Die Tagesordnung wird bestätigt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie hatten das Thema „Unterstützung des lokalen Einzelhandels – Sicherstellung der Nahversorgung in den Quartieren“ auf Basis unserer Fragen an Sie in der Dezember Sitzung ausführlich beraten und sich bereit erklärt, sich im Jahre 2021 mit den IGs aus Hamburg Nord hierzu an einen Tisch zu setzen und gemeinsam zu beraten, was Sie als Mitglieder der Bezirksversammlung Hamburg Nord für den lokalen Einzelhandel tun können.
Die IG Rund um den Mühlenkamp hat zusammen mit anderen IGs aus dem Bezirk Hamburg Nord sowie weiteren IGs aus ganz Hamburg dieses Thema beraten und den beigefügten Forderungskatalog erarbeitet. Unser Ziel ist es, zusammen mit Ihnen und dem Bezirksamt Hamburg Nord Wege zu finden, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen um zu verhindern, dass mehr als 50% der Einzelhandelsgeschäfte in den nächsten 5 Jahren schließen müssen.
Wollen wir zusehen und abwarten oder wollen wir gemeinsam handeln? Wollen wir, dass in der Folge dann auch die Nahversorgung nicht mehr sichergestellt ist? Wir haben uns für das Handeln entschieden.
Vor diesem Hintergrund unsere Frage an Sie:
Sind Sie bereit unsere Forderungen gemeinsam mit den Vertretern der IGs im Bezirk Hamburg Nord zu diskutieren und gemeinsam mit uns dafür Sorge zu tragen, dass wir auch in Zukunft eine Nahversorgung in den Quartieren haben?
Wenn ja, wann und wo wollen / können wir unsere 17 Forderungen sowie Ihre Ideen dazu gemeinsam diskutieren?
Herr Dr. Schott begrüßt den fragestellenden Bürger als Vertreter der IG Mühlenkamp. Er weist darauf hin, dass dieser umfangreiche Forderungskatalog kaum im Rahmen der Bürgerfragestunde beantwortet werden könne. Er weist darauf hin, dass sich alle Fraktionen des WAD vorgenommen hätten, mit den Interessengemeinschaften in einen Dialog zu treten. Die heutige Sitzung sei der Auftakt des Dialoges, der damit beginnen solle, dass die Fraktionen und interessierten Bürger durch die geladenen Gäste informiert würden. Er schlage vor, zunächst den Referenten das Wort zu geben und im Anschluss zu betrachten, wie der angeregte Dialog zwischen den Fraktionen und Interessengemeinschaften gestaltet werden könne.
Der Bürger betont, dass es bei der Frage darum gehe, in einen Dialog einzusteigen. Nachdem der Bezirksversammlung im Dezember 2020 Fragen gestellt worden seien, habe die Bezirksversammlung einen Sonderetat beschlossen. Es sei das Ziel gewesen, mit den verschiedenen Interessensgemeinschaften in Hamburg-Nord ins Gespräch zu kommen. Daraufhin habe die IG Mühlenkamp koordinierend für alle IGs den Forderungskatalog erstellt. Es sei wichtig, den Prozess zeitnah zu beginnen, um zu sehen, was die Bezirkspolitik von den Forderungen umsetzen könne und wie schnell. Er bittet um zeitnahe Antworten, damit ein guter Start des Einzelhandels erfolgen könne, sobald dieser wieder geöffnet werde.
Frau Möller bedankt sich für die Anregungen der IGs. Sie schlägt vor, diese Vorschläge in die Arbeitsgruppe des WAD mitzunehmen und bis zum nächsten WAD zu bearbeiten.
Herr Wendt erklärt, dass die Arbeitsgruppe alle Informationen der Sitzung aufnehmen und als Grundlage für den interfraktionellen Antrag nutzen werde.
Die Niederschrift wird einstimmig genehmigt.
Herr Schote beschreibt anhand einer Präsentation die Schwierigkeiten, die damit verbunden seien, wenn Unternehmen versuchten, ihre Kunden mit Social Media zu erreichen. Momentan, während der Schließung der Geschäfte, müsste ein deutlich höherer Aufwand für weniger Ertrag betrieben werden.
Von wichtiger Bedeutung sei auch die Nähe, da die meisten Menschen in Ihren Quartieren unterwegs seien und nicht in der Innenstadt. Der Grund hierfür sei auch gewesen, dass viele Menschen im Homeoffice seien und in ihr nächstgelegenes Quartier gingen.
Ein zweiter Vorteil der Quartiere sei der enge Draht zu den Kundinnen und Kunden. Wenn es auch eine persönliche Beziehung zwischen Händler und Kunden gebe, gelinge es leichter, trotz Schließung zu verkaufen.
Von Bedeutung seien auch die Quartiersinitiativen, wie z.B. die IG Fuhle. Zudem würden im Mühlenkamp die Kunden animiert, im eigenen Quartier zu kaufen. Auch in anderen Quartieren gebe es engagierte Händler.
Der starke Wandel, den der Handel ohnehin erfahre, werde noch beschleunigt. Die Veränderung erfordere von allen Beteiligten, neue Ideen und Konzepte zu entwickeln. Es sei richtig, dass dies von der Politik unterstützt werde. Dem Beispiel von Hamburg-Nord seien mittlerweile andere Bezirke gefolgt.
Bereits im vergangenen Sommer sei abzusehen gewesen, dass die IGs erheblich unter Druck gerieten. Durch das Plenum der Handelskammer sei damals ein Standpunkte-Papier beschlossen worden und an Politik und Verwaltung versendet worden. Es sei vorgeschlagen worden, dass die Stadt eine Co-Finanzierung von Quartiersmanagements in Höhe von ca. 1/3 leiste. Ein solches Konzept existiere bisher nicht. Es gebe bisher das kleine ökonomische Quartiersmanagement, welches in der Wirtschaftsbehörde verwaltet werde und wovon z.B. der Eppendorfer Baum profitiere. Dies geschehe jedoch nur in kleinerem Umfange und zeitlich stark begrenzt.
Die Handelskammer habe vorgeschlagen, dass zunächst sieben Quartiere finanziell unterstützt würden mit dem Ziel, dass Quartiersmanager für gute Rahmenbedingungen sorgten und den Kontakt zu Verwaltung und Politik herstellen würden. Insgesamt solle so für eine hohe Aufenthaltsqualität gesorgt werden. Das erhofft Signal der Politik sei hierzu noch nicht erfolgt. Viele Quartiere könnten davon profitieren, wenn sich jemand um alle Belange des Quartiers kümmere. Dies könne auch die Verwaltung entlasten.
Für die Außengastronomie sei es notwendig mehr Flächen zu schaffen, um Abstände einhalten zu können. Teilweise könne dies zu Lasten von Stellplätzen geschehen. Außerdem sollte eine Vielfalt geschaffen werden, indem verschiedenste Konzepte an einem Standort umgesetzt werden.
Er führt aus, dass Standortentscheidung – wie bspw. der Standort des Bezirksamtes – von hoher Relevanz seien. Durch solche Entscheidungen könnten Zentren belebt und deutlich attraktiver gemacht werden.
Herr Postert bedankt sich für die Einladung. Bis vor kurzem sei er selbst für die Industrie- und Handelskammer in Bochum tätig gewesen, seit 2021 sei er für das Büro Stadt + Handel tätig.
Die Trends auf der Nachfragenseite seien die Tiefenströmungen unserer Gesellschaft. Es gebe einen Wertewandel mit dem Ergebnis stärker ausdifferenzierter Lebensstile. Dies erfordere auch eine Differenzierung der Angebote. Darüber hinaus gebe es eine starke Zunahme des bewussten Konsums. Dies bedeute, dass viele Menschen bereit seien, bei Erkennung eines Wertes für eine Dienstleistung bzw. ein Produkt mehr Geld auszugeben, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel sowie im Textilbereich. Der Einkauf erhalte neben seiner klassischen materiellen Bedeutung zunehmend eine immaterielle Bedeutung.
Die Zahl der Privathaushalte nehme stetig zu, während gleichzeitig die durchschnittliche Personenzahl je Haushalt sinke. Dies führe zu einer weiteren Ausdifferenzierung hinsichtlich des Konsumverhaltens.
Durch die Coronapandemie sei deutlich geworden, dass die Zahl der Hochbetagten stark zugenommen habe. Aufgrund der zunehmenden Mobilitätseinschränkungen spiele hier die Nahversorgung eine große Rolle.
Heutzutage würden zudem alle Lebensbereiche digitalisiert. Dadurch werde auch das Einkaufen immer smarter. Jedoch verschiebe sich die Priorität häufig vom Besitz zur Nutzung. Insgesamt führe das veränderte Konsumverhalten zu disruptiven Auswirkungen.
