22-1809.1

Verlängerungsoption Weihnachtsmärkte

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15.06.2021
Sachverhalt

 

Der Cityausschuss hat in seiner Sitzung am 23.03.2021 die Drs. 22-1809 einstimmig beschlossen. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte gibt nachfolgende Stellungnahme als Information für den Cityausschuss bekannt.

 

Die Betreiber der Weihnachtsmärkte planen weit im Voraus ihre Märkte, schließen Verträge mit Standbetreibern, der Stadt und Fuhrunternehmen ab sowie stellen Personal ein und ordern frühzeitig ihre Waren teilweise bereits im Juni des Jahres.

 

Coronabedingt wurden jedoch im Jahr 2020 die Weihnachtsmärkte abgesagt. Noch im November 2020 hatten die Betreiber gehofft, dass unter strengen Schutzmaßnahmen und Hygieneauflagen die Durchführung der Weihnachtsmärkte möglich ist und dementsprechend ihre Märkte vorbereitet und bereits Ausgaben getätigt.

 

Zum 1. Dezember 2020 traten die schärferen Kontaktbeschränkungen in Kraft und die Weihnachtsmärkte blieben abgesagt. Lediglich einzelne Stände durften im großen Abstand voneinander aufgebaut werden. Am 16. Dezember 2020 ging Hamburg dann in den harten Lockdown und somit mussten auch die letzten vereinzelten Weihnachtsbuden schließen, was für alle Weihnachtsmarktbetreiber und Budenbesitzer zu hohen Umsatzverlusten führte.

 

Die Laufzeit bei der Vergabe von Weihnachtsmärkten beträgt 5 Jahre. Für diese Zeit planen die Betreiber die Märkte, erarbeiten neue Konzepte und investieren entsprechend in die Neugestaltung der Buden und der weihnachtlichen Gestaltung der Plätze.

 

Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, in Abstimmung mit den zuständigen Stellen zu prüfen, ob den derzeitigen Betreibern der Weihnachtsmärkte die Option einer Vertragsverlängerung eingeräumt und die neue öffentliche Ausschreibung zur Vergabe der Veranstaltung Weihnachtsmärkte entsprechend um zwei Jahre verschoben werden kann.

 

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte nimmt mit Schreiben vom 01.06.2021 wie folgt Stellung:

 

Die rechtliche Begründung für die Einschätzung lautet wie folgt:

 

I. Wesentliche rechtliche Rahmenbedingungen sind:

  1. Das Verfahren zur Auswahl von Weihnachtsmarktbetreibern unterliegt gerichtlicher Kontrolle. Gleiches gilt für die Verlängerung von bestehenden Verträgen, weil die Verlängerung eine Auswahlentscheidung für den Verlängerungszeitraum ist. Die konkurrierenden Weihnachtsmarktbetreiber machen zudem durchaus von ihren Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch, wie die bisherigen Erfahrungen nahelegen.
  2. Verträge über Dienstleistungskonzessionen unterliegen darüber hinaus seit einer Gesetzesänderung des Jahres 2016 dem formellen Vergaberecht.
  3. Das Auswahlverfahren für den Weihnachtsmarkt „Gehart-Hauptmann-Platz“ war Anlass eines Klageverfahrens (17 K 5896/18). Der Kläger, der im Auswahlverfahren unterlegen war, hatte Mängel des Auswahlverfahrens gerügt. Die FHH hatte sodann zugesagt, die Verfahren zur Auswahl von Weihnachtsmarktbetreibern im Interesse eines transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerbs weiter zu optimieren sowie die vergaberechtlichen Neuregelungen zur Dienstleistungskonzession umzusetzen. Das Klageverfahren endete gütlich, nachdem die FHH die Zusage abgegeben hatte.

 

II. Die vergaberechtliche Behandlung der Weihnachtsmärkte im Bezirk Hamburg-Mitte war daher

anzupassen. Die vergaberechtliche Prüfung, die auf einer Abstimmung mit der Finanzbehörde beruhte, ergab folgendes (Vermerk vom 5. Februar 2020, Az.: M/RA 4-236/20):

  1. Die Verträge über die Durchführung der Weihnachtsmärkte auf dem Rathausmarkt, am Jungfernstieg und auf dem Gänsemarkt sind Dienstleistungskonzession. Sie unterfallen nach der Gesetzesänderung dem formellen Vergaberecht. Die Zuständigkeit für die Durchführung formeller Vergabeverfahren mit europaweiter Ausschreibung liegt verwaltungsintern bei der Finanzbehörde.
  2. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Auswahlverfahrens für die übrigen Weihnachtsmärkte verbleibt bei M/MR (Weihnachtsmärkte Gerhard-Hauptmann-Platz, Bei der Petri-Kirche, Spitalerstraße, Lange Reihe und Steindamm). Die Auswahlkriterien werden jedoch so weit wie möglich an die Kriterien der Finanzbehörde angeglichen, um einen transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb zu ermöglichen.

