21-2003

Antrag Matthias Arft (AfD) und Ulf Bischoff (AfD): Blackout in Harburg - Wie gut ist der Bezirk auf längerfristige Stromausfälle vorbereitet?

Antrag

Letzte Beratung: 22.02.2022 Bezirksversammlung Harburg Ö 20

Sachverhalt

 

Der Begriff „Blackout“ bezeichnet einen Ausfall der Stromversorgung auf lokaler, regionaler oder auch überregionaler Ebene.

Am 20. 6.2019 verursachte eine kurze Störung im Hamburger Norden den Ausfall von über 300 Ampelanlagen und schränkte die Stromversorgung zahlreicher Haushalte ein. Auch am Flughafen kam es zu Störungen. Ursächlich war laut einer Sprecherin des Stromnetzes Hamburg ein kurzer Spannungseinbruch im Netzgebiet Nord. Die Ampelanlagen hätten sich kurze Zeit später aber wieder selbst eingeschaltet (Die Welt vom 20.06.2019).

Erst kürzlich war der Hamburger Flughafen erneut betroffen. Am 11. 12. 2021 verursachte eine technische Störung einen Stromausfall im Tower des Hamburger Flughafens. Die Beleuchtung der Fahrbahn fiel aus und die Flugzeuge wurden umgeleitet oder konnten erst gar nicht starten. Der Betrieb wurde kurzzeitig eingestellt (Bild vom 12.12.21).

Am 7.1.2022 war die Stromversorgung für 2.000 Haushalte und 170 Betriebe in Borgfelde, Hohenfelde und St. Georg unterbrochen. Schon in der Silvesternacht hatte es einen großflächigen Stromausfall in Borgfelde gegeben. In einem Pflegeheim konnten Beatmungsgeräte nicht mehr betrieben werden, weil die Akkus der Notversorgung erschöpft waren. Elf Patienten mussten in andere Einrichtungen verlegt werden (Hamburger Morgenpost 7.1.2022).

In der „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2020“ des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung führt der Autor Herbert Saurugg aus, dass Mangels Evidenz sich keine statistische Wahrscheinlichkeit für einen Blackout berechnen lässt. Er hält einen Blackout aber für ein sehr realistisches Szenario, mit dem binnen der nächsten fünf Jahre zu rechnen ist (S. 214 f.):Die Wahrscheinlichkeit eines europaweiten Strom- und Infrastrukturausfalls (»Blackout«) und dessen Folgen werden weitgehend unterschätzt. Dies insbesondere, da die vielschichtigen Veränderungen im europäischen Verbundsystem sowie die steigenden gesellschaftlichen Abhängigkeiten von lebenswichtigen Infrastrukturen nur selten in ihrer vollen Tragweite wahrgenommen werden. Dabei ist ein Blackout ein sehr realistisches Szenario, mit dem binnen der nächsten fünf Jahre zu rechnen ist. Die derzeitigen Planungen für den Systemumbau stehen im Widerspruch zu den physikalischen Möglichkeiten und Grenzen des Systems.“

Als mögliche Ursachen für einen Blackout nennt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) auf seiner Webseite Wetter- und Umweltereignisse wie plötzliche Wintereinbrüche, außergewöhnliche Schneefälle und Überschwemmungen. Konkret weist das BBK auf seiner Internetseite darauf hin, dass “Schaltungen im Netz eines einzelnen Stromnetzbetreibers [..], wie im November 2006 bei der Abschaltung einer Stromtrasse über die Ems geschehen, zu europaweiten regionalen Stromausfällen führen [können].”

Ein Problem ist die zunehmend schwieriger aufrecht zu erhaltende Netzfrequenz von 50 Hertz. Die Abschaltung großer Kraftwerke verringert die Stabilität der Stromnetzwerke und erhöht so die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Blackouts. BWK Energie erklärt den Zusammenhang auf seiner Webseite (13.1.2021): “Kohle- und Kernkraftwerke gleichen Netzschwankungen selbstständig aus, wenn sie (die Netzschwankungen; der Verf.) nicht zu groß sind. Die Generatoren stemmen sich mit ihren gewaltigen Massen gegen Schwankungen. Wird zu viel Strom ins Netz eingespeist drehen sie sich ein bisschen langsamer, produzieren also weniger Strom. Das reduziert auch die Frequenz ein wenig. Bei Strommangel ist der umgekehrte Effekt zu beobachten.”

Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) ist überzeugt: “Der vermehrte Ausbau von erneuerbaren Energien und die damit verbundene volatile Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom führe dazu, dass die Stromnetze immer stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind. So habe sich die Zahl von Noteinsätzen in den letzten Jahren von rund 15 auf bis zu 240 pro Jahr erhöht, erklärte Wien Energie.” (BWK Energie 13.1.2021).

Wenn anstatt einiger großer Kraftwerke sehr viele kleinere Windkraftwerke und sehr kleine Photovoltaik-Anlagen Strom in das Netz einspeisen, gibt es den Effekt der großen Massen nicht mehr. Das Netz wird dadurch instabiler und kann leichter zusammenbrechen. Bis bei einem regionalen, nationalem oder gar noch größerem Netzzusammenbruch die Netzstabilität wieder hergestellt ist und die Stromversorgung wieder funktioniert, können mehrere Wochen vergehen.