Auf Angebotsseite komme es zu einer gleichzeitigen Kopplung und Entkopplung von Konsum. Es würde versucht, die Einkäufe effizient zu gestalten. Bundesweit werde versucht die Einkaufswege zu reduzieren und mit der beruflichen oder freizeitbedingten Mobilität zu verbinden. Zugleich steige die Bedeutung sog. flächenintensiver Kopplungsstandorte. Außerdem steige die Nutzerfreundlichkeit von Online-Einkäufen. Dies führe zu einer zunehmenden zeitlichen und räumlichen Entkopplung von Konsum. Für den Handel bedeute dies die Notwendigkeit, online auffindbar zu sein um das stationäre Geschäft zu ermöglichen.
Bei der Erlebnisorientierung gehe es darum, dass der Kunde einen Anreiz benötige, um wieder in den Laden zu kommen. Vor allem bei Supermarktketten, aber auch in anderen Bereichen sei eine steigende Innovationsbereitschaft festzustellen. Jedoch werde auch der Platzbedarf für solche Inszenierungen und damit die Verkaufsflächenansprüche größer.
Es sei keine neue, aber dennoch eine relevante Erkenntnis, dass der Online-Handel genau die Segmente bediene, die auch für Stadtteilzentren und Quartiere benötigt würden. Die mittelpreisigen Angebote seien genau im Zielbereich des Online-Shoppings. Dies erhöhe den Druck auf die urbanen Zentren.
Als Ergebnis müsse die Frage beantwortet werden, wie die disruptive Entwicklung auch mit Blick auf die Standorte aufzufangen sei. Die Frage sei, wie Urbanität mit Handel in den Stadtteilzentren erhalten werden könne, um auch neuen Handel zu ermöglichen. Als Rückschluss müsse überlegt werden, wie neue Strukturen vor Ort gebildet werden könnten. Es müsse auch diskutiert werden, wie Standorte wiederbelebt werden könnten.
Es dürfe jedoch nicht versucht werden, das zu bewahren, was es nicht mehr zu bewahren gelte und somit auch nicht irritiert von Digitalisierung und Globalisierung zu sein. Man könne die Digitalisierung positiv oder negativ sehen, Fakt sei jedoch, dass sie nicht rückgängig gemacht werden könne. Somit müsse die Frage beantwortet werden, wie damit umgegangen werde. Er weist darauf hin, dass Stadtplaner oftmals andere Zeithorizonte betrachten würden als bspw. die Wirtschaftsförderung, Gewerbetreibende oder Politik. Wenn jetzt schon deutlich werde, dass die Städte anders aufgestellt werden müssten, z.B. hinsichtlich Erlebnis, Mobilität und Erreichbarkeit, hätte dies schon bereits beginnen müssen. Da der Handel so disruptiv sei, erhöhe dies nochmals den Zeitdruck. Er sei davon überzeugt, dass es nicht möglich sei, diese sehr komplexen Aufgaben und Herausforderungen in der Stadtentwicklung, aber auch in der Handelsentwicklung, durch eine sektorale Betrachtung zu lösen. Als Beispiel dieses Problems weist er auf die Dieselfahrverbote in der Max-Brauer-Allee hin. Gleichzeitig wären in nächster Nähe große Kreuzfahrtschiffe in den Hafen eingefahren. Eine solche sektorale Betrachtung könne nicht zielführend sein, stattdessen müsse sich des Themas aus unterschiedlichen Perspektiven genähert werden. In diesem Zusammenhang zitiert er Albert Einstein: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Dies bedeute einen Paradigmenwechsel und ein völlig neues Mindset, wie künftig mit Handel und Handelsstandorten umgegangen werde. Die virtuelle Realität bestimme zunehmend die physische Realität. Dieser Effekt werde durch Corona noch hervorgehoben und verstärkt. Die Frage sei, wie diese beiden Realitäten optimal verbunden werden könnten, konkret, wie also die Algorithmen, die hinter unserem Kaufverhalten steckten, auch dem stationären Einzelhandel dienlich sein könnten. Beinahe jeder bewege sich mit dem Smartphone in einer Art doppelter Anwesenheit in den Städten. Wenn über die Digitalisierung von Standorten und Quartieren diskutiert werde, dürfe man sich nicht darauf beschränken, Produkte des Einzelhandels online zu verkaufen. Stattdessen müssten mit der Digitalisierung Anreize geschaffen werden, damit Urbanität wieder einen Wert erhalte. Dies funktioniere nicht nur über ein einzelnes Angebot. Der Einzelhandel könne nicht über die reine Masse an Angeboten konkurrenzfähig sein.
Das Kaufhaus des Westens als größte zusammenhängende Verkaufsfläche eines Geschäftes in Deutschland biete ca. 400.000 Produkte, während amazon.de ca. 229.000.000 Produkte im Portfolio habe. Der stationäre Einzelhandel müsse aus diesem Grund andere Aspekte als Angebotsvielfalt aufgreifen. Greenpeace habe die Aufwertung der Innenstädte als lokal genial bezeichnet. Dies müsse auch genial einfach bedeuten. Das Internet bediene nicht nur die Befriedigung von Konsum, sondern auch die Befriedigung von Bequemlichkeit. Zudem könnten möglichst schnell und effizient die Bedürfnisse des täglichen und mittelfristigen Bedarfes gedeckt werden. In der politischen Diskussion sei hierfür der Begriff Stadt der kurzen Wege geprägt worden. Auch unter dem Aspekt der Mobilitätswende sei hierfür nun die Zeit gekommen. Beispielsweise gebe es in Paris die Maßgabe, Paris zu einer ville du quart d’heure zu machen, sodass alle alltäglichen Dienstleistungen und Einrichtungen innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen seien. Dies sei die große Stärke von Urbanität, es könne eine Verdichtung all dieser Nutzungen hergestellt werden. Zwar sei alltagsfähige Mobilität nicht allein mit dem Fahrrad herzustellen, doch der Grundgedanke, die Stärke der Urbanität für den Einzelhandel zu nutzen, sei sehr zielführend.
Darüber hinaus müssten neue lokale Wertschöpfungsketten gebildet werden. Urban Production und Urban Farming würden aktuell in Mode kommen. Durch das Zurückdrängen des Einzelhandels würden für derartige Nutzungen Flächen zur Verfügung stehen, die zuvor dafür kaum zu bezahlen gewesen seien. Lokale Wertschöpfung funktioniere jedoch nur, wenn sie auch lokale Wertschätzung erfahre. Alle seien hier gefordert, diese Wertschätzung dem Handel entgegenzubringen. Jeder müsse sich die Frage stellen, wie er mit der Macht, nicht nur mit Solidaritätsbekundungen, sondern auch mit seinem Tun, Einfluss zu nehmen, umgehe. Wichtig sei, gemeinsam aktiv zu werden und sich der Problematik ganzheitlich zu nähern, um die Quartier und Stadtteilzentren in Hamburg-Nord wieder zu vitalen Stadtbausteinen zu machen. Es brauche mutige Menschen, Innovationen, ein bisschen Verrücktheit und frische Ideen.
Herr Dr. Schott bedankt sich für die Präsentation.
Herr Wendt weist darauf hin, dass nicht alle Produkte sofort eingekauft werden müssten und derartige Einkäufe insbesondere während des Lockdowns aufgeschoben worden seien. Er bittet um eine Einschätzung, in welchem Maße Produkte, die nun entbehrt worden seien, nach dem Lockdown nachgekauft würden.
Er lebe in Barmbek und befasse sich viel mit der Fuhlsbüttler Straße. Hier gebe es von Bürgerinnen und Bürgern immer wieder Hinweise, dass das Geschäftsleben eintönig sei. Größere Filialen gebe es dort nicht. Er bittet um eine Einschätzung, wie sich der Branchenmix in derartigen Geschäftsstraßen in der Zukunft entwickle.
Herr Kranz bittet Herrn Postert um die Übersendung der Präsentation im Anschluss an die Sitzung.
Herr Postert sagt die Übermittlung einer reduzierten Version zu.
Frau Ros erinnert daran, dass Herr Schote von sieben Quartieren gesprochen habe, die unterstützt werden sollten. Sie fragt nach, ob es hierzu schon konkrete Überlegungen gäbe. Sie möchte wissen, inwieweit es Korrelationen zwischen einem Standort und der Kultur gebe.