 

III. Die gewünschte Vertragsverlängerung um zwei Jahre findet keine rechtliche Grundlage.

  1. Der Ausbruch der Corona-Pandemie lässt sich mit guten Gründen der wirtschaftlichen Risikosphäre der Weihnachtsmarktbetreiber zuordnen. Die Risikoverteilung entspricht dem Wesen einer Dienstleistungskonzession (vgl. § 105 Abs. 2 GWB) und erst recht einer bloßen Nutzungsüberlassung.
    Die Laufzeit knüpft an fünf konkrete Jahre an, statt die fünfmalige erfolgreiche Durchführung der Weihnachtsmärkte zu garantieren (siehe beispielhalt den Ausschreibungstext für den Weihnachtsmarkt Bei der Petrikirche, Amtl. Anz. 2017, S. 143: „Die Veranstaltung […] soll für fünf Jahre beginnend ab 2017 vergeben werden“).
  2. Die gewünschte fünfjährige Vertragsverlängerung ist eine wesentliche Vertragsänderung i. S. d. § 132 Abs. 1 Satz 1, § 154 Nr. 2 GWB. Wesentliche Vertragsverlängerungen erfordern ein neues Vergabeverfahren, es sei denn ein Ausnahmetatbestand nach § 132 Abs. 2, 3 GWB greift ein. Die Ausnahmetatbestände scheiden jedoch aus, wobei nur § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB überhaupt diskutabel erscheinen.
  3. Der Ausnahmetatbestand nach § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB ist nur erfüllt, wenn zusätzliche Dienstleistungen erforderlich geworden sind, die nicht in den ursprünglichen Vergabeunterlagen vorgesehen waren, und ein Wechsel des Auftragnehmers aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht erfolgen kann und mit erheblichen Schwierigkeiten oder beträchtlichen Zusatzkosten für den öffentlichen Auftraggeber verbunden wäre.
    Keine der drei Voraussetzungen ist ersichtlich.
    1. Die Vorschrift setzt zunächst einen Bedarf des öffentlichen Auftraggebers an zusätzlichen Leistungen voraus (Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, § 132 GWB Rdnr. 38). Die Pandemie hat den Bedarf der FHH an Weihnachtsmärkten jedoch verringert statt zusätzlichen Bedarf zu schaffen.
    2. Das Merkmal der Erforderlichkeit verlangt nach der Kommentarliteratur zudem eine Verbesserung des Nutzens der ursprünglichen Leistung mithilfe der Zusatzleistung (Ziekow, § 132 Rdnr. 47; Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, § 132 GWB Rdnr. 38). Dass die Vertragsverlängerung einen rechtlich greifbaren Mehrwert für die Nutzbarkeit der noch geschuldeten oder schon stattgefundenen Weihnachtsmärkte schafft, liegt fern.
    3. Die zusätzlich gesetzlich vorausgesetzten schwerwiegenden Nachteile für die FHH sind ebenso wenig erkennbar.
  4. Die FHH kann sich auch nicht rechtssicher auf den Ausnahmetatbestand nach § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB berufen. Ein neues Vergabeverfahren ist nach dieser Vorschrift verzichtbar, wenn die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte, und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert.
    Das Merkmal der Erforderlichkeit ist wie bei § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB zu verstehen (Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, § 132 Rdnr. 42; dazu vorstehend III. 3. b) und fehlt vorliegend.
  5. Die Beweggründe für die Vertragsverlängerung sind zudem wegen Art. 3 GG, § 97 Abs. 1, 2 GWB Bedenken ausgesetzt. Die Vorschriften enthalten die Gebote der Gleichbehandlung, des Wettbewerbs und der Diskriminierungsfreiheit.

Das Motiv für die Vertragsverlängerung wäre ausweislich der Drucksache 22/1809, den derzeitigen Weihnachtsmarktbetreibern eine Kompensation für die erlittenen Einnahmeausfälle zukommen zu lassen, also die gezielte wirtschaftliche Förderung der bisherigen Weihnachtsmarktbetreiber. Ein Konkurrent könnte mit guten Erfolgsaussichten einwenden, dass die wirtschaftliche Förderung bestimmter Unternehmen dem Vergaberecht fremd ist, das wirtschaftliche Risiko normalerweise beim Konzessionsnehmer liegt, die Weihnachtsmärkte bislang nur ein Jahr ausgefallen sind und auch die Konkurrenten wegen pandemiebedingter Einnahmeausfälle ein hohes Interesse an einem Vertragsschluss mit der FHH haben.

  1. Die Vorschriften in § 132 Abs. 1 Satz 1, § 154 Nr. 2, § 97 Abs. 1, 2 GWB gelten unmittelbar für die Weihnachtsmärkte auf dem Rathausmarkt, am Jungfernstieg und auf dem Gänsemarkt. Die Maßgaben, die in den Vorschriften zum Ausdruck kommen, sind jedoch verallgemeinerbar, zumal das Gleichbehandlungsgebot auch aus Art. 3 GG folgt (Masing in: Reidt/Stickler/Glahs, § 97 Rdnr. 47). Ihre Übertragung auf die übrigen Weihnachtsmärkte (Gerhard-Hauptmann-Platz, Bei der Petri-Kirche und Spitalerstraße) ist daher sehr ratsam. Das gilt umso mehr, da die konkurrierenden Weihnachtsmarktbetreiber ihre Rechtsschutzmöglichkeiten nutzen und die FHH vor dem Verwaltungsgericht einen transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb zugesagt hat.

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme wird gebeten.