Sondernutzungsgebühr für E-Scooter prüfen
Die Bezirksversammlung hat in ihrer Sitzung am 20.04.2023 die Vorlage 22-3634.1 Sondernutzungsgebühr für E-Scooter prüfen einstimmig beschlossen und hat den Beschluss des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität und Stadtnatur damit bestätigt. Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) wurde um Abgabe einer Stellungnahme gebeten.
Mit der Freigabe von Elektro-Kleinstfahrzeugen für den öffentlichen Straßenverkehr im Jahre 2019 etablierte sich ein neues Geschäftsmodell auf Hamburgs Straßen. Das Abstellen und Vermieten von zunächst E-Scootern, später auch E-Fahrrädern und Motorrollern im öffentlichen Raum. Mit Bezugnahme auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Hamburg aus dem Jahr 2009 (Az. 2 Bs 82/09) hat der Hamburger Senat die Bereithaltung von Rollern im öffentlichen Raum als Sondernutzung eingestuft und schloss freiwillige Vereinbarungen mit den Anbieter:innen von E-Rollern.
Allein in den Monaten Oktober bis Dezember stellten zwei Teams der Stadtreinigung 12.820 Fahrzeuge von den Rad- und Gehwegen in geeignete Abstellflächen um. Das waren pro Arbeitstag 203 Fahrzeuge. Nach Auskunft des Senats (Drs. 22/10741 der Bürgerschaft) haben sich die Anbieter:innen bis dato an den monatlichen Kosten dieses Modellprojektes in Höhe von 41.560 € nicht beteiligt. Andere Städte, wie Bremen oder Düsseldorf, nutzten von Anfang an die Möglichkeit, die E-Roller per Sondernutzungserlaubnis zu regulieren. Diese Ansicht teilt mittlerweile auch das Oberverwaltungsgericht Münster (Az. 11 B 1459/20).
In anderen aktuellen Verfahren wurde eine jährliche Sondernutzungsgebühr der Stadt Köln in Höhe von
130 € pro Scooter vom Verwaltungsgericht nicht beanstandet. Auch die Städte Düsseldorf, Nürnberg und Dresden erheben zum Teil erhebliche Gebühren. In diesen Städten ist geplant, die Zahl der Scooter durch eine Ausschreibung zu begrenzen und an Qualitätskriterien zu binden. So soll es Vorgaben zu Umweltstandards, Arbeitsbedingungen und Reaktionszeit bei Parkverstößen geben.
Die zuständige Fachbehörde wird nach § 27 BezVG gebeten,
1. zu prüfen, ob die bisherige Rechtsauffassung, bei den ausleihbaren E-Scootern handele es sich um einen Gemeingebrauch der Wege, noch aufrechterhalten werden kann;
2. zu prüfen, ob sodann für die bestehenden Verleiher:innen eine Sondernutzungsgebühr erhoben werden kann;
3. zu prüfen, ob es rechtlich möglich ist, in Zusammenarbeit aller Bezirksämter eine Konzeption für eine künftige Ausschreibung des E-Scooter-Verleihs auf öffentlichen Wegen zu erarbeiten.
4. Dem Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität und Stadtnatur soll hierzu Bericht erstattet werden.
Die BVM nimmt mit Schreiben vom 23.06.2023 wie folgt Stellung:
1. zu prüfen, ob die bisherige Rechtsauffassung, bei den ausleihbaren E-Scootern handele es sich um einen Gemeingebrauch der Wege, noch aufrechterhalten werden kann;
Zu 1.:
Entgegen den Ausführungen in der Sachverhaltsdarstellung wurden die sog. freiwilligen Vereinbarungen nicht auf der Grundlage der Annahme einer Sondernutzung, sondern eines wegerechtlichen Gemeingebrauchs abgeschlossen. Diese Einschätzung beruht auch nicht lediglich auf der zitierten Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2009.
Die BVM untersucht und bewertet fortlaufend die u.a. auch für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren maßgebliche Frage, ob das Abstellen gewerblich angebotener (Kraft-)Fahrzeuge im Rahmen des stationsunabhängigen Sharing als Gemeingebrauch oder als Sondernutzung anzusehen ist. Ungeachtet dessen, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 11. Mai 2023 (Az. 11 B 96/23) die konkrete Ausgestaltung der Sondernutzungsgebühren durch die Stadt Köln mittlerweile für rechtswidrig befunden hat, ist die einleitend formulierte Ausgangsfrage weiterhin nicht abschließend geklärt: Bereits mit Urteil aus dem Jahr 1982 hatte das Bundesverwaltungsgericht (Az. 7 C 73/79) auf öffentlichen Straßen abgestellte Mietwagen als „Gemeingebrauch“ eingestuft. Dieser Einschätzung hat sich das Hamburgische Oberverwaltungsgericht im Jahr 2009 (Az. 2 Bs 82/09) für Mietfahrräder angeschlossen. Unlängst hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 (1 S 56/22) entschieden, dass stationsunabhängiges, gewerbliches Sharing von Kraftfahrzeugen nicht als Sondernutzung, sondern als „Gemeingebrauch“ anzusehen ist. Der Grund hierfür sei, dass auch solche Fahrzeuge vorrangig zu Verkehrszwecken bereitgestellt würden und damit anders zu beurteilen seien als das Angebot verkehrsfremder Waren oder Dienstleistungen auf öffentlichen Straßen. Anderslautende Entwicklungen und Gerichtsentscheidungen insbesondere aus dem Land Nordrhein-Westfalen sind der BVM bekannt. Die BVM prüft ihre Rechtsauffassung und die aktuelle Entwicklung fortlaufend
2. zu prüfen, ob sodann für die bestehenden Verleiher:innen eine Sondernutzungsgebühr erhoben werden kann;
Zu 2.:
Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren setzt neben einem entsprechenden Gebührentatbestand das Vorliegen einer Sondernutzung voraus (siehe Antwort zu Ziffer 1). Zudem wurden im Zusammenhang mit unsachgemäß abgestellten E-Scootern bereits Verwarn- bzw. Bußgelder in Höhe von rund 200.000 Euro beigetrieben.
3. zu prüfen, ob es rechtlich möglich ist, in Zusammenarbeit aller Bezirksämter eine Konzeption für eine künftige Ausschreibung des E-Scooter-Verleihs auf öffentlichen Wegen zu erarbeiten.
Zu 3.:
Eine derartige Ausschreibung beruht ebenfalls auf der Annahme einer Sondernutzung (siehe ebenfalls Antwort zu Ziffer 1). Wegen der maßgeblichen Zuständigkeit der Bezirksämter als Wegeaufsichtsbehörden würde im Falle einer Ausschreibung ein entsprechendes Konzept mit allen Bezirksämtern erarbeitet und abgestimmt werden. Rechtliche Hindernisse bestehen insoweit nicht.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.