Sie fragt nach, ob mit Offlinestrategien eine Situation entwickelt werden solle, die Menschen in deutlicher attraktiverer Weise ein gemeinsames Einkaufserlebnis biete, das beim Onlineshopping nicht geboten werden könne. Sie fragt, was konkret die Politik hier tun könne, um z.B. neue Strukturen vor Ort zu schaffen.
Frau Möller bedankt sich für die interessanten Vorträge. Herr Schote habe bereits konkrete Anregungen gegeben, wie konkret im Bezirk Hamburg-Nord geholfen werden könne. Sie würde es begrüßen, wenn hierzu weiter Ideen ausgetauscht würden.
Heutzutage würden viele Menschen Wert auf Nachhaltigkeit legen. Gerade der Erlebnischarakter des Einkaufens und der Kultur seien die Ideen, die benötigt werden. Für die Zukunft solle noch betrachtet werden, wie die Freude und Begeisterung am Einkauf verstärkt werden könne. Zudem müsse der Einzelhandel befähigt werden, diese Angebote zu machen. Die Politik könne hier bestimmte Projekte finanzieren, wenn der Einzelhandel gute Ideen präsentiere. Es sei gut, Ideen für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit zu entwickeln.
Herr Schote erklärt, dass nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden könne, was gekauft werde, sobald die Geschäfte wieder öffneten. Ein Teil der Produkte werde momentan im Internet gekauft und somit auch nicht nach Öffnung der Geschäfte wieder in diesen erworben. Auch allgemein sei damit zu rechnen, dass ein Teil der Menschen weiterhin verstärkt im Internet einkaufe. Menschen, die offline-affin seien, hätten sicherlich einiges aufgeschoben, was Haushalt oder Garten betreffe. Was z.B. Kleidung oder Saisonware anbelange, werde einiges vermutlich nicht gekauft.
Der Branchenmix sei sehr wichtig. Hier sie in der Fuhlsbüttler Straße mit den Sanierungskonzept der Schritt gewagt worden, dies mitzugestalten. Dies sei schwierig, aber enorm wichtig, da es sicherlich Leerstände geben werde. Es sei der Wunsch, für diese Koordinierung ein Quartiersmanagement durch die Stadt zu Co-finanzieren. Diese Frage hätten in ersten Linie Senat und Bürgerschaft zu entscheiden. Im Handel werde es kleinere Flächen geben, da Geschäfte über die Masse an Produkten nicht mehr konkurrenzfähig seien. Auf die lokale Kundschaft zugeschnittene Angebote würden an Bedeutung gewinnen.
Es werde hoffentlich mehr Gastronomie, Dienstleister und produzierendes Gewerbe geben. Er wünsche sich, dass dort auch jemand dabei sei, der ein Schaufenster gestalten könne – andere Branchen außer dem Einzelhandel könnten dies bisher beinahe gar nicht. All dies müsse koordiniert werden. Falls sich Senat und Bürgerschaft zu einem solchen Programm bekennen würden, schlage er vor, gemeinsam mit den Behörden einen Kriterienkatalog zu gestalten. Hierbei solle es sich um größere Quartiere handeln, die auch in der Lage seien, die Co-Finanzierung durch die Privaten zu leisten. Es könne darüber nachgedacht werden, für die kleineren Quartiere, vor allem im Norden des Bezirkes, Teilzeitunterstützungen anzubieten.
Er weist darauf hin, dass nicht alle Kunden, die sagten, ihnen wäre Nachhaltigkeit wichtig, auch so handelten. Dennoch gebe es immer mehr Menschen, denen Nachhaltigkeit wichtig sei. Händler, die mit entsprechenden Angeboten agierten, würden berichten, dass sie damit gut zurechtkämen.
In Befragungen, was sich für Quartiere und Innenstadt gewünscht werde, würde fast immer Kultur genannt. Dieser Aspekt müsse jedoch richtig eingeschätzt werden – Theater, Kino oder Museum würden vergleichsweise selten besucht. Stattdessen seien mit Kultur auch inspirierende Ideen gemeint, an denen man kurz teilhaben könne oder kurze Performances. Momentan finde dahingehend ein Lernprozess statt und müsse Offenheit gegenüber solchen neuen Ideen entwickelt werden. Es würden auch Nutzungen möglich werden, die früher wegen der Mieten an einigen Standorten nicht vorstellbar gewesen seien. Insgesamt werde es somit hoffentlich einen etwas breiteren Mix geben, mit etwas weniger Handel, mit Gastronomie und verstärkt mit Funktionen wie Kultur, urbaner Produktion, Handwerk und öffentlichen Einrichtungen.
Herr Postert zeigt sich zuversichtlich, dass es weiterhin stationären Einzelhandel geben werde, dieser werde nur ggf. anders aussehen. Während der Corona-Pandemie wären vor allem langlebige Güter wie z.B. Möbel oder hochwertige Güter wie Uhren, Schmuck und hochwertige Textilien erfolgreich gewesen. Er sei davon überzeugt, dass Menschen soziale Kontakte benötigten. Dies würde die Menschen auch auf die Marktplätze zurückführen. Im Übrigen seien Wochenmärkte auch ein Gewinner der Krise, da sie länger hätten öffnen können als andere. Auch dort werde deutlich, dass die Menschen den sozialen Kontakt suchten.
Er weist darauf hin, dass der Einzelhandel ein Bereich sei, den die Menschen gar nicht mehr aufsuchen müssten, wenn sie rein ihren Konsum befriedigen wollten. Die zentrale Frage des Einzelhandels sei, wie Mehrwerte geschaffen werden könnten, sodass der Kunde das tue, was er gar nicht mehr müsse: Selbst in die Stadtteilzentren zu gehen. Hier würden Kultur und Handwerk eine Rolle spielen.
Hinsichtlich der Frage, was getan werden müsse, gebe es keine Standardlösung. Es müssten die individuellen Qualitäten der Quartiere und Stadtteilzentren beachtet werden. Im Hamburger Norden könne man über eine Arbeitsteilung zwischen den Stadtteilzentren nachdenken, da nicht jedes Zentrum alles abdecken müsse. Auch diese Idee könne mit einer Stadt der kurzen Wege verbunden werden. Wenn man sich Gedanken mache, wie verstärkt Effekte erzielt werden könnten, müsse auch betrachtet werden, wie verschiedenste Angebote aus dem Einzelhandel, Kultur oder dem sozialen Bereich auf möglichst wenig Raum abgebildet werden könnten. Hier seien zwar auch finanzielle Aspekte wichtig, doch in solchen Fällen von Public-Private-Partnerships liege die Aufgabe von Städten und Gemeinden mittelfristig auch darin, neue Ideen zuzulassen und neue Formate zu entwickeln. Momentan gebe es in vielen Bereichen einen zu starren Rahmen. Innovation könne nicht an veralteten Ordnungsrahmen ausgerichtet werden, stattdessen müsse der Ordnungsrahmen Innovationen gegenüber auch angepasst werden. Dieses Mindset sei entscheidend, insbesondere da die Folgen der Coronakrise langfristig und zahlreich sein würden.
Herr Boltres bedankt sich für die Präsentation. Er betont, der Einfluss von Immobilienmaklern und Vermietern auf die aktuelle und zukünftige Situation sei hoch. Die Entwicklung des Einzelhandels hänge stark davon ab, wie viel Miete die Eigentümer für ihre Geschäfte verlangen würden. Er bittet hierzu um eine Einschätzung.
Herr Postert warnt vor gravierenden Problemen, da ganze Geschäftsmodelle wegbrächen. Die Entwicklung und das umfangreiche Refurbishment von Immobilien würden maßgeblich von dem Gedanken geprägt, langfristige Mietverträge abschließen zu können. Im Handel seien langfristige Mietverträge jedoch aktuell kein Thema. Dies werde zu einer Resegmentierung der Immobilien-Asset-Klassen führen. Auch hier müssten alte Denkmuster überwunden werden.
Zudem gebe es zahlreich Privateigentümer von Immobilien, die auf Mieteinnahmen angewiesen seien, um durch Investitionen zum Werterhalt ihrer Immobilie beitragen zu können. Aktuell hätten diese Eigentümer massive Probleme. Zudem hätten diese Eigentümer bisher nur eine dauerhafte Vermietung ihrer Immobilien erlebt. Natürlich müsse man diese Situation klar adressieren und auf diese Menschen sehr offen zugehen. Ohne die Leute, die entscheiden, an wen sie ihre Immobilien vermieten, sei es nicht möglich, alle geplanten und angedachten Projekte umzusetzen. Daher müsse versucht werden, diese Menschen für das angesprochene Mindset zu gewinnen.
