Vorstellung der Stadtentwicklung in Hamburg-Nord
Hamburg-Nord gehört in seiner jetzigen Abgrenzung bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu Hamburg. Deshalb beheimatet der Bezirk alle Infrastrukturen einer Großstadt – vom Flughafen über eine Reihe von Krankenhäusern, wichtigen gewerblichen Standorten, der JVA Fuhlsbüttel, dem Stadtpark bis hin zum größten Parkfriedhof der Welt in Ohlsdorf. Die Alster in all ihren Ausprägungen vom mäandrierenden Flüsschen über den kanalisierten Lauf bis hin zur weiten Außenalster prägt und gliedert gemeinsam mit ihren kanalisierten Nebenflüssen den vielfältigen Siedlungskörper.
Schumachers Federplan und Grünes Netz
Der frühere Oberbaudirektor Fritz Schumacher hat mit seinem sogenannten Federplan von 1919 („Schema für die natürliche Entwicklung Hamburgs und seiner Nachbarstädte“) der Entwicklung Hamburgs ein ebenso einprägsames wie visionäres Leitbild zugrunde gelegt, an dem sich noch heute die städtebauliche Entwicklung orientiert: die bauliche Entwicklung entlang der wichtigen Verkehrs- und Schnellbahnachsen zu forcieren (Trasse der U 1, Magistralen Mundsburger Damm – Bramfelder Straße und Alsterkrugchaussee – Langenhorner Chaussee) und dafür in den sogenannten Achsenzwischenräumen (entlang des Alsterlaufs, des Osterbek- und Eilbekkanals) das Grün und die Landschaft bis in die innere Stadt zu erhalten und damit den Siedlungskörper zu gliedern.
Das Zusammenspiel aus dem Konzept der Landschaftsachsen und dem Konzept der grünen Ringe (Wallring als erster Grüner Ring und der zweite Grüne Ring – in Hamburg-Nord vom Friedhof Ohlsdorf bis zum südl. Flughafenumfeld) ergänzt um kleinere Grünzüge und Grünflächen ergibt das Freiraumverbundsystem „Grünes Netz Hamburg“.
Die Bedeutung der Grün- und Freiflächen des Freiraumverbundsystems Grünes Netz sowie der Kulisse aus Landschafts- und Naturschutzgebieten für die Lebensqualität Hamburgs wurde 2019 im „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ für alle städtischen Akteure verbindlich fixiert. Der Vertrag bindet alle städtischen Akteure und zielt darauf ab, die Grünflächen und Schutzgebiete langfristig zu sichern. Er beinhaltet darüber hinaus eine Kompensationsregelung für unabwendbare Eingriffe in die Flächenkulisse des Grünen Netzes. Daher wird jedes neue Stadtentwicklungsprojekt daraufhin geprüft, ob das Grüne Netz respektiert, vorhandene Defizite ausgeräumt und neue Aufenthalts- und ökologische Qualitäten entwickelt werden können.
Beispiele:
- Goldbekkanal – Poßmoorweg: Hier wird das Areal nach Abschluss der U5-Baustelle sowohl städtebaulich als auch freiraumplanerisch neu geordnet. So wird eine öffentlich nutzbare Grünanlage, mit Bauspielplatz, Kinderspielplatz und Grünfläche für alle direkt am Kanalufer entstehen.
- Osterbek- Landschaftsachse
- Alsterlauf und Alster-Landschaftsachse bilden einen der zentralen Landschaftsräume von der innerstädtischen Außenalster über die kanalisierte Alster bis hin zur eher natürlichen Alster nördlich der Fuhlsbüttler Schleuse. Projekte sind der Neubau des Alsterwanderweges und die Neugestaltung der Wege und Brücken am Schwanenwik/Hohenfelder Bucht.
