Stellungnahme zum Antrag der GRÜNE-Fraktion betr. Verringerung von Luftschadstoffen durch vermehrte Bindung an Pflanzen und Chemikalien?
Ach in Hamburg gelten die EU-Grenzwerte für in der Außenluft enthaltene Feinstäube und Stickoxide. Werden diese Grenzwerte überschritten, so müssen Schritte zur Senkung der Belastung von Mensch und Umwelt unternommen werden. Hierfür sollen Aktionspläne erstellt werden (z.B. Luftreinhalteplan), die konkrete Maßnahmen vorgeben. Zusätzlich ist die Reduktion des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid ein erklärtes politisches Ziel.
Wirksame Maßnahmen greifen meist direkt an den Immissionsquellen an und vermindern dort den Ausstoß. Andere verteilen die Immissionen auf eine größere Fläche, so dass Grenzwerte formal eingehalten werden können.
Es stellt sich zusätzlich die Frage, ob und wie bereits erfolgte Immissionen durch eine verstärkte Bindung an Pflanzen und durch spezielle chemische Reaktionen vermindert werden können.
So sind bestimmte Pflanzen besonders zu Adsorption und Absorption von Feinstäuben und gasförmigen Schadstoffen geeignet. Die Größe und die Art der Bepflanzung spielt hierbei bei der direkten Bindung und der Beeinflussung von Luftströmungen eine Rolle. Die wirksame Pflanzenmasse ließe sich insbesondere im Innenstadtbereich durch zusätzliche Dach- und vertikale Fassadenbegrünungen steigern. Mit der gezielten Begrünung von Straßen und Häuserwänden könnte die Luft deutlich verbessert werden. Zu diesem Ergebnis kommt bereits 2012 eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie. Bislang war man von einer Qualitätssteigerung von rund zwei Prozent ausgegangen, laut der Studie ist es aber mehr als das Zehnfache.
City-Tree-Mooswände sind eine Innovation, die gerade in vielen europäischen und deutschen Großstädten erprobt wird. Auch in Hamburg wurde ein solches Projekt 2017 auf dem Firmencampus von ECE eingeweiht. Bei dem „City Tree“ handelt es sich um ein freistehendes vertikales Pflanzendisplay, das mobil und flexibel im Stadtraum aufstellbar ist. Der „Stadtbaum“ wirkt wie ein Filter und bindet Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide und CO2 aus der Luft. Die quadratische, vier Meter hohe Konstruktion ist mit speziellen Mooskulturen verkleidet und produziert zudem Sauerstoff. Laut dem Entwickler absorbiert ein „City Tree“ so viele Luftschadstoffe wie 275 herkömmlich gepflanzte, ausgewachsene Bäume. Eine Weitentwicklung des Fraunhofer Instituts Umsicht wurde als Patent zur vertikalen Begrünung mit Gräsern und Moos auf variablen Kalksandsteinen angemeldet.
Auch die die Verwendung von Titandioxid in Straßenbelägen und Wänden wird zunehmend diskutiert. Trifft Sonnenlicht auf die Titandioxid-Fläche, werden die gasförmigen Stickoxide katalytisch in Nitrate umgewandelt, die letztlich vom Regen abgewaschen werden. So lässt sich auch der Baustoff Beton relativ leicht mit Titanoxid behandeln.
Die Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, Vertreter der Fachbehörde BUE in den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz (GUV) einzuladen, um über Techniken, Möglichkeiten und Strategien zur Umsetzung einer Verringerung von Luftschadstoffen durch Bindung an Pflanzen und chemische Verfahren im Bezirk Harburg zu berichten.
Bezirksversammlung Harburg 04.03.2019
Die Vorsitzende
Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) nimmt unter Beteiligung der Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWVI) zu dem Antrag GRÜNE Drs. 20-3896 anstelle einer Referentenentsendung wie folgt Stellung:
Verringerung von Luftschadstoffen durch Bindung an Pflanzen
In verschiedenen fachlichen Studien (Literaturhinweise s. Fußnoten) zur Gebäudebegrünung werden folgende Aussagen getroffen:
Fassadengrün bindet Luftschadstoffe, dadurch reduziert sich die städtische Luftbelastung, und die Luftqualität kann sich innerhalb einer Straßenschlucht (PM10-Konzentration/NO2-Konzentration) verbessern[1]. Stäube und Feinstäube „verklumpen“ auf den Blättern zu „nicht lungengängigen“ Partikeln und diese werden dann im weiteren Jahresverlauf beim Blattfall mit dem Laub abgeführt.[2] Die Zusammensetzung der Luft verbessert sich durch die pflanzliche Sauerstoffproduktion. So erreichte die Sauerstoffproduktion in Messungen 1,7 kg O2/m2/a und die CO2-Bindung 2,3 kg CO2/m2/a.[3]
Der Einfluss von Dachbegrünungen auf die Luftqualität innerhalb von Straßenschluchten ist dagegen als eher gering anzusehen.