Herr Schote beschreibt anhand einer Präsentation die Schwierigkeiten, die damit verbunden seien, wenn Unternehmen versuchten, ihre Kunden mit Social Media zu erreichen. Momentan, während der Schließung der Geschäfte, müsste ein deutlich höherer Aufwand für weniger Ertrag betrieben werden.
Von wichtiger Bedeutung sei auch die Nähe, da die meisten Menschen in Ihren Quartieren unterwegs seien und nicht in der Innenstadt. Der Grund hierfür sei auch gewesen, dass viele Menschen im Homeoffice seien und in ihr nächstgelegenes Quartier gingen.
Ein zweiter Vorteil der Quartiere sei der enge Draht zu den Kundinnen und Kunden. Wenn es auch eine persönliche Beziehung zwischen Händler und Kunden gebe, gelinge es leichter, trotz Schließung zu verkaufen.
Von Bedeutung seien auch die Quartiersinitiativen, wie z.B. die IG Fuhle. Zudem würden im Mühlenkamp die Kunden animiert, im eigenen Quartier zu kaufen. Auch in anderen Quartieren gebe es engagierte Händler.
Der starke Wandel, den der Handel ohnehin erfahre, werde noch beschleunigt. Die Veränderung erfordere von allen Beteiligten, neue Ideen und Konzepte zu entwickeln. Es sei richtig, dass dies von der Politik unterstützt werde. Dem Beispiel von Hamburg-Nord seien mittlerweile andere Bezirke gefolgt.
Bereits im vergangenen Sommer sei abzusehen gewesen, dass die IGs erheblich unter Druck gerieten. Durch das Plenum der Handelskammer sei damals ein Standpunkte-Papier beschlossen worden und an Politik und Verwaltung versendet worden. Es sei vorgeschlagen worden, dass die Stadt eine Co-Finanzierung von Quartiersmanagements in Höhe von ca. 1/3 leiste. Ein solches Konzept existiere bisher nicht. Es gebe bisher das kleine ökonomische Quartiersmanagement, welches in der Wirtschaftsbehörde verwaltet werde und wovon z.B. der Eppendorfer Baum profitiere. Dies geschehe jedoch nur in kleinerem Umfange und zeitlich stark begrenzt.
Die Handelskammer habe vorgeschlagen, dass zunächst sieben Quartiere finanziell unterstützt würden mit dem Ziel, dass Quartiersmanager für gute Rahmenbedingungen sorgten und den Kontakt zu Verwaltung und Politik herstellen würden. Insgesamt solle so für eine hohe Aufenthaltsqualität gesorgt werden. Das erhofft Signal der Politik sei hierzu noch nicht erfolgt. Viele Quartiere könnten davon profitieren, wenn sich jemand um alle Belange des Quartiers kümmere. Dies könne auch die Verwaltung entlasten.
Für die Außengastronomie sei es notwendig mehr Flächen zu schaffen, um Abstände einhalten zu können. Teilweise könne dies zu Lasten von Stellplätzen geschehen. Außerdem sollte eine Vielfalt geschaffen werden, indem verschiedenste Konzepte an einem Standort umgesetzt werden.
Er führt aus, dass Standortentscheidung – wie bspw. der Standort des Bezirksamtes – von hoher Relevanz seien. Durch solche Entscheidungen könnten Zentren belebt und deutlich attraktiver gemacht werden.
Herr Postert bedankt sich für die Einladung. Bis vor kurzem sei er selbst für die Industrie- und Handelskammer in Bochum tätig gewesen, seit 2021 sei er für das Büro Stadt + Handel tätig.
Die Trends auf der Nachfragenseite seien die Tiefenströmungen unserer Gesellschaft. Es gebe einen Wertewandel mit dem Ergebnis stärker ausdifferenzierter Lebensstile. Dies erfordere auch eine Differenzierung der Angebote. Darüber hinaus gebe es eine starke Zunahme des bewussten Konsums. Dies bedeute, dass viele Menschen bereit seien, bei Erkennung eines Wertes für eine Dienstleistung bzw. ein Produkt mehr Geld auszugeben, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel sowie im Textilbereich. Der Einkauf erhalte neben seiner klassischen materiellen Bedeutung zunehmend eine immaterielle Bedeutung.
Die Zahl der Privathaushalte nehme stetig zu, während gleichzeitig die durchschnittliche Personenzahl je Haushalt sinke. Dies führe zu einer weiteren Ausdifferenzierung hinsichtlich des Konsumverhaltens.
Durch die Coronapandemie sei deutlich geworden, dass die Zahl der Hochbetagten stark zugenommen habe. Aufgrund der zunehmenden Mobilitätseinschränkungen spiele hier die Nahversorgung eine große Rolle.
Heutzutage würden zudem alle Lebensbereiche digitalisiert. Dadurch werde auch das Einkaufen immer smarter. Jedoch verschiebe sich die Priorität häufig vom Besitz zur Nutzung. Insgesamt führe das veränderte Konsumverhalten zu disruptiven Auswirkungen.
Auf Angebotsseite komme es zu einer gleichzeitigen Kopplung und Entkopplung von Konsum. Es würde versucht, die Einkäufe effizient zu gestalten. Bundesweit werde versucht die Einkaufswege zu reduzieren und mit der beruflichen oder freizeitbedingten Mobilität zu verbinden. Zugleich steige die Bedeutung sog. flächenintensiver Kopplungsstandorte. Außerdem steige die Nutzerfreundlichkeit von Online-Einkäufen. Dies führe zu einer zunehmenden zeitlichen und räumlichen Entkopplung von Konsum. Für den Handel bedeute dies die Notwendigkeit, online auffindbar zu sein um das stationäre Geschäft zu ermöglichen.
Bei der Erlebnisorientierung gehe es darum, dass der Kunde einen Anreiz benötige, um wieder in den Laden zu kommen. Vor allem bei Supermarktketten, aber auch in anderen Bereichen sei eine steigende Innovationsbereitschaft festzustellen. Jedoch werde auch der Platzbedarf für solche Inszenierungen und damit die Verkaufsflächenansprüche größer.
Es sei keine neue, aber dennoch eine relevante Erkenntnis, dass der Online-Handel genau die Segmente bediene, die auch für Stadtteilzentren und Quartiere benötigt würden. Die mittelpreisigen Angebote seien genau im Zielbereich des Online-Shoppings. Dies erhöhe den Druck auf die urbanen Zentren.
Als Ergebnis müsse die Frage beantwortet werden, wie die disruptive Entwicklung auch mit Blick auf die Standorte aufzufangen sei. Die Frage sei, wie Urbanität mit Handel in den Stadtteilzentren erhalten werden könne, um auch neuen Handel zu ermöglichen. Als Rückschluss müsse überlegt werden, wie neue Strukturen vor Ort gebildet werden könnten. Es müsse auch diskutiert werden, wie Standorte wiederbelebt werden könnten.
Es dürfe jedoch nicht versucht werden, das zu bewahren, was es nicht mehr zu bewahren gelte und somit auch nicht irritiert von Digitalisierung und Globalisierung zu sein. Man könne die Digitalisierung positiv oder negativ sehen, Fakt sei jedoch, dass sie nicht rückgängig gemacht werden könne. Somit müsse die Frage beantwortet werden, wie damit umgegangen werde. Er weist darauf hin, dass Stadtplaner oftmals andere Zeithorizonte betrachten würden als bspw. die Wirtschaftsförderung, Gewerbetreibende oder Politik. Wenn jetzt schon deutlich werde, dass die Städte anders aufgestellt werden müssten, z.B. hinsichtlich Erlebnis, Mobilität und Erreichbarkeit, hätte dies schon bereits beginnen müssen. Da der Handel so disruptiv sei, erhöhe dies nochmals den Zeitdruck. Er sei davon überzeugt, dass es nicht möglich sei, diese sehr komplexen Aufgaben und Herausforderungen in der Stadtentwicklung, aber auch in der Handelsentwicklung, durch eine sektorale Betrachtung zu lösen. Als Beispiel dieses Problems weist er auf die Dieselfahrverbote in der Max-Brauer-Allee hin. Gleichzeitig wären in nächster Nähe große Kreuzfahrtschiffe in den Hafen eingefahren. Eine solche sektorale Betrachtung könne nicht zielführend sein, stattdessen müsse sich des Themas aus unterschiedlichen Perspektiven genähert werden. In diesem Zusammenhang zitiert er Albert Einstein: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Dies bedeute einen Paradigmenwechsel und ein völlig neues Mindset, wie künftig mit Handel und Handelsstandorten umgegangen werde. Die virtuelle Realität bestimme zunehmend die physische Realität. Dieser Effekt werde durch Corona noch hervorgehoben und verstärkt. Die Frage sei, wie diese beiden Realitäten optimal verbunden werden könnten, konkret, wie also die Algorithmen, die hinter unserem Kaufverhalten steckten, auch dem stationären Einzelhandel dienlich sein könnten. Beinahe jeder bewege sich mit dem Smartphone in einer Art doppelter Anwesenheit in den Städten. Wenn über die Digitalisierung von Standorten und Quartieren diskutiert werde, dürfe man sich nicht darauf beschränken, Produkte des Einzelhandels online zu verkaufen. Stattdessen müssten mit der Digitalisierung Anreize geschaffen werden, damit Urbanität wieder einen Wert erhalte. Dies funktioniere nicht nur über ein einzelnes Angebot. Der Einzelhandel könne nicht über die reine Masse an Angeboten konkurrenzfähig sein.