Hamburger Maß – Leitlinien zur lebenswerten kompakten Stadt
Hamburg setzt auf eine flächenschonende und nachhaltige Stadtentwicklung, um dem großen Bedarf an verschiedenen Nutzungen in der Stadt gerecht zu werden – dazu gehören Wohnraum, Arbeitsstätten und soziale Infrastruktur. Die Flächen innerhalb der gebauten Stadt sollen effizienter genutzt und bestehende Siedlungskontexte behutsam ergänzt werden. Baulücken, brach gefallene Gewerbe- und Infrastrukturflächen oder untergenutzte Stadtbereiche, die im Einzugsbereich der großen Verkehrsstraßen, Zentren oder Schnellbahnhaltestellen liegen, bieten Potenziale für die Innenentwicklung.
Es geht auch darum, die stadträumlichen Qualitäten der Quartiere zu steigern und eine hohe Lebensqualität zu schaffen. Der Neubau und die Modernisierung von Wohnungen, neue Grün- und Freiraumqualitäten, verbesserte Wegeverbindungen, soziale Infrastruktur sowie eine breite Nutzungsvielfalt sollen dazu beitragen, die Quartiere lebendiger und lebenswerter zu machen und das Wohnenbleiben im Quartier auch im Alter zu erleichtern.
Für Hamburg-Nord lassen sich folgende Kernbotschaften formulieren:
Alle Projekte sind daraufhin zu prüfen und zu optimieren, wie Funktionstrennung aufgehoben werden kann; je nach Lage im Stadtgebiet sind Erdgeschosse für quartiersbezogene Nutzungen, Nahversorgung und ggf. Arbeitsplätze freizuhalten. Damit werden überflüssige Wege vermeidbar, CO2-Reduktion und Klimaschutz erreicht und lebendige, altersgemischte Nachbarschaften befördert.
Projektbeispiele:
Stadtpark, Ohlsdorfer Friedhof, die vielen Kanäle sowie kleinen Quartiersparks, Grünzüge und Freiflächen sowie Landschaftschutzgebiete und die Naturschutzgebiete Raakmoor, Eppendorfer Moor und Rothsteinsmoor spielen eine wesentliche Rolle für die Erholung und die Bewahrung der ökologischen Vielfalt und klimatischen Funktionen in der Stadt. Diese Flächen bleiben erhalten und werden nach und nach weiterentwickelt. Anthropogen überformte „Restgrünflächen“ werden daraufhin überprüft, wie ihre ökologische Wertigkeit und Freiraumqualität verbessert werden kann und sie so zum Wohl aller Einwohner der Stadt im Hinblick auf Freizeit und Erholung sowie den Naturhaushalt in Wert gesetzt werden können.
Projektbeispiele:
Hauptverkehrsstraßen und -achsen sind wichtige urbane Orte, die weiterentwickelt werden. Dabei soll insbesondere die Nutzung für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen einladend umgestaltet werden. Geänderte Mobilitätsbedürfnisse, Anforderungen der Klimaanpassung und des Klimaschutzes sowie der Gesundheitsvorsorge erfordern ein Umdenken in der Verkehrsplanung und einen verstärkten Fokus auf die nichtmotorisierte Mobilität. Räumliche und Aufenthaltsqualitäten müssen in den Vordergrund gerückt werden und dabei die wichtige Verkehrsfunktion beachten. Neben einer besseren Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer:innen können so auch neue Potenziale für Wohnen, Arbeits- oder Freizeitorte entstehen.
Infrastrukturprojekte wie der Neubau der U-Bahn-Linie U5 sollten insbesondere auch als Investition in die Stadtentwicklung begriffen und gestaltet werden. Städtebauliche und stadtentwicklungspolitische Aspekte sind gleichberechtigt mit verkehrlichen, baulichen und wirtschaftlichen Aspekten in die Abwägung einzustellen.
Projektbeispiele:
Hamburg ist historisch die Stadt der vielen Zentren. Gewachsene Ortskerne bilden auch in Hamburg-Nord die Keimzellen funktionierender Nachbarschaften in den Stadtteilen. Die Identifikation zu fördern und den neuen Herausforderungen des Einzelhandels, der sozialen und kulturellen Infrastruktur und des Zusammenlebens anzupassen ist ein wesentliches Ziel der Stadtentwicklung. Dazu gehört es auch, die angestammte Wohnbevölkerung vor Verdrängung zu schützen um die gewachsenen Quartiere in ihrer Eigenart zu erhalten.
