Teilaufhebung des Friedhofs Finkenriek
1) Teilaufhebung aus Gründen der bezirklichen Friedhofsplanung
Die bezirklichen Friedhöfe in Hamburg-Mitte befinden sich vor einer Neuausrichtung. Insbesondere Veränderungen in der Bestattungskultur, vor allem aber die zukünftigen und nachgefragten Grabangebote erfordern eine planerische Begegnung, die Bestattungsflächen schafft, die kleiner, vielfältiger und pflegeleichter für die Hinterbliebenen sind.
Die Neuausrichtung folgt dabei auch der Ergebnisvereinbarung der Rechnungshofprüfung ‘Hamburgisches Friedhofswesen‘, wonach unter anderem die Aufhebung und Schließung nicht mehr benötigter Friedhofsteile und Zuführung für andere Nutzungszwecke festgehalten wird. Für den Friedhof Finkenriek erfolgte daher eine gutachterliche Ermittlung des Friedhofsflächenbedarfs und die Klärung der Frage, ob und welche Überhangflächen bestehen und in andere Nutzungen überführt werden können.
Der Friedhof Finkenriek hat derzeit eine Gesamtfläche von ca. 185.419 m². Diese unterteilt sich in den alten Friedhofsteil (südlich des König-Georg-Deichs) mit ca. 63.474 m², den neuen Friedhofsteil (nördlich des König-Georg-Deichs) mit ca. 96.610 m², den ehemals muslimischen Friedhofsteil (nördlicher Friedhofsteil) mit ca. 20.292 m² und den Betriebshof mit ca. 5.043 m².
Hierbei verfügt er über Flächen, die nicht für Bestattungen benötigt werden. Diese Überhangflächen verursachen Kosten für Instandhaltung und Pflege. Um drohende Dauerdefizite zu verhindern und eine nachhaltige Friedhofsbewirtschaftung auch unter geänderten Bestattungsgewohnheiten zu sichern, ist entsprechend der Ergebnisvereinbarung aus der Rechnungshofprüfung die Neukonzeption der Überhangflächen ein unerlässlicher und nicht unerheblicher Beitrag auf diesem Wege.
Vor diesem Hintergrund ist eine moderate Inanspruchnahme von Friedhofsflächen für eine Verwertung als Grün-, und Erholungsfläche sowie für eine untertunnelte Verkehrsflächennutzung sinnvoll, um einen nachhaltigen Friedhofsbetrieb zu ermöglichen.
Die gutachterliche Betrachtung des Friedhofs Finkenriek hat ergeben, dass die verbleibenden Flächen für die prognostizierte Entwicklung, d.h. auch für ggf. steigende Bestattungszahlen ausreichend groß bemessen sind. Viele der für die Teilaufhebung vorgesehenen Flächen sind bzw. waren nie Bestattungsflächen sondern pietätsunbefangene Flächen wie Rahmengrün, Eingangs- und Lagerflächen oder zweckgebundene Gewerbeflächen. Eine Folgenutzung als Grünanlage zur Erholungsnutzung und Untertunnelung zur Verkehrsnutzung sind daher vertretbar.
Aufgrund der aktuellen Belegungssituation des Friedhofs und der langfristigen Prognosebetrachtung sind im Kernbereich des Friedhofs ausreichende Flächen für Sarg- und Urnenbestattungen sowie muslimische Grabfelder vorhanden. Die bisher für Bestattungszwecke kaum genutzte Fläche wird künftig nicht benötigt. Durch die Teilaufhebung kann die Fläche daher entsprechend der Ergebnisvereinbarung der Rechnungshofprüfung einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden.
2) Teilaufhebung aus Gründen des Verkehrsflächenbedarfs (straßenrechtliche Planfeststellung nach § 17 FStrG für die A26-Ost
Die Teilaufhebung des Friedhofs ist des Weiteren aus dem Grund des Verkehrsflächenbedarfs für die geplante Autobahn A26-Ost notwendig.
Das Vorhaben für den Neubau der A26-Ost ist in drei Verkehrseinheiten (VKE) unterteilt, welche den drei Planungsabschnitten entsprechen. Die Inanspruchnahme der Flächen des Friedhofs Finkenriek erfolgt durch den Planungsabschnitt 6c des Vorhabens. Er beginnt unmittelbar südlich des Knotenpunktes Hohe-Schaar-Straße / Kattwykdamm (geplante Anschlussstelle HH-Hohe Schaar) und endet an der A1 Anschlussstelle HH-Stillhorn (zukünftiges Autobahndreieck Süderelbe).
