Kein Platz für Gewalt Hamburg-Nord fordert eine geschützte Unterkunft für queere Geflüchtete Gemeinsamer Antrag von GRÜNE-, DIE LINKE- und Volt-Fraktion
Letzte Beratung: 13.02.2025 Bezirksversammlung Ö 6.2
Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*, nicht-binär oder queer sind, flüchten nach Deutschland, weil sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität in ihren Heimatländern nicht sicher sind und verfolgt werden.
Angekommen in Hamburg, werden sie wie alle anderen Schutzsuchenden auch in Erstaufnahme-Einrichtungen für Geflüchtete untergebracht. Doch viele von ihnen erfahren auch dort Anfeindungen von Mitbewohner*innen oder sogar von Security-Mitarbeiter*innen. Darauf wiesen zivilgesellschaftliche Organisationen wie z.B. das Magnus-Hirschfeld-Centrum e.V., Intervention e.V., LSVD+, Queeramnesty oder „Queer Refugees Support Hamburg“ seit 2016/2017 immer wieder hin und forderten eine eigene geschützte Unterkunft für queere Geflüchtete, wie es sie etwa in Berlin und Köln schon gibt.
Die für geflüchtete Menschen zuständige Sozialbehörde folgte dieser Forderung lange Zeit nicht.
Stattdessen wurden LSBTIQ*-Geflüchtete, die in ihren Unterkünften Anfeindungen ausgesetzt waren, dezentral in „Schutzwohngemeinschaften“ untergebracht und der Schutz von LSBTIQ* wurde in die Gewaltschutzkonzepte von Fördern & Wohnen integriert. Dezentrale geschützte Unterbringung bedeutet: abgeschlossene „WGs“ mit 2 (Doppel-) Zimmern, Küche und Bad in größeren Unterkünften. Eingang, Flure, Außengelände etc. werden von allen Bewohner*innen weiterhin gemeinsam genutzt.
Laut Auskunft der Beratungsstelle zu Flucht und Migration des Magnus-Hirschfeld-Centrums e.V. gab es 2024 ca. 900 Beratungen zum Thema Flucht und Migration.Ca. 50% der Beratungen hatten Anfeindungen (Beleidigungen, Belästigungen, Bedrohungen, tätliche Angriffe u.ä.) in Geflüchteten-Unterkünften zum Thema. In 44 dieser Fälle waren die betroffenen Personen dezentral in „Schutzwohngemeinschaften“untergebracht. Die Vorfälle ereigneten sich außerhalb des abgeschlossenen WG-Bereichs.
Diese Zahlen machen deutlich, dass die Schutzkonzepte der Unterkünfte, die bisherigen Schulungen der Mitarbeitenden und die „dezentrale geschützte Unterbringung“ den Schutz dieser besonders vulnerablen Gruppen nicht (ausreichend) sicherstellen können.
Eine eigene geschützte Unterbringung ausschließlich für queere Geflüchtete ist also notwendig, um diese besonders vulnerable Gruppe endlich wirksam vor queerfeindlichen Übergriffen im eigenen „Zuhause“ zu schützen. Dies ergibt sich auch schon aus der EU-Aufnahmerichtlinie, die besagt, dass die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Menschen bei der Aufnahme zu berücksichtigen sind.
In der Senatsstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (Bürgerschafts-Drs. 22/15828 [1]) schreibt der Senat:
„Flankierend zu der Umsetzung der Gewaltschutzkonzepte in den Einrichtungen prüft die Sozialbehörde deshalb die Versorgung von schutzsuchenden LSBTIQ*-Personen in einer gesonderten Immobilie.“
Die Sozialbehörde plante ab 2023 in der Sierichstraße 53 eine eigene Unterkunft für LSBTIQ*- Personen einzurichten und unterrichtete die Bezirksversammlung im September mit einem auf Juli 2023 datierten Schreiben offiziell darüber [2]. Ein Bauantrag wurde im September 2023 eingereicht, dieser beinhaltete auch den baurechtlich notwendigen Antrag einer Befreiung von den Festsetzungen desBebauungsplans, weil sich die Sierichstraße in einem reinen Wohngebiet befindet.
Diese Nachricht über die Pläne in der Sierichstraße wurde von den Organisationen, die mit LSBTIQ*-Geflüchteten arbeiten begrüßt. Wegen der räumlichen Nähe zum Magnus-Hirschfeld-Centrum, das seit 2016 queere Geflüchtete unterstützt und berät und das nur eine U-Bahnhaltestelle entfernt liegt, wäre dieser Standort in besonderem Maße geeignet gewesen,
Weniger begrüßt wurde diese Nachricht von einigen der Anwohner*innen. Sie sprachen sich gegen eine Unterkunft für besonders schutzbedürftige LSBTIQ*- Personen aus und ließen sich dabei anwaltlich vertreten.
Nachdem signalisiert wurde, dass er aus baurechtlichen Gründen abgelehnt werden müsste, zog Fördern und Wohnen als Betreiberin der geplanten Unterkunft im Januar 2025 schließlich den Bauantrag zurück. Stattdessen sollen an diesem Standort nun Wohnungen für vordringlich wohnungssuchende Personen entstehen. Für diese Nutzung muss der Bebauungsplan nicht geändert und keine Befreiung von baurechtlichen Bestimmungen erteilt werden. Die Wohnungen sind nun vorgesehen für alleinstehende Frauen mit Kindern und als Wohngemeinschaften für Frauen. Eine explizite Nutzung für vordringlich wohnungssuchende LSBTIQ*-Personen ist nicht vorgesehen, obwohl auch diese Gruppe häufig besondere Schwierigkeiten hat, auf dem Wohnungsmarkt selbstständig eine Wohnung zu finden
Das Projekt Abrigo der Lawaetz Wohnen und Leben gGmbh vermittelt zwar auch privaten Wohnraum an LSBTIQ*-Geflüchtete [3], dies gelang 2024 beispielsweise jedoch nur in 8 Fällen. Das zeigt, dass neben einer dringend benötigten geschützten Erstunterbringung auch die Vermittlung in privaten Wohnraum dringlich ist.
Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung beschließen:
Zudem sollen der Sozialbehörde vom Bezirksamt Hamburg-Nord und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen alternative Standorte und Immobilien im Bezirk Hamburg-Nord für die Schaffung von Wohnraum für vordringlich wohnungssuchende besonders vulnerable LSBTIQ*-Geflüchtete vorgeschlagen werden.
Für die Fraktion Die Linke: Marco Hosemann, Dino Ramm, Wiebke Fuchs, Bjørn Knutzen
Für die GRÜNE Fraktion: Timo B. Kranz, Christoph Reiffert
Für die Volt-Fraktion: Antje Nettelbeck, Jan David Talleur
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