Projektbeispiele:
Es gilt, die Stadt wieder stärker gemischt zu denken und zu bauen. Mit den neuen mobilen Möglichkeiten des Arbeitens, den neuen Arbeitswelten als Folge der Pandemie aber auch hohen Standards der Betriebstechnik und -überwachung spielen Immissionen durch störende gewerbliche Nutzungen eine immer geringere Rolle. Die Stadt als Wohn- und Freizeitort sowie der wirtschaftlichen Produktion und Entwicklung, des Handwerks, der technischen und technologischen Innovation, der Forschung und Wissenschaft steht im Vordergrund. Im Interesse kurzer Wege, der Reduktion von Emissionen und der städtischen Wertschöpfung müssen Quartiere neben Wohnungen, Frei- und Grünflächen zukünftig mehr Raum bieten für Arbeitsplätze und die lokale Wirtschaft.
Gewerbegebiete mit störenden und stark emittierenden Betrieben gehören ebenso zum Fundament der wirtschaftlichen Kraft Hamburgs und müssen mit allen gebotenen Maßnahmen geschützt werden.
Projektbeispiele:
Hamburg ist eine Stadt für alle. Damit auch jene hier wohnen und leben können, die aufgrund geringerer Einkommen, körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen, ihrer Herkunft aus Krisenregionen oder anderen Gründen nur schwer geeigneten Wohnraum finden, gilt für die Vergabe städtischer Grundstücke, mindestens ein Drittel geförderten Wohnraum zu schaffen. Grundstücke werden im Konzeptverfahren ausgeschrieben und in Erbpacht vergeben. Dafür kooperiert das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung eng mit dem Fachamt Sozialraummanagement. So gelingt es bereits in der Phase der Konzeptausschreibung, neben Anforderungen an den geförderten Wohnungsbau gemeinsam Bedarfe für besondere Wohnformen zu formulieren und in der Projektentwicklung der Bauherren zu berücksichtigen.
Projektbeispiele:
Hamburg blickt auf eine beeindruckende Tradition der städtebaulichen und architektonischen Qualität zurück. Hamburg-Nord weist mit Ensembles wie der Frank’schen Siedlung, der Jarrestadt, dem Dulsberg aber auch der City Nord neben einer Vielzahl von Einzeldenkmälern bedeutsame Ensembles des Reformwohnungsbaus der 1920er-Jahre sowie des Städtebaus der 1960er- und 1970er-Jahre auf, die es zu erhalten und behutsam weiterzuentwickeln gilt. Es sind Inkunabeln der Städtebaugeschichte mit einer Ausstrahlung weit über die Grenzen Hamburgs hinaus. Wichtige Bestände der gründerzeitlichen Stadterweiterungen wie in Eppendorf oder Winterhude prägen das Stadtbild ebenso wie eine Vielzahl von Wohnsiedlungen der 1950er- und 1960er-Jahre.
Neben dem Denkmalschutz ist auch die städtebaulichen Erhaltungsverordnung nach § 172 (1) Nr. 1 BauGB ein erprobtes Instrument, in erhaltenswürdigen und für das Stadtbild bedeutsamen Ensembles durch den Genehmigungsvorbehalt für alle Bau- und Abrissvorhaben steuernd auf den Erhalt und die behutsame Sanierung / Weiterentwicklung historisch und kulturell wertvoller Bauwerke und Ensembles Einfluss zu nehmen.
Vor dem Hintergrund der reichen baukulturellen Tradition ist auch bei neuen Bauvorhaben der gestalterischen Qualität eine hohe Bedeutung beizumessen. Für städtische Flächen und größere Projekte bedeutet dies, Wettbewerbsverfahren durchzuführen, um unter mehreren Entwürfen den besten Vorschlag auszuwählen.
Projektbeispiele:
Bürgerbeteiligung zusätzlich zu den im BauGB vorgeschriebenen Formaten genießt einen hohen Stellenwert in den Aushandlungsprozessen zur Stadtentwicklung. Neben der Beteiligung betroffener Bürger:innen geht es dabei verstärkt auch um die Aktivierung jener Bevölkerungsgruppen, die sich traditionell bisher wenig beteiligen oder die Stadtentwicklungsprojekte nicht primär aus der Betroffenensicht begleiten. Dabei ist der Fokus deutlich auf das Gemeinwohl und die Chancen, die mit einem Projekt einhergehen, zu lenken. Im Blickfeld von Beteiligung muss daher auch der Mehrwert eines Projekts für das Quartier oder die konkrete Nachbarschaft bzw. den Bezirk stehen.