Das Kaufhaus des Westens als größte zusammenhängende Verkaufsfläche eines Geschäftes in Deutschland biete ca. 400.000 Produkte, während amazon.de ca. 229.000.000 Produkte im Portfolio habe. Der stationäre Einzelhandel müsse aus diesem Grund andere Aspekte als Angebotsvielfalt aufgreifen. Greenpeace habe die Aufwertung der Innenstädte als lokal genial bezeichnet. Dies müsse auch genial einfach bedeuten. Das Internet bediene nicht nur die Befriedigung von Konsum, sondern auch die Befriedigung von Bequemlichkeit. Zudem könnten möglichst schnell und effizient die Bedürfnisse des täglichen und mittelfristigen Bedarfes gedeckt werden. In der politischen Diskussion sei hierfür der Begriff Stadt der kurzen Wege geprägt worden. Auch unter dem Aspekt der Mobilitätswende sei hierfür nun die Zeit gekommen. Beispielsweise gebe es in Paris die Maßgabe, Paris zu einer ville du quart d’heure zu machen, sodass alle alltäglichen Dienstleistungen und Einrichtungen innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad zu erreichen seien. Dies sei die große Stärke von Urbanität, es könne eine Verdichtung all dieser Nutzungen hergestellt werden. Zwar sei alltagsfähige Mobilität nicht allein mit dem Fahrrad herzustellen, doch der Grundgedanke, die Stärke der Urbanität für den Einzelhandel zu nutzen, sei sehr zielführend.
Darüber hinaus müssten neue lokale Wertschöpfungsketten gebildet werden. Urban Production und Urban Farming würden aktuell in Mode kommen. Durch das Zurückdrängen des Einzelhandels würden für derartige Nutzungen Flächen zur Verfügung stehen, die zuvor dafür kaum zu bezahlen gewesen seien. Lokale Wertschöpfung funktioniere jedoch nur, wenn sie auch lokale Wertschätzung erfahre. Alle seien hier gefordert, diese Wertschätzung dem Handel entgegenzubringen. Jeder müsse sich die Frage stellen, wie er mit der Macht, nicht nur mit Solidaritätsbekundungen, sondern auch mit seinem Tun, Einfluss zu nehmen, umgehe. Wichtig sei, gemeinsam aktiv zu werden und sich der Problematik ganzheitlich zu nähern, um die Quartier und Stadtteilzentren in Hamburg-Nord wieder zu vitalen Stadtbausteinen zu machen. Es brauche mutige Menschen, Innovationen, ein bisschen Verrücktheit und frische Ideen.
Herr Dr. Schott bedankt sich für die Präsentation.
Herr Wendt weist darauf hin, dass nicht alle Produkte sofort eingekauft werden müssten und derartige Einkäufe insbesondere während des Lockdowns aufgeschoben worden seien. Er bittet um eine Einschätzung, in welchem Maße Produkte, die nun entbehrt worden seien, nach dem Lockdown nachgekauft würden.
Er lebe in Barmbek und befasse sich viel mit der Fuhlsbüttler Straße. Hier gebe es von Bürgerinnen und Bürgern immer wieder Hinweise, dass das Geschäftsleben eintönig sei. Größere Filialen gebe es dort nicht. Er bittet um eine Einschätzung, wie sich der Branchenmix in derartigen Geschäftsstraßen in der Zukunft entwickle.
Herr Kranz bittet Herrn Postert um die Übersendung der Präsentation im Anschluss an die Sitzung.
Herr Postert sagt die Übermittlung einer reduzierten Version zu.
Frau Ros erinnert daran, dass Herr Schote von sieben Quartieren gesprochen habe, die unterstützt werden sollten. Sie fragt nach, ob es hierzu schon konkrete Überlegungen gäbe. Sie möchte wissen, inwieweit es Korrelationen zwischen einem Standort und der Kultur gebe.
Sie fragt nach, ob mit Offlinestrategien eine Situation entwickelt werden solle, die Menschen in deutlicher attraktiverer Weise ein gemeinsames Einkaufserlebnis biete, das beim Onlineshopping nicht geboten werden könne. Sie fragt, was konkret die Politik hier tun könne, um z.B. neue Strukturen vor Ort zu schaffen.
Frau Möller bedankt sich für die interessanten Vorträge. Herr Schote habe bereits konkrete Anregungen gegeben, wie konkret im Bezirk Hamburg-Nord geholfen werden könne. Sie würde es begrüßen, wenn hierzu weiter Ideen ausgetauscht würden.
Heutzutage würden viele Menschen Wert auf Nachhaltigkeit legen. Gerade der Erlebnischarakter des Einkaufens und der Kultur seien die Ideen, die benötigt werden. Für die Zukunft solle noch betrachtet werden, wie die Freude und Begeisterung am Einkauf verstärkt werden könne. Zudem müsse der Einzelhandel befähigt werden, diese Angebote zu machen. Die Politik könne hier bestimmte Projekte finanzieren, wenn der Einzelhandel gute Ideen präsentiere. Es sei gut, Ideen für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit zu entwickeln.
Herr Schote erklärt, dass nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden könne, was gekauft werde, sobald die Geschäfte wieder öffneten. Ein Teil der Produkte werde momentan im Internet gekauft und somit auch nicht nach Öffnung der Geschäfte wieder in diesen erworben. Auch allgemein sei damit zu rechnen, dass ein Teil der Menschen weiterhin verstärkt im Internet einkaufe. Menschen, die offline-affin seien, hätten sicherlich einiges aufgeschoben, was Haushalt oder Garten betreffe. Was z.B. Kleidung oder Saisonware anbelange, werde einiges vermutlich nicht gekauft.
Der Branchenmix sei sehr wichtig. Hier sie in der Fuhlsbüttler Straße mit den Sanierungskonzept der Schritt gewagt worden, dies mitzugestalten. Dies sei schwierig, aber enorm wichtig, da es sicherlich Leerstände geben werde. Es sei der Wunsch, für diese Koordinierung ein Quartiersmanagement durch die Stadt zu Co-finanzieren. Diese Frage hätten in ersten Linie Senat und Bürgerschaft zu entscheiden. Im Handel werde es kleinere Flächen geben, da Geschäfte über die Masse an Produkten nicht mehr konkurrenzfähig seien. Auf die lokale Kundschaft zugeschnittene Angebote würden an Bedeutung gewinnen.
Es werde hoffentlich mehr Gastronomie, Dienstleister und produzierendes Gewerbe geben. Er wünsche sich, dass dort auch jemand dabei sei, der ein Schaufenster gestalten könne – andere Branchen außer dem Einzelhandel könnten dies bisher beinahe gar nicht. All dies müsse koordiniert werden. Falls sich Senat und Bürgerschaft zu einem solchen Programm bekennen würden, schlage er vor, gemeinsam mit den Behörden einen Kriterienkatalog zu gestalten. Hierbei solle es sich um größere Quartiere handeln, die auch in der Lage seien, die Co-Finanzierung durch die Privaten zu leisten. Es könne darüber nachgedacht werden, für die kleineren Quartiere, vor allem im Norden des Bezirkes, Teilzeitunterstützungen anzubieten.
Er weist darauf hin, dass nicht alle Kunden, die sagten, ihnen wäre Nachhaltigkeit wichtig, auch so handelten. Dennoch gebe es immer mehr Menschen, denen Nachhaltigkeit wichtig sei. Händler, die mit entsprechenden Angeboten agierten, würden berichten, dass sie damit gut zurechtkämen.
