21-2277.01

Stellungnahme zum Antrag der GRÜNE-Fraktion betr. Schutz vor Sturmfluten und Binnenhochwasser in Cranz/Neuenfelde/Francop für den nächsten Winter ertüchtigen

Antwort/Stellungnahme gem. § 27 BezVG

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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15.11.2022
Sachverhalt

Der Winter 2021/2022 war aus Sicht des Hochwasserschutzes eine Herausforderung mit vielen Sturmfluten, mehrere davon schwere Sturmfluten (https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Wasserstand_und_Gezeiten/Sturmfluten/sturmfluten_node.html). Alleine im Februar 2022 kam es mit insgesamt elf Sturmfluten, davon eine schwere Sturmflut, zu einer außergewöhnlichen Häufung. Zudem war der Februar äußerst regenintensiv – die Regenmengen lagen um 279% über dem langjährigen Durchschnitt.

Durch die ergiebigen Regenfälle waren die Deiche stark aufgeweicht und damit in ihrer Sicherheit beeinträchtigt.

Hinzu kam, dass durch die aufgeweichten Böden und die Stürme viele Bäume im Auwald außerhalb des Hauptdeiches umgestürzt sind. Die entwurzelten Bäume sind eine große Gefahr für die Deichsicherheit, da sie durch die Sturmfluten aus dem Wald geschwemmt und die Deichhaut empfindlich beschädigen können. Dies gilt insbesondere, wenn die Deiche ohnehin schon aufgeweicht sind.

In der Nacht der schweren Sturmflut vom 19. auf den 20. Februar 2022 kam es zudem zu einer kritischen Situation am Estesperrwerk, bei der die Tore erst sehr knapp vor dem Schließwasserstand geschlossen worden sind. Das Estesperrwerk ist von montags bis freitags von 6:00 bis 22:00 Uhr und am Wochenende von 6:00 bis 18:00 Uhr besetzt. Bei Sturmfluten erfolgt eine Einsatzplanung, die mittels Prognosen festlegt, wann die Bediener*in wieder vor Ort sein muss, um das Tor rechtzeitig zu schließen. Da die schwere Sturmflut am 19. Februar 2022 deutlich schneller aufgelaufen ist als prognostiziert, es offenbar jedoch keine Überprüfung und erneute Kontaktierung der diensthabenden Bedien-Person gegeben hat, wurde das Tor erst buchstäblich in letzter Sekunde geschlossen.

Eine weitere Problematik im Gebiet ist die sich ausbreitende Nutriapopulation. Es sind zwar noch keine Schäden im Hauptdeich gesichtet worden. Die Nutriapopulation steigt allerdings und es ist letztlich nur eine Frage der Zeit, bis diese auch den Hauptdeich befallen und die Sicherheit beeinträchtigen.

Zum Thema Binnenhochwasserschutz hat die Bezirksversammlung zwei Anträge beschlossen (21-1999 und 21-2000). Auch die Bürgerschaft hat einen Antrag dazu beschlossen (22/7240). Unter anderem soll endlich ein Schöpfwerk am Storchennest gebaut werden, das die Entwässerung der Alten Süderelbe auch bei Sperrfluten ermöglicht. Dieser Bau wurde von der BUKEA bereits in Aussicht gestellt. Die Situation im Februar 2022 in Bergedorf hat aber gezeigt, dass es ohne Schöpfwerk sehr schnell eng werden kann, und dass an der Alten Süderelbe eine Zwischenlösung gebraucht wird. Diese Problematik besteht ebenfalls an der Este. In Bergedorf konnte das Überlaufen der Deiche letztlich verhindert werden, auch wegen des Einsatzes großer Pumpen bei Sperrflut. Diese Spezialpumpen mussten allerdings aus Bremen ausgeliehen werden, da Hamburg Pumpen dieser Dimension offensichtlich nicht vorrätig hat.

Es sind nun über den Sommer einige Monate Zeit, um sich gut auf die nächste Sturmflutsaison vorzubereiten. Das sollten wir auch tun.