Neben den klassischen Beteiligungsformaten werden deshalb auch innovative und digitale Formate verstärkt angewendet. Oberstes Ziel ist eine frühzeitige, transparente, gleichberechtigte, sachliche Kommunikation aller Beteiligter.
Projektbeispiele:
Den globalen Herausforderungen des Klimawandels muss lokal begegnet werden. Jedes Stadtentwicklungsprojekt wird daher mit Blick auf die Umweltauswirkungen betrachtet. Maßnahmen zur Minderung von Eingriffen, zur Vorsorge vor Hitze und Starkregen, zu einer minimierten Versiegelung oder zur Förderung nachhaltiger Mobilitätsformen werden von Anfang an mitgedacht. Das deutsche Umwelt- und Bauplanungsrecht enthält eine Fülle von Vorschriften und Standards, die alle (un)mittelbar auf Stadtentwicklungsprojekte einwirken – sie werden in Hamburg und damit in Hamburg-Nord bereits mit einer Vielzahl von praktischen Maßnahmen umgesetzt. Beispielhaft seien erwähnt: Innen- vor Außenentwicklung (praktisch alle Projekte im dicht besiedelten Hamburg-Nord), Konversionsprojekte, Mischnutzung in der Stadt der kurzen Wege – und damit Verkehrsvermeidung, standardmäßige umweltschutzbezogene Festsetzungen in Bebauungsplänen wie:
- Flachdächer und Dachbegrünung (sofern nicht Belange des Denkmalschutzes oder der Stadtbildpflege entgegenstehen)
- Regenwassermanagement (RISA, Rückhaltung auf dem Grundstück und Versickerung über belebte Bodenschichten)
- Nutzung regenerativer Energien
- Festsetzungen zum Arten- und Biotopschutz
- Luft- und wasserdurchlässige Bodenbeläge, Minimierung der Unterbauung von Grundstücken
- Begrünungsmaßnahmen (Parkplatzbegrünung, Mindeststärken für Erdüberdeckung von Tiefgaragen, Substratstärke bei Gründächern, Fassadenbegrünung, Baumfestsetzungen, Ersatzpflanzungen etc.).
Darüber hinaus werden in Konzeptausschreibungen Maßnahmen gefordert bzw. besser bewertet, die explizit dem Klimaschutz und der Klimafolgenanpassung dienen, wie die Nutzung regenerativer Energien, nachhaltiger und umweltschonender Baustoffe, Nahwärmenetze.
Zusätzlich zu den vielen Einzelmaßnahmen und -schritten ist eine integrierte Betrachtung aller Politik- und Handlungsfelder erforderlich. Deswegen hat die Bezirksversammlung mit der Drs. 20-6534 auf Initiative der Verwaltung die Aufstellung eines integrierten bezirklichen Klimaschutzkonzepts beschlossen. Dieses wurde in den Jahren 2021–2023 mit Bestands- und Potenzialanalysen und einer umfangreichen Beteiligung von Expert:innen und der Bevölkerung erstellt. Dabei wurden Maßnahmen entwickelt, die sich am Handlungsspielraum der Bezirksverwaltung orientieren und sich auf fünf Handlungsfelder aufteilen. Im Handlungsfeld Klimafreundliche Stadtentwicklung wurden 15 Maßnahmen erarbeitet, die sich z.B. mit Klimaschutz in den Bereichen Planen und Bauen, Wärmeversorgung in Quartieren, Transformation von Bestandsquartieren sowie auch mit Fragen der Klimaanpassung wie der Starkregenvorsorge auf privaten und öffentlichen Flächen und der Biodiversität beschäftigen. Projektbeispiele:
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
Michael Werner-Boelz
Anl 1_Allgemeine Informationen zur Stadtentwicklung - Linksammlung_2024-09-05