Das BBK schildert die ernsthaften Auswirkungen des Zusammenbruchs der Stromversorgung im öffentlichen und privaten Leben:

- Schlagartig fallen alle mit Strom betriebenen Anlagen und Geräte aus, die nicht an Notstromanlagen angeschlossen oder batteriebetrieben sind

- Die Versorgung mit Bargeld über Geldautomaten ist nicht mehr möglich

- Zu Hause sitzt man möglicherweise im Kalten und Dunkeln, da Licht und Heizung nicht mehr funktionieren

- Fernsehgeräte, der PC für den Internetzugang und oft auch die im Haushalt verfügbaren Radiogeräte können bei einem Stromausfall nicht betrieben werden

- Kühl- und Gefrierschränke tauen ab und die darin gelagerten Lebensmittel verderben innerhalb kurzer Zeit.

- Mit einigen Stunden Verzögerung wird das Telefon-Festnetz nicht mehr zur Verfügung stehen

- Mobilfunknetze sind zum Teil nicht mit Notstromversorgung gesichert

In einem Video rät das BBK, sich mit Trinkwasser und Lebensmittel für 14 Tage zu bevorraten. Eine Auswahl vom BBK empfohlener Vorsorgemaßnahmen:

Batteriebetriebenes Radio mit Vorrat an frischen Batterien

Warme Kleidung

Kerzen, Gasbrenner, Taschen- oder Campinglampen + Batterien

Campingkocher

Feuerlöscher, Löschdecke

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung im Deutschen Bundestag (TAB) urteilte bereits im Jahre 2012 in einer Analyse für den Fall eines Blackouts: „Ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern.” Bereits binnen weniger Tage könnten die Bürger in den betroffenen Gebieten nicht mehr mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen versorgt werden.

Eine Unterbrechung der Kommunikationsnetze führt dazu, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungswachen im Notfall nicht mehr angerufen werden können. Plünderungen und der Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung können die Folge sein.

In den Krankenhäusern ist die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Nach dem Ende auch der Notstromversorgung können für Patienten lebenswichtige Apparate nicht mehr betrieben werden.

Mit dem Zusammenbruch der Stromversorgung bricht auch die Versorgung mit Leitungswasser und die Abwasserentsorgung zusammen.

Die industrielle Produktion kommt zum Erliegen, auch die der Nahrungsmittelindustrie. Die Lieferketten brechen zusammen und damit auch die Belieferung von Einzelhandelsgeschäften. Es gibt keine Versorgung mit Lebensmitteln mehr.

Der Verkehr kommt zum Erliegen, weil die Tankstellen nicht mehr mit Treibstoff beliefert werden können.

Das BBK schreibt auf seiner Internetseite: „Das BBK beschäftigt sich bereits seit seiner Gründung im Jahre 2004 intensiv mit der Herausforderung eines großflächigen Blackouts, noch im selben Jahr wurde die länderübergreifende Krisenmanagementübung (LÜKEX) mit dem Szenario eines mehrwöchigen Stromausfalls in zwei Bundesländern aufgrund eines Wintersturmereignisses durchgeführt.

[...]

Das BBK steht dabei im partnerschaftlichen Austausch mit Behörden auf Bundes- und Landesebene, Gremien der Europäischen Union, Key Playern aus dem Bereich der Kritischen Infrastrukturen sowie Hochschulen und der United Nations-University in Bonn.“

Allgemein zur Zuständigkeit schreibt das BBK: "Der Bevölkerungsschutz ist Teil der öffentlichen Sicherheit und der Gefahrenabwehr. Für die Sicherheit in Deutschland sind Bund, Länder und Kommunen zuständig."

In der „Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2020“ des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung kommt der Autor Herbert Saurugg zu dem Schluss: „Im Gegensatz zu vielen anderen möglichen und bekannten Szenarien kann ein solches Ereignis nur auf der lokalen Ebene bewältigt werden. In der Familie, in der Nachbarschaft und in der Gemeinde. Alles andere wird nicht funktionieren, da alle selbst betroffen sind bzw. der Umfang der Betroffenheit einfach zu groß ist. Durch den Ausfall fast aller Kommunikationskanäle ist auch kaum eine übergeordnete Koordinierung und damit kein angemessenes Krisenmanagement möglich.“ (S. 217).

Es stellt sich somit die Frage, wie reagieren Behörden und Hilfsorganisationen konkret im Bezirk Harburg auf einen längeren Blackout? Wer ist zuständig? Wie sind sie darauf vorbereitet? Wie gestalten sich Anlauf und Ablauf der Hilfsmaßnahmen? Welcher zeitliche Rahmen ist dafür in der Planung vorgesehen?

Petitum/Beschluss

 

Sachkundige Behördenvertreter werden in den Ausschuss für Mobilität und Inneres eingeladen. Es soll erklärt werden, wie im geschilderten Falle eines längerfristigen Blackouts die öffentliche Sicherheit sowie die medizinische und sonstige Versorgung im Bezirk Harburg aufrecht erhalten werden soll.

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