Dieser Verkehrsflächenbedarf stellt einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses i. S. d. § 30 Absatz 1 Satz 2 HmbBestattG dar.
Als Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge gehört zur Bereitstellung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur insbesondere auch deren bedarfsgerechter Ausbau. Im vorliegenden Falle des Neubaus der A26 ist die Hafenpassage in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung vom 14.08.2017 als 4-streifiges Neubauvorhaben im vordringlichen Bedarf enthalten).
Der Neubau einer Autobahnverbindung zwischen A1 und A7 ist darüber hinaus auch Bestandteil des Mobilitätsprogramms 2013 der Freien und Hansestadt Hamburg und des Hafenentwicklungsplans 2012. Mit der A 26 Hafenpassage werden gemäß Mobilitätsprogramm folgende Ziele verfolgt:
Hinzu kommt das Ziel der Schaffung eines redundanten Straßennetzes.
Die Notwendigkeit des Vorhabens ergibt sich dabei konkret aus folgenden verkehrlichen Rahmenbedingungen:
Der Hamburger Süderelberaum mit den Stadtteilen Wilhelmsburg, Harburg und Heimfeld sowie dem Hamburger Hafen ist gekennzeichnet durch ein hohes Verkehrsaufkommen insbesondere im Schwerlastverkehr. So liegen im modellseitigen Analysefall (kalibriert anhand von Zähldaten bis 2017) die maximalen Belastungen im Autobahnnetz (A1 und A7) derzeit bei rund 120.000 Kfz/24h bei einem Schwerverkehrsanteil von rund 20%. Für die Verkehre in Ost-West-Richtung stehen aktuell lediglich die B73 durch Heimfeld und Harburg (Belastung bis zu 38.000 Kfz/24h bei einem Schwerverkehrsanteil von rund 10%) sowie die Haupthafenroute über den Köhlbrand (Belastung von rund 35.000 Kfz/24h, Schwerverkehrsanteil 40%) zur Verfügung. Letztere besitzt in erster Linie eine wichtige Erschließungsfunktion für das Hafengebiet und insbesondere die großen Containerterminals. Beide Verkehrsachsen sind bereits heute sehr stark ausgelastet. Auf der B73 resultieren hieraus starke Beeinträchtigungen für die Anwohner z.B. infolge Lärm und Luftschadstoffen. Auf der Köhlbrandquerung sind im Tagesverlauf regelmäßige Rückstaubildungen zu beobachten, welche zu Beeinträchtigungen im Hafenbetrieb führen.
Diese Situation wird sich zukünftig aufgrund der zu erwartenden Prognoseentwicklungen weiter verschärfen. So wird bis zum Jahr 2030 von einer Erhöhung des hafenseitigen Containerumschlags von derzeit rund 9 Mio. TEU auf rund 18 Mio. TEU ausgegangen. Infolge dieser und weiterer Prognoseentwicklungen ist im Prognosenullfall 2030 ohne A26 mit einer Zunahme der Belastungen auf den Autobahnen auf bis zu 138.000 Kfz/24h zu rechnen. Auf der B73 durch Heimfeld und Harburg nimmt der Verkehr um weitere rund 20% auf 45.000 Kfz/24h zu und auf der Köhlbrandquerung ist im Jahr 2030 ohne Neubau der A26 eine Belastung von ca. 41.000 Kfz/24h bei einem Schwerverkehrsanteil von dann 50% zu erwarten. Gerade für den Hafen hätte ein stark überlastetes Straßennetz zur inneren Erschließung sowie zur Hinterlandanbindung negative Folgen für die Betriebsabläufe und daraus resultierend wären Wettbewerbsnachteile zu konkurrierenden Häfen zu erwarten. Darüber hinaus führen überlastete Hauptachsen im Hamburger Süden zu weiteren Verlagerungen im nachgeordneten Netz, auch in Wohngebiete.