Die in der Drucksache angesprochenen CityTree Mooswände als Innovation eines Start-up-Unternehmens sind der BUE bereits bekannt. Aus gegebenem Anlass hat sich die BUE schon verschiedentlich ab 2015 mit entsprechenden Projektvorhaben zur Aufstellung von Mooswänden in Hamburg befasst. In 2017 hat ECE ein Pilotprojekt „CityTree“ zusammen mit der Vertreiberfirma von CityTree in der City Nord eingeweiht. Mit dem patentierten Bio-Tech-Filter sorgte das Berliner Startup seit 2014 für Aufsehen bei Politik und Wissenschaft und kündigte an, mit dem „CityTree“, einer sich selbst versorgenden Mooswand, in Städten für saubere Atemluft sorgen zu wollen. Mittlerweile haben mehrere Städte, u.a. Frankfurt, Stuttgart und Essen, diese Mooswände in der Praxis bei Feldversuchen getestet. Es mehren sich inzwischen die Zweifel an der Funktionalität des Systems. So fallen z.B. die Ergebnisse einer Pilotstudie des Amtes für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart mit einer Mooswand sehr ernüchternd aus. Die Filterwirkung für Feinstäube ist z.B. viel geringer als vom Anbieter behauptet. Der Anbieter hat zwischenzeitlich die Behauptung zurücknehmen müssen, dass die Mooswand dem Effekt von 275 Stadtbäumen entspräche.
Die Mooswände müssen kontinuierlich bewässert werden. In Stuttgart trockneten im Sommer unter ungünstigen Witterungsbedingungen die Moose aus und zerfielen, durch den Wind wurden Pflanzenteile aufgewirbelt und erhöhten damit den Feinstaubanteil.
Zusätzlich verwiesen wird auf Artikel aus der Fachzeitschrift Neue Landschaft vom 16.05.2018[4] und 14.06.2018[5] mit näheren Informationen zu den Erfahrungen und fachlichen Bewertungen zu Aufstellung von Mooswänden zur Luftreinhaltung.
Vor diesem Hintergrund wird die Aufstellung von Mooswänden in der Stadt als nicht zielführend eingeschätzt.
Verringerung von Luftschadstoffen durch chemische Verfahren
Gemeinsam mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), der Eurovia GmbH und der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) hat Hamburg, vertreten durch die BWVI, ab dem Jahr 2011 das mehrjährige Pilotprojekt „NOxer“ zur Reduktion von Stickoxiden umgesetzt. Das zuvor in Frankreich getestete Verfahren beruht auf einer photokatalytischen Reaktion. Hierzu wird in einem ersten Schritt Titandioxid (TiO2) in die Fahrbahn eingebracht. Unter Einfluss von Sonnenlicht oxidieren Stickoxide beim Kontakt mit TiO2 zu Nitrat. Das Nitrat wird durch Regenwasser abgespült.
Zur Ermittlung der tatsächlichen Effektivität des Systems wurden zwei Versuchsstrecken eingerichtet:
Auf der A7 wurde südlich des Elbtunnels ein etwa 100 m langer Abschnitt des Hauptfahrstreifens mit der speziellen Deckschicht versehen, um deren Haltbarkeit unter hoher Verkehrsbelastung nachzuweisen.
Am nordwestlichen Trog des Krohnstiegtunnels wurde geprüft, wie sich das Verfahren unter den meteorologischen Bedingungen bewährt. Dazu wurden umfangreiche Messeinrichtungen installiert, die ab Herbst 2011 die tatsächliche Stickoxidbelastung – ohne den reaktiven NOxer-Belag – aufzeichneten. Daneben wurden weitere Messdaten, wie z.B. die Verkehrsstärke, Sonnenintensität, Windrichtung und Windgeschwindigkeit erfasst. Im Herbst 2012 wurde die Strecke mit dem reaktiven Belag NOxer ausgestattet, um die Auswirkungen der Schadstoffreduktion nach einem weiteren Jahr Messzeitraum quantifizieren zu können. Die Messungen wurden durch Simulationsberechnungen ergänzt.
Hinsichtlich des Fahrbahnbelags auf der A7 traten anfänglich Verschlechterungen in der Querebenheit auf. Der Belag wies insgesamt nach einer Anfangsphase ein relativ konstantes und akzeptables Abnutzungsbild auf. Am Krohnstiegtunnel traten vor allem Probleme an den Blockfugen des Trogbauwerks auf. Nach einer Liegedauer von weniger als vier Jahren wies der Belag so gravierende Schäden auf, dass er Anfang 2016 ausgetauscht werden musste.
Hinsichtlich der Stickstoffdioxid (NO2)-Konzentration konnte ein signifikanter Minderungseffekt des Belages nicht nachgewiesen werden. Die Minderung im Fall des Krohnstiegtunnels liegt in etwa in der Größenordnung der Schwankungen der dort aufgetretenen natürlichen Effekte (Verkehrsmenge, Verkehrszusammensetzung, Meteorologie und Hintergrundbelastung) bzw. der Messunsicherheit und ist naturgemäß räumlich sehr stark auf die direkte Umgebung des Tunnelportals, an dem der Belag verbaut war, begrenzt. In direkter Nähe zum Tunnelportal werden knapp über 2 %, bzw. 1-2 μg/m³ NO2-Minderung im Mittel der betrachteten Zeiträume erreicht. Allerdings ist der Minderungseffekt schon in etwa 40 m Abstand zum Portal auf unter 1 μg/m³ abgesunken.
Ein Abschlussbericht zum Projekt liegt nicht vor. Ein Teilbericht zu den von der BASt durchgeführten Messungen befindet sich derzeit in Abstimmung.
gez. Rajski
f.d.R.
Wyzinski