Chronische Unterfinanzierung der Bezirke stoppen unverantwortliche Kürzungen auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft rückgängig machen! Antrag der Fraktion DIE LINKE
Wie dem aktuellen Haushaltsplan-Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg (Drs. 22/2400) sowie den Einzelplänen der Bezirke entnommen werden kann, stehen dem sowieso schon seit Jahren chronisch unterfinanzierten Bezirk Hamburg-Nord weitere, schwere Einschnitte bevor.
Während dem Bezirk im Jahr 2017 noch 86,9 Mio. € zur Verfügung gestellt wurden, sollen die Mittel für 2021 laut Ergebnisplan auf 68,2 Mio. € gesenkt werden, bis 2024 sogar auf 63,8 Mio. € – eine Kürzung um rund 23 Mio. € oder mehr als 25 % (Quelle: https://www.hamburg.de/contentblob/14735964/e000d52de807000932ee39c26ee09ab4/data/1-2-1-5.pdf, Seite 365 ff).
Die Kürzungen ziehen sich dabei durch alle Bereiche, besonders hervorzuheben ist dabei jedoch der Aufgabenbereich 219 (Soziales, Jugend und Gesundheit), welcher Kürzungen i. H. v. mehr als 9 Mio. € (2019: 43,1 Mio. €, Plan 2021: 34 Mio. €) hinnehmen muss – und das inmitten einer Pandemie, in welcher die sozialen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger größer sein dürften als je zuvor. Die Corona-Pandemie verschärft für alle sichtbar die sozial ungleich verteilten Risiken und Bedürfnisse der Menschen. Menschen mit geringerem Einkommen haben ein deutlich höheres Risiko sich anzustecken und einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf zu haben (Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S7_2020_Soziale_Ungleichheit_COVID_19.pdf). Darüber hinaus wirkt sich Corona auch auf die Lebenschancen aus. Haushalte, die einmal unter die Armutsgrenze gerutscht sind, verbleiben immer öfter und auch länger in Armut, untere Einkommensgruppen sind deutlich häufiger von Freistellungen und Arbeitslosigkeit betroffen und die Bildungschancen der Kinder dieser Einkommensgruppe sinken aufgrund des fehlenden Zugangs zu den technischen Voraussetzungen und den beengten Platzverhältnissen zu Hause enorm (Quelle: https://www.bib.bund.de/DE/Aktuelles/2021/2021-03-11-Pressekonferenz-Datenreport-2021-Mehr-soziale-Ungleichheit-in-Corona-Zeiten.html). Trotz dieser Tatsachen sollen die Einsparungen unter anderem ausgerechnet die besonders sensiblen Bereiche Soziale Hilfen (2019: 13,4 Mio. €, Plan 2021: 9,6 Mio. €) und Jugend- und Familienhilfe (2019: 16,1 Mio. €, Plan 2021: 11,9 Mio. €) betreffen. Neben dem Geld wird dabei auch am Personal gespart. So muss der Bereich Soziale Hilfen im Jahr 2021 mit 12 und der Bereich Jugend- und Familienhilfe sogar mit 18 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) weniger auskommen als 2019. Diese Kürzungen sind vor dem Hintergrund, dass Kinderärzte und Psychologen Alarm schlagen, dass immer mehr Kinder, insbesondere aus sozial benachteiligten Haushalten, psychische Auffälligkeiten als Folge der Corona-Krise zeigen, mehr als unverantwortlich.
Die chronische Unterfinanzierung der Bezirke zeigt sich auch im Aufgabenbereich 220 (Wirtschaft, Bauen und Umwelt), wo seit 2017 (18,8 Mio. €) finanzielle Einbußen von mehr als 11 Mio. € verkraftet werden mussten (Plan 2021: 7,5 Mio. €, 2022: 7,1 Mio. €), was deutlich mehr als einer Halbierung des Budgets entspricht. Auch bei den Vollzeitäquivalenten wird fleißig gekürzt, etwa bei der Bauaufsicht (-2 VZÄ), dem Management des öffentlichen Raums (-11 VZÄ) und bei Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt (-2 VZÄ).
Auf die Bezirke, welche sich durch eine besondere Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern auszeichnen, werden dabei die Kosten für die verfehlte Politik des Senats abgewälzt. So werden etwa die Kosten für die Rettung der HSH Nordbank, welche zu einem großen Teil im Hamburger Kernhaushalt aufgeführt werden, über die geplanten Einsparungen bei den Bezirken querfinanziert. Eine derart verfehlte Finanzpolitik beraubt die Bezirke ihrer Handlungsfähigkeit und führt letztendlich zu einem Vertrauensverlust in die Demokratie und ihre Institutionen.
Die gleichzeitige Aufstockung des Quartiersfonds oder ähnlicher Töpfe ist dabei lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, der eine vernünftige Grundfinanzierung der Bezirke bei weitem nicht ersetzen kann und zusätzlich für Intransparenz und die Möglichkeit politischer Willkür sorgt.
Eine solche Entwicklung kann weder im Interesse der Bürgerinnen und Bürger noch der demokratischen Parteien und erst recht nicht des Bezirksamts sein, wodurch sich die Forderung nach einer angemessenen, mindesten dem Niveau des Jahres 2019 entsprechenden Finanzierung des Bezirks Hamburg-Nord im laufenden Doppelhaushalt ergibt. Die für eine adäquate Ausstattung der Bezirke nötigen Mittel können dabei den zentralen Reservehaushalten sowie den zentralen Budgets entnommen und ab sofort den Produktgruppen / Produkten direkt zugeordnet werden. Somit wäre die Voraussetzung für eine gute und sachgerechte Arbeit, nämlich Planbarkeit und Transparenz gewährt.
Die Bezirksversammlung Hamburg-Nord protestiert gegen die im Doppelhaushalt 2021 / 22 geplanten drastischen Mittelkürzung für den Bezirk Hamburg-Nord und fordert den Senat auf, umgehend für eine finanzielle Ausstattung des Bezirks zu sorgen, die mindestens dem Niveau des Jahres 2019 zuzüglich Preis- und Tarifsteigerungen entspricht.
DIE LINKE
Rachid Messaoudi, Dino Ramm, Keyvan Taheri, Angelika Traversin, Jonas Wagner
Keine