In Befragungen, was sich für Quartiere und Innenstadt gewünscht werde, würde fast immer Kultur genannt. Dieser Aspekt müsse jedoch richtig eingeschätzt werden – Theater, Kino oder Museum würden vergleichsweise selten besucht. Stattdessen seien mit Kultur auch inspirierende Ideen gemeint, an denen man kurz teilhaben könne oder kurze Performances. Momentan finde dahingehend ein Lernprozess statt und müsse Offenheit gegenüber solchen neuen Ideen entwickelt werden. Es würden auch Nutzungen möglich werden, die früher wegen der Mieten an einigen Standorten nicht vorstellbar gewesen seien. Insgesamt werde es somit hoffentlich einen etwas breiteren Mix geben, mit etwas weniger Handel, mit Gastronomie und verstärkt mit Funktionen wie Kultur, urbaner Produktion, Handwerk und öffentlichen Einrichtungen.
Herr Postert zeigt sich zuversichtlich, dass es weiterhin stationären Einzelhandel geben werde, dieser werde nur ggf. anders aussehen. Während der Corona-Pandemie wären vor allem langlebige Güter wie z.B. Möbel oder hochwertige Güter wie Uhren, Schmuck und hochwertige Textilien erfolgreich gewesen. Er sei davon überzeugt, dass Menschen soziale Kontakte benötigten. Dies würde die Menschen auch auf die Marktplätze zurückführen. Im Übrigen seien Wochenmärkte auch ein Gewinner der Krise, da sie länger hätten öffnen können als andere. Auch dort werde deutlich, dass die Menschen den sozialen Kontakt suchten.
Er weist darauf hin, dass der Einzelhandel ein Bereich sei, den die Menschen gar nicht mehr aufsuchen müssten, wenn sie rein ihren Konsum befriedigen wollten. Die zentrale Frage des Einzelhandels sei, wie Mehrwerte geschaffen werden könnten, sodass der Kunde das tue, was er gar nicht mehr müsse: Selbst in die Stadtteilzentren zu gehen. Hier würden Kultur und Handwerk eine Rolle spielen.
Hinsichtlich der Frage, was getan werden müsse, gebe es keine Standardlösung. Es müssten die individuellen Qualitäten der Quartiere und Stadtteilzentren beachtet werden. Im Hamburger Norden könne man über eine Arbeitsteilung zwischen den Stadtteilzentren nachdenken, da nicht jedes Zentrum alles abdecken müsse. Auch diese Idee könne mit einer Stadt der kurzen Wege verbunden werden. Wenn man sich Gedanken mache, wie verstärkt Effekte erzielt werden könnten, müsse auch betrachtet werden, wie verschiedenste Angebote aus dem Einzelhandel, Kultur oder dem sozialen Bereich auf möglichst wenig Raum abgebildet werden könnten. Hier seien zwar auch finanzielle Aspekte wichtig, doch in solchen Fällen von Public-Private-Partnerships liege die Aufgabe von Städten und Gemeinden mittelfristig auch darin, neue Ideen zuzulassen und neue Formate zu entwickeln. Momentan gebe es in vielen Bereichen einen zu starren Rahmen. Innovation könne nicht an veralteten Ordnungsrahmen ausgerichtet werden, stattdessen müsse der Ordnungsrahmen Innovationen gegenüber auch angepasst werden. Dieses Mindset sei entscheidend, insbesondere da die Folgen der Coronakrise langfristig und zahlreich sein würden.
Herr Boltres bedankt sich für die Präsentation. Er betont, der Einfluss von Immobilienmaklern und Vermietern auf die aktuelle und zukünftige Situation sei hoch. Die Entwicklung des Einzelhandels hänge stark davon ab, wie viel Miete die Eigentümer für ihre Geschäfte verlangen würden. Er bittet hierzu um eine Einschätzung.
Herr Postert warnt vor gravierenden Problemen, da ganze Geschäftsmodelle wegbrächen. Die Entwicklung und das umfangreiche Refurbishment von Immobilien würden maßgeblich von dem Gedanken geprägt, langfristige Mietverträge abschließen zu können. Im Handel seien langfristige Mietverträge jedoch aktuell kein Thema. Dies werde zu einer Resegmentierung der Immobilien-Asset-Klassen führen. Auch hier müssten alte Denkmuster überwunden werden.
Zudem gebe es zahlreich Privateigentümer von Immobilien, die auf Mieteinnahmen angewiesen seien, um durch Investitionen zum Werterhalt ihrer Immobilie beitragen zu können. Aktuell hätten diese Eigentümer massive Probleme. Zudem hätten diese Eigentümer bisher nur eine dauerhafte Vermietung ihrer Immobilien erlebt. Natürlich müsse man diese Situation klar adressieren und auf diese Menschen sehr offen zugehen. Ohne die Leute, die entscheiden, an wen sie ihre Immobilien vermieten, sei es nicht möglich, alle geplanten und angedachten Projekte umzusetzen. Daher müsse versucht werden, diese Menschen für das angesprochene Mindset zu gewinnen.
Herr Bartmann informiert die Teilnehmer*innen, dass er in seiner Eigenschaft als Präsident des Handelsverbands Nord, die Einzelhandelsinteressen von Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern repräsentiere und seit 40 Jahren als Unternehmer d.h. als Einzelhändler in Hamburg-Barmbek mit der Firma Globetrotter tätig sei und über 30 Jahre Bezirk Hamburg-Nord aufgewachsen sei.
Die Situation des Einzelhandels sei im letzten Jahr recht ambivalent gewesen. Einerseits sei der Einzelhandel während der Pandemie in einer Größenordnung von ca. 4% - 4,2% gewachsen mit sehr unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Branchen. Profiteure der Pandemie seien der Bereich Lebensmittel mit 40% des gesamten Einzelhandels sowie Möbel- und Baumärkte, die aufgrund des Comebacks des Cocooning-Trends, gute Geschäftszahlen dargelegt hätten. Massiv verloren habe der Bereich Textil und Schuhe.
Protokollnotiz: Definition Cocooning (Stablers Wirtschaftslexikon)
Verhaltensform, die im Rückzug von der komplexen, bedrohlichen und unkontrollierbaren Umwelt in die eigenen vier Wände besteht. Daraus resultiert für Unternehmen die Problematik, einerseits die Bedürfnisse des Konsumenten zu ermitteln und ihn andererseits in seiner Zurückgezogenheit zu kontaktieren.
Der gezielte Rückzug ins Private wird mehr und mehr zum Lebensstil. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Cocooner ihr Zuhause mithilfe digitaler Medien zu einem Konsum-Drehkreuz ausbauen. Denn selbstbestimmtes Einkaufen aus der sicheren Umgebung der eigenen vier Wände mit Wohlfühlbonus klingt vielversprechend. Mehr noch, Cocooner dürfen heute aufgrund zahlreicher Home-Service-Angebote ein Erlebnis, das früher nur beim Ausgehen möglich war, ganz privat und ohne Qualitätseinbußen erleben.
Herr Bartmann sagt, allen Nostalgikern müsse die Augen geöffnet werden, denn es werde kein Zurück zum Althergebrachten geben. Der künftige Einzelhandel in unseren Städten und Straßen müsse sich ändern, neuen Kunden und neuen Herausforderungen stellen. Die Pandemie sei vermutlich nur ein Beschleuniger, die sicherlich wirtschaftliche Probleme bereitet habe, aber das, was sich derzeit aufzeige, sei eine Handelsverteilung und eine Problematik, die etwa für 2026-2028 gesehen worden sei. Dazu gehöre das Thema „Online-Handel“, der mittlerweile 15% des Gesamthandels ausmache und der jetzt über 20% gewachsen sei. Es wird hier kein Zurück geben, sondern er werde sich in der Form weiter entwickeln und auch weiter nach vorn entwickeln.
Die letzten Monate haben gezeigt, dass durch die Pandemie auf einmal Gefühle und Sehnsüchte entwickelt worden seien, die man vielleicht noch nicht kannte oder die zuvor selbstverständlich gewesen waren. Es fehlten plötzlich die physischen Kontakte zu Familienmitgliedern, zu Freunden und dem gesamten sozialen Umfeld. Das benennen Bürger*innen, wenn man sie nach ihren größten Wünschen nach der Pandemie fragt. Aber Bürger*innen möchten auch wieder essen, shoppen und einkaufen gehen und Kultur erleben. Diese Chance gelte es zu nutzen. Die Menschen hätten in den letzten Monaten die Wichtigkeit ihres Quartiers erkannt. Bei einer Befragung der Einzelhändler im Quartier hätten diese geäußert, dass die Situation zwar nicht schön, aber auch nicht wirklich der Lockdown zwar nicht schön, aber auch nicht richtig problematisch, abgesehen von dem harten Lockdown. Die Menschen hätten zwischen der ersten und zweiten Phase der Pandemie wesentlich stärker im Quartier gekauft. Da müsse man ansetzen, dass sich dieser Trend nicht wieder zurück entwickle. Herr Bartmann sagt, man müsse sich der Bedeutung bewusst werden, dass die polyzentrische Struktur in Hamburg ein hohes Gut sei. In Berlin gebe es etwas vergleichbares, aber viele Städte würden sich danach sehnen, neben der eigentlichen Innenstadt, auch noch Stadtteil-Quartiere zu haben. Diese Quartiere seien keine Selbstverständlichkeit, sondern müssten gepflegt werden, damit sie leben und bestehen können.
