unsachgemäß abgestellten E-Scootern bereits Verwarn- bzw. Bußgelder in Höhe von rund 200.000 Euro beigetrieben.
gez. Heimath
f.d.R.
Riechers
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