 

Petitum/Beschluss

Die Bezirksversammlung fordert die zuständige Behörde auf, folgende Maßnahmen rasch umzusetzen:

        Der Auwald außerhalb des Hauptdeiches vor Cranz und Neuenfelde ist FFH-Gebiet und unterliegt damit einem besonderen Schutz. Durch die ungünstigen Konstellationen von starkem Regen und Sturm sind in der letzten Sturmflutsaison sehr viele Bäume umgestürzt. Die, die durch die Sturmfluten schon aus dem Wald geschwemmt wurden, wurden schon weggeräumt. Um die Gefahr für die nächste Saison ebenfalls zu bannen, möge die Verwaltung bei BUKEA und HPA darauf hinwirken, dass in den nächsten Wochen auch die heute noch im Wald liegenden umgestürzten Bäume entfernt werden.

        Die zuständige Behörde soll die Einsatzzeiten der Bedien-Person des Estesperrwerkes so anzupassen, dass das Sperrwerk bei Sturmfluten und besonders bei schweren Sturmfluten durchgängig besetzt ist.

        Die zuständige Behörde soll die Nutriapopulation zusammen mit den vor Ort zuständigen Jäger*innen entschlossen in einem vertretbaren Rahmen halten. Dafür soll ein Konzept erarbeitet werden und die Finanzierung (z. B. Fangprämien) zur Umsetzung sichergestellt werden.

        Die Verwaltung soll prüfen, welche Art Pumpen bei Feuerwehr und Katastrophenschutz vorrätig sind, und – falls nötig – zusätzlich derartige Pumpen anschaffen, um die Alte Süderelbe bei sehr starken Regenfällen und gleichzeitigen Sperrfluten sicher bei einem Wasserstand bei ca. + 0,3 ü NHN zu halten.

Die BUKEA und die Bezirksverwaltung werden gebeten, zeitnah über die Ergebnisse im KUV zu berichten, spätestens im dritten Quartal 2022.

 

BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG 

DER VORSITZENDE

         27. Oktober 2022

           

 

Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA), die Behörde für Inneres und Sport (BIS) und die Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) nehmen zu dem Antrag GRÜNE (Drs. 21-2277) wie folgt Stellung:

 

Stellungnahme der BUKEA zu den Punkten 1 und 3

 

Zu 1.:

Der Auwald im Bereich des Naturschutzgebiets und Natura 2000-Gebiets Mühlenberger Loch/Neßsand steht als prioritärer Lebensraumtyp gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und als gesetzlich geschütztes Biotop unter strengem Schutz. Bezüglich des Umgangs mit den dortigen Gehölzen im Rahmen des Hochwasserschutzes gibt es einen engen Austausch und eine abgestimmte Handlungsweise zwischen der Hamburg Port Authority (HPA) und BUKEA. Demnach können umgestürzte Bäume im Auwald verbleiben, sofern HPA als für den Hochwasserschutz zuständige Behörde diese nicht als Gefahr für die Deichsicherheit einstuft. Dies ist dann der Fall, wenn liegende Bäume verkeilt zwischen dem Baumbestand ruhen und dadurch ein Aufschwimmen und Abdriften verhindert wird. Der Umgang mit derartigen Bäumen wird also durch die HPA fallweise und nach Prüfung vor Ort entschieden.

 

Zu 3.:

Eine Bekämpfung durch die Jagdausübungsberechtigten im Rahmen des Jagdschutzes findet bereits statt. Die BUKEA ist dabei, ein Maßnahmenkonzept zum Umgang mit Nutria in Hamburg in Auftrag zu geben. Fangprämien seitens der BUKEA oder die Aufhebung des Mutterschutzes sind bisher nicht vorgesehen.

 

Stellungnahme der BWI auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA) zu Punkt 1 und 2

 

Zum ersten Punkt des Petitums:

Umgestürzte Bäume auf dem Deichgrund sowie auf der Grenze zwischen Deichgrund und Tideauwald werden durch regelmäßige Kontrollen des Anlagenwarts der HPA identifiziert und anschließend entfernt. Dies geschieht während der Sturmflutsaison unverzüglich und außerhalb der Sturmflutsaison zeitnah.