Die A26 als zusätzliche leistungsfähige Ost-West-Achse im Süderelberaum führt zu einer deutlichen Verbesserung der verkehrlichen Situation. Die Belastung auf der B73 geht zurück auf maximal 29.000 Kfz/24h, der Schwerverkehrsanteil liegt nur noch bei rund 4%. Es ist also im Jahr 2030 im Planfall mit 2030 sogar eine Entlastung im Vergleich zum heutigen Analysezustand festzustellen. Die Köhlbrandquerung weist dann mit 34.000 Kfz/24h eine etwas geringere Belastung im Vergleich zu heute auf, allerdings bei einem höheren Schwerverkehrsanteil von 47%. Die A26 bildet einerseits mit der Verknüpfung der A1 und der A7 einen Lückenschluss im Autobahnnetz und bündelt die überregionalen Verkehre mit der Folge einer deutlichen Entlastung der B73 durch Harburg und Heimfeld. Andererseits dient sie als zusätzliche Erschließungsachse für den Hafen als Entlastung der Haupthafenroute. Die Zuverlässigkeit der Betriebsabläufe im Hafen und damit einhergehend die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit wird im Vergleich zum Prognosenullfall ohne A26 deutlich verbessert. Nicht zuletzt führt die A26 insgesamt zu einer Bündelung der Verkehre auf einer leistungsfähigen Ost-West-Achse und damit zu einer flächenhaften Entlastung des nachgeordneten Netzes, insbesondere auch von Wohngebieten.
Für die Realisierung des Vorhabens besteht damit - gemessen an den Zielsetzungen des FStrG- ein Bedarf; d.h. das Vorhaben ist mithin vernünftigerweise geboten.
Diese Gründe des öffentlichen Interesses sind auch zwingend, da zur Erreichung der o.g. verfolgten Planungsziele keine Alternativen zur Verfügung stehen, welche die Inanspruchnahme des Friedhofgeländes verschonen würden:
In Betracht käme grundsätzlich der ursprüngliche (nördlichere) Verlauf der linienbestimmten Trasse unter der vorhandenen Straße Kornweide. In einer Vertiefungsstudie wurde herausgearbeitet, dass bei Verfolgung dieser Trassenalternative (Herstellung der Tunneltrasse unter dem Bahnbauwerk und unter der Kornweide) jedoch ein hohes Maß an Betroffenheiten bestünde. Es würde zu erheblichen Beeinträchtigungen sowohl des Bahnverkehrs als auch des Straßenverkehrs auf der Kornweide einschließlich der Grundstückserschließungen verbunden mit erheblichen bautechnischen Aufwendungen führen. Zudem liegen entlang der Kornweide über 30 betroffene Häuser, deren Grundstücke zumindest bauzeitlich in Anspruch genommen werden müssten und somit erheblichen Beeinträchtigungen durch Immissionen ausgesetzt wären.
Eine weitere Alternative, welche die genannten Betroffenheiten und auch gleichfalls die Flächeninanspruchnahme des Friedhofs Finkenriek vermeiden würde, ist nicht ersichtlich.
Vielmehr konnte durch die nun gefundene Lösung - bei Verschiebung des Tunnels Richtung Süden in die Trasse der breiten südlichen Wilhelmsburger Wettern die Zahl der im oben genannten Sinne betroffenen Häuser auf sieben reduziert werden.
Unter Abwägung aller Betroffenheiten ist die verfolgte Variante klar vorzugswürdig. Denn hierdurch kann neben der geringeren Beeinträchtigung von Anwohner/innen und des Straßenverkehrs während der Bauzeit auch das Ausführungsrisiko bzgl. Baugrund und Beeinträchtigung der Bahnanlage minimiert werden und dabei noch eine deutlich bessere städtebauliche Integration und Einbindung in das Landschaftsbild erreicht werden. Die Inanspruchnahme der Teilfläche des Friedhofs Finkenriek ist demgegenüber als nachrangig zurückzustellen und insbesondere unter Berücksichtigung der geplanten Ersatzlösung (Neuerrichtung des muslimischen Gräberfeldes an anderer Stelle) vorzugswürdig, so dass die gegenüber der Linienbestimmung südlichere Trasse aus der Vertiefungsstudie Kornweide übernommen wurde.
Nach alledem stellt der Verkehrsflächenbedarf für den Neubau der A26-Ost einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses i. S. d. § 30 Abs. 1 Hamburgisches Bestattungsgesetz dar.
3. Anordnung der sofortigen Vollziehung
Die sofortige Vollziehung der Teilaufhebung des Friedhofs Finkenriek wird hiermit gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet.
Für die sofortige Vollziehung vorstehender Teilaufhebung des Friedhofs Finkenriek gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 der VwGO liegt ein besonderes Interesse vor. Die sofortige Vollziehung der Teilaufhebung liegt sowohl im öffentlichen Interesse als auch im hiermit gleichliegenden überwiegenden Interesse des Vorhabensträgers der A26-Ost. Diese Interessen überwiegen hier im konkreten Einzelfall das Rechtsschutzinteresse etwaiger Betroffener.
