Teressaplatz benennen, an Emily Ruete erinnern Antwort der geschichtswerkstatt Barmbek
Letzte Beratung: 25.09.2023 Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg Ö 8.1
Der Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg hat sich in seiner Sitzung am 22.08.2022 mit der o.g. Thematik auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages der GRÜNE- und SPD-Fraktion befasst und mehrheitlich bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion folgende Beschlussempfehlung verabschiedet:
Begründung:
Im Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg wurde am 25.02.2019 auf Antrag von SPD und GRÜNEN mehrheitlich beschlossen, den Uferplatz am Ende der Leo-Leistikow-Allee nach Emily Ruete zu benennen. Erst lange nach der Benennung wurde deutlich, dass es berechtigte Kritik an der Person Emily Ruete gibt. Emily Ruete setzt sich in ihren Memoiren wiederholt für die Sklavenhaltung ein, ihre Äußerungen gegenüber den Sklav*innen sind rassistisch.
Am 21.9.2020 beschloss daraufhin der Regionalausschuss auf Antrag von GRÜN-Rot auch mit den Stimmen von CDU und LINKE, den Platz umzubenennen [1]. Am 17.5.2021 beschloss der Regionalausschuss einstimmig die Umbenennung des Platzes. Vorangegangen war eine Beteiligung der Bürger*innen bei der Suche nach möglichen Namengeber*innen. Der neue Name soll „Teressaplatz“ lauten [2].
Das Staatsarchiv, das für die Prüfung der (Um-)Benennung von Straßen und Plätzen zuständig ist, folgte bisher keinem der beiden Beschlüsse der Bezirksversammlung, sondern veranlasste zunächst die Erstellung eines Gutachtens. Dieses liegt nun, über eineinhalb Jahre nach dem Umbenennungs-Beschluss, endlich vor [3]. Das Staatsarchiv fordert nun die Bezirksversammlung auf, zu entscheiden, ob es bei der Umbenennung bleiben soll oder nicht.
Das Gutachten zu Emily Ruete stellt den Wunsch nach einer Umbenennung in einen größeren Kontext sowohl der Untersuchung kolonialer Strukturen und kolonialer Belastung von namensgebenden Personen als auch der Würdigung insbesondere von Frauen mit herausragender Biografie und Zuwanderungsgeschichte.
Die Autorin des Gutachtens ist der Meinung, dass die Anerkennung von Ruetes Rolle als Pionierin der Literatur nicht leugne, dass sich Ruete zu Schwarzen und versklavten Menschen abfällig und rassistisch geäußert habe. Eine einordnende, kritische Beschäftigung mit Ruete hält sie für notwendig.
Die Autorin plädiert schließlich dafür, die Erinnerung an Frauen wie Ruete nicht aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Sie schlägt zudem vor, „dass die Ressourcen für die Umbenennung nachhaltiger in die Aufklärung über komplexe Biographien zu Zeiten des deutschen Kolonialismus eingesetzt werden könnten.“ (S. 22).
In der komplexen Lage, die sich aus den verschiedenen Beschlüssen seit 2019 und dem Gutachten ergibt, ist letztlich politisch zu bewerten, wie mit der bestehenden Benennung umzugehen ist.
GRÜNE und SPD-Fraktion hätten 2019 einer Benennung des Platzes nach Emily Ruete nicht zugestimmt, wären den ehrenamtlich tätigen Ausschussmitgliedern damals Ruetes rassistische Äußerungen und die Kritik daran bewusst gewesen. Auch das Staatsarchiv, das sich täglich mit der historischen Einordnung von Persönlichkeiten befasst, hatte an der Benennung bei seiner Prüfung des Vorschlags nichts auszusetzen.
Aus Sicht der beiden Fraktionen ist eine kritische Auseinandersetzung mit einer historischen Persönlichkeit nicht anhand eines Straßenschilds zu führen – sei es auch durch eine Erläuterungstafel ergänzt.
Hinzu kommt, dass das Gutachten erst weit nach dem Beschluss der Bezirksversammlung vorgelegt wurde. Dass überhaupt eines erstellt würde, war gar nicht bekannt. In der Zwischenzeit hat daher ein Beteiligungsprozess zur Findung eines neuen Namens für den Platz stattgefunden. Der einstimmig beschlossene Name „Teressaplatz“ war ein Vorschlag von heutigen Anwohnenden des Platzes. Er ehrt stellvertretend für hunderte andere Kinder eine in der ehemaligen Geburtsklinik Finkenau zur Welt gekommene, ermordete Tochter einer NS-Zwangsarbeiterin. Er nimmt damit -anders als die Benennung nach Ruete- direkt Bezug auf das Umfeld des Quartiers und wirkt über die Verbindung zu einer Gedenkstätte für ermordete Kinder von Zwangsarbeiterinnen im Garten der Frauen auf dem Friedhof Ohlsdorf auch über das Quartier hinaus.
In der Abwägung aller Argumente kommen GRÜNE und SPD-Fraktion zu dem Schluss, dass an der Umbenennung festgehalten werden sollte. Eine Würdigung Ruetes durch eine Straßenbenennung halten die Fraktionen nach heutigen Maßstäben nicht für angemessen.
Es wäre zudem schwer zu vermitteln, dass der neue, demokratisch und mit breiter Beteiligung von Bürger*innen gewählte Name für den Platz keine Berücksichtigung mehr findet, zumal er nicht ohne weiteres an einem anderen Ort Verwendung finden könnte.
Gleichzeitig erkennen die Fraktionen von GRÜNEN und SPD an, dass ihr von Ruete selbst dokumentiertes Leben -wie im Gutachten ausführlich beleuchtet- ein wichtiges Zeitdokument darstellt. Deshalb sollte die Idee eine einordnende Gedenktafel, die der komplexen Persönlichkeit Emily Ruetes besser gerecht wird als eine formale Benennung eines Platzes wieder aufgegriffen werden.
Der Hauptausschuss folgt der Beschlussempfehlung.
Die Geschichtswerkstatt Barmbek legt hierzu den als Anlage beigefügten Kostenvoranschlag vor.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
Isabel Permien
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