 

Vor einer Entnahme umgestürzter Bäume im unmittelbar benachbarten Bereich zur Grenze zwischen Deichgrund und Tideauwald sowie weiter innerhalb des Auwalds wird grundsätzlich eine Abwägung zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz durchgeführt. Wird eine Gefährdung für den Hochwasserschutz festgestellt, werden betreffende umgestürzte Bäume entfernt. Wird eine solche Gefährdung hingegen nicht festgestellt, verbleiben die betreffenden Bäume im Auwald.

 

Zum zweiten Punkt des Petitums:

Die regelhafte Besetzung des Sperrwerks Estemündung erfolgt von Montag bis Freitag von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr, am Samstag und Sonntag von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Außerhalb der Betriebszeiten gibt es eine tägliche Rufbereitschaft.

 

Bei einer Prognose von +0,5 m über dem mittleren Tidehochwasser (MThw) außerhalb der Betriebszeit erfolgt immer eine Einsatzplanung zur Besetzung des Sperrwerks. Die Besetzung außerhalb der Betriebszeiten durch Rufbereitschaften erfolgt in Abstimmung mit dem Betriebsmeister und Bediener anhand der aktuellen Wasserstandsprognosen. Die Wasserstandsprognosen werden kontinuierlich beobachtet und abgeglichen, um ein sicheres und rechtzeitiges Besetzen der Anlage zu gewährleisten. Während einer Schließung des Sperrwerks ist dieses durchgehend besetzt.

 

 

Stellungnahme der BIS zu Punkt 4

Die bei der Feuerwehr vorgehaltenen Pumpen zur Förderung von Wasser sind für Schadenslagen innerhalb abgeschlossener Gebäudestrukturen oder zur Förderung von Löschwasser ausgelegt. Neben diversen kleinen Pumpen verfügt die Feuerwehr über eine Pumpe mit einer Förderleistung von 10.000 Litern pro Minute und jeweils zwei Pumpen mit einer Förderleistung von 6.000 Litern pro Minute sowie zwei mit einer Förderleistung von 3.000 Litern pro Minute. Ein Einsatz im offenen Gelände zur Bewältigung von Hochwasserlagen ist nur im Einzelfall möglich. Pumpen speziell für Einsatzlagen eines Binnenhochwassers, wie sie in Bergedorf zur Senkung von Pegelständen der Flüsse eingesetzt wurden, werden bei der Feuerwehr nicht vorgehalten.

 

Das Technische Hilfswerk (THW) Hamburg hält neben den beiden Hochleistungspumpen mit einer Förderleistung von 15.000 Litern pro Minute und 5.000 Litern pro Minute weitere kleinere Tauchpumpen vor; davon 14 Pumpen mit einer Förderleistung von mindestens 1.000 beziehungsweise 1.200 Litern pro Minute und diverse Pumpen mit einer Förderleistung von 800 Litern pro Minute. Eine Hochleistungspumpe mit einer Förderleistung von 5.000 Litern pro Minute der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) lagert beim THW in Bergedorf und wird vom THW im Einsatzfall bedient. Von den fünf mitwirkenden Hilfsorganisationen des Katastrophenschutzes hält lediglich die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Pumpen vor, die primär für technische Hilfeleistungen bei havarierten Wasserfahrzeugen vorgesehen sind. Aktuell hält die DLRG Pumpen mit einer gemeinsamen Förderkapazität von circa 10.000 Litern pro Minute an verschiedenen Standorten, auf verschiedenen Land- und Wasserfahrzeugen und in unterschiedlichen Konstellationen vor. Die größte konzentrierte Pumpleistung kann von der Fachgruppe Technik des Landesverbandes mit 5.000 Litern pro Minute erreicht werden.

 

gez. Heimath

 

 

f.d.R.

Hille