Es sei jetzt notwendig, die Verantwortung anzunehmen und umzusetzen.
Zur Umsetzung gehört zum einen ein anderes Management von Strukturen, denn das habe man in der Vergangenheit eigentlich sich selbst überlassen, viel lief über ehrenamtliches Engagement. Das würde nicht mehr ausreichen. Quartiere müssten professionell gemanagt werden. Denn ein Quartier sei mehr als die bloßen Einkaufsstraßen mit ihren Geschäften. Deutlich sei das geworden, als der innerstädtische hanseatische Einzelhandel in Hamburg im November zwar öffnen durfte, aber es seien Kunden ausgeblieben. Die Menschen, die normalerweise in der Innenstadt arbeiten würden, seien nicht mehr da gewesen, Restaurants und Kultureinrichtungen und Toilettenanlagen seien geschlossen gewesen, so dass sich die Menschen gefragt hätten, wofür man in die Stadt gehen sollte.
Diese Stakeholder (Gastronomie, Kultur, Gewerbe und Wohnen, Mieter- und Vermieter) gehörten koordiniert und müssten in einer Hand zusammenlaufen und habe auch mit Marketing und Vermarktung zu tun, was am Ende auch Geld und Finanzierung bedeute.
Der zweite andere, aber auch entscheidende Weg sei, dass die Stakeholder erheblich besser und digital werden müssten. Wenn Händler im Internet zeigen könnten, welche Leistung sie erbringen können und dass sie präsent seien, würden Menschen auch in den Bezirk kommen.
Man müsse ebenso aufpassen, dass die Geschäfte in den Quartieren auch nicht aussterben. Die nachwachsende junge Generation würde anders konsumieren, die aber auch sehen und gesehen werden wollen. Es sei ein Trugschuss, dass junge Menschen ausschließlich im Internet kaufen würden. Gerade kleine kultige Szenegeschäfte würden stark nachgefragt und es gebe ausreichend Start-Ups und Einzelunternehmen, die dieses Feld bespielen müssen, um eine Begeisterung für alle Generationen zu finden.
Der Einzelhandel könne wieder zu neuen Höhen komme, wenn er (und auch wir alle) in Zukunft unseren Job machen. Die kommenden ein bis zwei Jahre sollten genutzt werden.
Am Ende dieser Thematik werde nicht der Große den Kleinen schlagen, sondern der Schnelle den Langsamen.
Herr Bartmann ruft dazu auf, mutig zu sein.
Der Vorsitzende eröffnet die Diskussion.
Herr Kroll, verweist auf Punkt 17
„Übergeordneten Quartiersmanager im Bezirksamt: Koordinierung sämtlicher Quartiere, Ansprechpartner für die Quartiere, als Ergänzung zum Wirtschaftsförderer (der hat nicht nur die Quartiere im Blick)“
aus dem Forderungskatalog der Interessengemeinschaft Mühlenkamp. Mit dieser Forderung unterscheide man sich von dem Vorschlag der Handelskammer. Man sei der Auffassung, dass es keinen Sinn mache, im Bezirk Hamburg-Nord irgendeine der Interessengemeinschaften (IG) herauszunehmen und diese besonders zu fördern und die anderen liegen zu lassen, so wie es im Bezirk Hamburg-Mitte umgesetzt werde. Dort würden die bewilligten 15.000€ an eine einzige IG gegeben.
Im Bezirk Hamburg-Nord brauche man jemanden, der sich um alle Quartiere und um alle Bereiche kümmern würde z.B. brauche es die Nahversorgung in Langenhorn und in Ochsenzoll, aber auch in vielen anderen Bereichen.
Herr Busold möchte den Vorschlag von Herrn Bartmann nach einem Quartiersmanager aufnehmen, dennoch möchte er von den Referenten konkrete und umsetzbare Beispiele benannt bekommen, der die Politik nachgehen könne.
Der Vorsitzende möchte ergänzend zu der v.g. Frage von Herr Postert wissen, ob es in Deutschland Kommunen gebe, die bereits in die Zukunft ausgerichtet seien bzw. ob ein Beispiel einer Stadt benannt werden könne.
Herr Postert nennt die Stadt Langenfeld in Nordrhein-Westfalen, die sich unter dem Aspekt der Digitalisierung ein großes Renommé erworben habe, allerdings seien es in aller Regel individuelle Lösungen, die sich häufig auf Begabungen der jeweiligen Situation (Einzelunternehmerische, Quartiers- oder Stadtinitiativen) beruhen. Herr Postert verweist auf das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0, wo es genau um diese Themen gehe, wie man Handel und Handelsstandorte qualifizieren könne. Aber es gehe nicht nur um das Thema Digitalisierung, es gehe um Aufenthaltsqualität, um den Sozialraum. Man suche eine Stadt nicht nur auf, weil das Einkaufserlebnis befriedigt werden solle, sondern weil man in Kontakt mit anderen Menschen treten möchte.
In vielen Teilen der Bundesrepublik werde momentan der Fehler begangen, den man vor 30 Jahre im Einzelhandel begangen habe, nämlich die Standorte auf der grünen Wiese für die Gastronomie zu öffnen. Wenn an Ein- und Ausfallstraßen diese Art stand-alone-Gastronomie zugelassen werde, die dann wiederum Urbanität aus den Zentren ziehe, dann werde man ein wirkliches Problem bekommen, weil so die Kaufkraft über die Gastronomie auch noch aus der Innenstadt gezogen werde.
Frau Bruns fragt die Referenten nach deren Einschätzung zum verkehrspolitischen Thema der Stellplätze und ob es ratsam sei, sich auch noch Gewerbevertreter an den Runden Tisch zu holen.
Frau Helms betont die Vorteile hinsichtlich der Aufenthaltsqualität für Familien innerhalb der Quartiere deutlich machen, wenn sich Familien in Parks und auf Spielplätzen aufhalten können. Ein Einkauf in der Innenstadt mit kleinen Kindern mache keinen Spaß, ohne dass es für Kinder ein Spielangebot gebe, bspw. gebe es in Oslo mitten in der City einen großen Spielplatz, der von Familien gut angenommen werde.
Der Vorsitzende bittet Herrn Bartmann und Herrn Schote um ihre abschließenden Stellungnahmen.
Herr Bartmann sagt zum Thema Quartiersmanager, dass keine große Diskrepanz zur Handelskammer bestehe. Unternehmer würden Wert auf Qualität, denn auf Quantität legen. So würden hochprofessionelle gute Quartiersmanager gebraucht und das Quartier sollte eine gewisse kritische Größe haben. Herr Bartmann unterstützt den Ansatz der Handelskammer einen übergeordneten Leiter einzusetzen, der im „Untergrund“ professionell koordiniere. Das würde mehr Sinn machen, als wenn drei mittelklassige Einzelmanager tätig werden.
Die Frage nach den Einzelnahmen spreche dafür, dass man stärker im Bezirk zusammenarbeiten müsse. Vieles laufe allein in Hamburg parallel und doppelt, dass das übergeordnet koordiniert werden müsse. Es bringe nichts, wenn sich jeder selbst erfindet. Die Quartiersgruppe sei dafür da, sich mit anderen Quartieren auszutauschen, Kooperationen anzustreben und gemeinsame Projekte nach vorn zu entwickeln. Viele liegen griffbereit in der Schublade, es müsse sie nur jemand in die Hand nehmen und umsetzen. Nicht nur die Quartiere, sondern auch die Bezirke müssen mit der Stadt Hamburg zusammenarbeiten, denn letztendlich gebe es bundesweit gleichartige Probleme.
Hinsichtlich der Mobilität sagt Herr Bartmann, müsse man sich im Klaren sein, dass private Mobilität und Autos nicht mehr die Bedeutung in einer 15-Minuten-Stadt haben werde. Spätestens in 10-20 Jahren sei die private Mobilität obsolet, in den Hauptstädten gehe der Trend hin zu mehr Aufenthaltsqualität auf Kosten von Stellplätzen.