Denn durch die sofortige Vollziehung wird verhindert, dass durch die mögliche Einlegung eines Widerspruchs das sich anschließende straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren für die A26-Ost verzögert würde. Dies wiederum ergibt sich aus folgenden zwingenden Terminabhängigkeiten:
Die infolge der Teilaufhebung durchzuführenden Umbettungen sind zeitlich nur in der Winterperiode zulässig. Da das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt 6c in der Gesamtablaufplanung A26-Ost zwingend in der Mitte des Jahres 2020 erfolgen muss, müssen die Umbettungen – und damit vorlaufend die Teilaufhebung des Friedhofs - als hierfür notwendige vorbereitende Maßnahme bis zu diesem Zeitpunkt umgesetzt worden sein. Eine Umbettung erst in der Winterperiode 2020/2021 würde die Antragstellung im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren und damit auch die weitere Bauablaufplanung um mindesten ein komplettes Jahr verzögern.
Solche Verzögerungen können sich überdies auch auf die Realisierung der A26-Ost insgesamt auswirken und sind insbesondere aufgrund der Bedeutung der Verkehrsfunktion der A 26 zwingend zu vermeiden.
Die A26-Ost bildet die unmittelbare Weiterführung der A26 (Stadt-Hamburg), nachfolgend A 26-West bezeichnet. Die A 26-Ost ist in drei Verkehrseinheiten (Abschnitte 6a bis 6c) gegliedert. Der Abschnitt 6a schließt am Baubeginn unmittelbar an den 4. Bauabschnitt der A 26-West an. Erst mit dem hier gegenständlichen Abschnitt 6c wird mit der Anbindung an die A 1 die volle Verkehrswirksamkeit hergestellt.
Das Erreichen der Verkehrswirksamkeit innerhalb des vorgesehenen Zeitfensters ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, da sie im Zusammenwirken mit dem vorhandenen Bundes-, Stadt- und Hafenstraßennetz zu einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur und damit zur Verbesserung der Erreichbarkeit im Hamburger Hafen beitragen soll. Bereits heute sind die bestehenden Verkehrsachsen (B73 durch Heimfeld und Harburg sowie die Haupthafenroute über den Köhlbrand) sehr stark ausgelastet. Infolgedessen kommt es insbesondere auf der Köhlbrandquerung im Tagesverlauf regelmäßig zu Rückstaubildungen, die zu Beeinträchtigungen im Hafenbetrieb führen. Sofern Rechtsbehelfe gegen die Teilaufhebung zu Verzögerungen im Planfeststellungsverfahren führen würden - und damit die Beeinträchtigungen länger andauern sollten - wären Wettbewerbsnachteile zu konkurrierenden Häfen zu erwarten. Darüber hinaus würden überlastete Hauptachsen im Hamburger Süden zu weiteren Verkehrsumlagerungen im nachgeordneten Netz, auch in Wohngebiete, führen. Infolgedessen würden diese erheblich von Durchgangsverkehren und damit mit Lärm- und Schadstoffemissionen belastet.
Aus diesen Gründen ist die sofortige Vollziehung anzuordnen und zur Vermeidung schwerwiegender Folgen und Nachteile gerechtfertigt. Das öffentliche Interesse hat angesichts der dringend benötigten Verkehrsflächen, die nur bei Einhaltung der vorgesehenen Zeitachsen im Jahr 2028 fertiggestellt werden können, und der wirtschaftlichen Bedeutung ein besonderes Gewicht.
Diesem öffentlichen Interesse am bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur als Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge steht das private Interesse etwaiger Betroffener an der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche und ggf. Klagen gegenüber. Dieses wiegt im Ergebnis der Abwägung allerdings nicht derart schwer, dass dies den Verzicht auf die sofortige Vollziehung rechtfertigen könnte.
Denn die infolge der Teilaufhebung eintretende Rechtsfolge -nämlich die vorzunehmenden Umbettungen- führen nicht zu unangemessenen Einschränkungen oder gar zum Verlust der Rechte der mit der Totensorge Verpflichteten. Die Umbettungen stellen sicher, dass die Grabpflegeberechtigten dieses Recht an den neuen Grabstätten weiterhin im mindestens gleichen Umfang ausüben können. Im Gegenteil: Im hier vorliegenden Fall wird durch den Neubau des muslimischen Wasch- und Gebetshauses im Bereich der neuen Grabstätten erstmals eine religiös angemessene Zeremonie möglich sein und mithin eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur bestehenden Situation eintreten.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.