Herr Schote möchte noch einen Aspekt ansprechen. Jedes Quartier habe seine Qualitäten und müsse diese auch selber entwickeln. Natürlich könne man sich an guten Beispielen orientieren, jedoch müsse man auch schauen, ob es im eigenen Quartier auch passe. Daher sei ein Erfahrungsaustausch wichtig. Herr Schote berichtet von einem Austausch mit der Stadt Bremen, die in der Bremer Neustadt einen Fahrrad-Lieferdienst organisiere. Dessen Implementierung habe zunächst Geld gekostet, funktioniere aber gut. Das großartige Projekt Future-City-Langenfeld habe ebenfalls viel Geld gekostet, funktioniere ebenfalls gut. Dieses Projekt konnte aber auch nur in der Form umgesetzt werden, weil bestimmte Voraussetzungen gegeben waren d.h. derartige „Erfolgsgeschichten“ lassen sich nicht 1:1 auf Hamburg bzw. den Bezirk Hamburg-Nord übertragen. Best Practice sei z.B. auch der neu gestaltete Platz rund um das Museum für Arbeit mit Globetrotter, dem Museum, dem Osterbekkanal, der Zinnschmelze und der unmittelbaren Nähe zur U-Bahn.
Dass ein U-Bahnhof direkt am Einkaufsbereich in Langenhorn ein ÖPNV-Knoten (U-Bahn, Bus und Fahrrad) sei und nebenbei auch mit dem PKW gut zu erreichen sei, werde für selbstverständlich gehalten, aber das sei eben auch ein gutes Beispiel von „Best Practice“.
All das sei – wenn man sich umschaut – auch in den Quartieren zu finden. In diesem Zusammenhang werde gern ein Erfahrungsaustausch organisiert, damit jeder Stadtteil seine eigenen Begabungen herausarbeiten könne, um die neuen Erwartungen der Kunden und Besucher auf sich ausrichten zu können.
Der Vorsitzende sagt, allen Teilnehmer*innen sei bewusst, dass sehr deutlich Umbrüche bevorstünden und dankt den Referenten für deren Vorträge. Der Vorsitzende übergibt das abschließende Wort an Frau Dalhoff in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des StekA.
Frau Dalhoff würdigt den heutigen Termin als ein echtes Experten-Hearing und zitiert aus einem Buch (Kapitel: Markt und Staat)der Politökonomin und Professorin Maja Göpel, die kurz vor der Pandemie folgendes geschrieben hat: „Die Frage lautet also nicht, ob Anreize, Verbote oder Verteuerungen sein dürfen, oder nicht. Sie lautet, welche von ihnen in der neuen Realität nicht mehr funktioniert, falsch gesetzt sind und uns dabei im Weg stehen, das notwendige Ziel einer nachhaltigen Lebensweise zu erreichen. Der Markt ist kein regelfreier Raum, sondern erst durch Regeln erschaffen worden. Diese Regeln beeinflussen, welche Freiheiten wir haben und welche nicht, was uns verboten ist und was nicht und welche Innovationen wahrscheinlich sind und welche nicht“
Der Vorsitzende verabschiedet die Referent*innen.
Der Vorsitzende führt einleitend kurz aus, dass der vorliegende Antrag in der letzten Sitzung, Anlass für die heutige Diskussion gewesen sei und dass mittlerweile eine Arbeitsgruppe zwischen den Fraktionen gegründet worden sei, deren Mitglieder feststünden. Herr Redlich sei in dem Zusammenhang gebeten worden, die Koordination zu übernehmen, wobei die heutigen Beiträge der Experten sicher in die Arbeitsgruppe mit einfließen und dort bewertet werden.
Zum heutigen weiteren Verfahren müsse besprochen werden, ob zum nächsten WAD-Sitzungstermin am 30.03.2021 weitere Experten und/oder die Vertreter*innen der Interessengemeinschaften für eine ausführlichere Diskussion einzuladen wäre und bittet um Wortmeldungen aus den Fraktionen.
Herr Busold sagt, der vorliegende Antrag sei die Grundlage für weitere Diskussionen und für die Arbeitsgruppe und solle heute nicht beschlossen werden, daher werde die Vertagung beantragt.
Es sollten noch zwei Gruppen eingeladen werden, einen (betroffenen) Einzelhändler aus dem Quartier und einen Wissenschaftler aus einer universitären Einrichtung.
Frau Bruns stimmt Herrn Busold zu, schlägt aber vor, zusätzlich Vertreter der Interessengemeinschaften dazuzuholen, um ein umfassenderes Bild zu bekommen.
Frau Möller findet es ebenfalls wichtig, sich weiter mit den IG zu unterhalten und auch einen Wissenschaftler zu Wort kommen zu lassen. Frau Möller schlägt vor, den vorliegenden Antrag zurückzuziehen, da ein neuer Antrag entwickelt und gemeinsam eingebracht werden solle.
Herr Taheri schlägt zum weiteren Verfahren vor, eine weitere Diskussion zu den heute gehörten Beiträgen zu führen, um dann die Arbeitsgruppe über das weitere Vorgehen entscheiden zu lassen. Die Kommunalpolitik hat einen Eindruck von den Bürger*innen des Bezirks bekommen. Herr Taheri lobt die qualitativ guten Vorträge der heutigen Experten, nichtsdestotrotz würden die Vorträge in die Zukunft weisen und würden nicht stark genug den Ist-Zustand beleuchten.
Die Intention der Ausschussmitglieder sei ja gewesen, eine lösungsorientierte Arbeit durchzuführen und den Handel kurzfristig und mittelbar zu unterstützen, daher sollte man erst einmal die Stoßrichtung festlegen.
Herr Wendt stimmt dahingehend zu, dass sich die Arbeitsgruppe zwischenzeitlich treffen solle um auszuloten, welche Punkte für einen neuen Antrag übernommen werden könnten. Weitere Experten-Hearings bis in den Herbst hinein wolle man vermeiden. Ein neuer Antrag müsste nach Beschluss auch noch in die weiteren Gremien gebracht werden.
Herr Redlich stimmt beiden Vorrednern zu. Der Input heute sei fundiert, bodenständig und in die Zukunft gerichtet gewesen, so dass die Arbeitsgruppe arbeitsfähig sei und die nächste Sitzung des WAD vorbereiten könne.
Frau Möller geht davon aus, dass am 30.März ein neuer Antrag vorgelegt werden könne.
Herr Busold vermutet, dass aufgrund der Fülle der heutigen Inputs, ein finales Ergebnis am 30.März noch nicht vorgelegt werden könne, so dass man sich weitere Expertenmeinungen in der nächsten Sitzung anhören könne.
Der Vorsitzende sagt es sei denkbar, wenn die Arbeitsgruppe jetzt ihre Arbeit aufnehme, dass man die Sitzung am 30.03. dafür nutzen könne, einige Stimmen aus dem Bezirk / seitens der Interessengemeinschaften zu hören, um dann danach einen finalen Antrag in die Bezirksversammlungssitzung im April einzubringen.
Der Vorsitzende bittet um Wortmeldungen, wie mit dem vorliegenden Antrag weiterverfahren werden solle.
Herr Busold sagt, der vorliegende Antrag solle – wie in der Bezirksversammlung beschlossen – weiterhin als Grundlage bestehen bleiben und beantragt die Vertagung.
Frau Möller spricht sich gegen eine Vertagung aus, da ein neuer und gemeinsamer Antrag entwickelt werden solle. Frau Möller bittet auch um eine Abstimmung, falls der Antrag nicht zurückgezogen werde.
Herr Taheri plädiert ebenfalls dafür, dass alle Fraktionen die Chance nutzen, gemeinsame Bedürfnisse und Forderungen in einem gemeinsamen Antrag aufzulegen und rät dazu, den Antrag zurückzuziehen.
Herr Busold sagt, da alle den gleichen Ansatz vertreten, spricht nichts gegen eine Vertagung.
Der Vorsitzende erläutert, dass es jeder Fraktion frei stehe, einen Antrag vor dem Hintergrund einer sachbezogenen Entwicklung, für erledigt zu erklären.
Herr Wendt stimmt dem Vorschlag zu, mit der Option, wenn keine Einigung über einen gemeinsamen Antrag zustande kommen würde, dieser Antrag immer noch einmal gestellt werden könnte.
Der Vorsitzende erwähnt, dass sich die Mehrheit im Chat für diese Regelung (Antrag wird zurückgezogen) ausgesprochen habe. Der Vorsitzende wünscht der Arbeitsgruppe viel Erfolg für ihre Arbeit.
Es liegen keine Wortmeldungen vor.
Der Vorsitzende schließt den öffentlichen Teil der Sitzung und bittet die Ausschussmitglieder des WAD sich mit den nichtöffentlichen Einwahldaten in die nichtöffentliche Sitzung einzuloggen.