Obdachlosigkeit in St. Georg, hier: Empfehlung des Stadtteilbeirates St. Georg vom 29.11.2023
Letzte Beratung: 16.01.2024 Cityausschuss Ö 9.3.2
Der Stadtteilbeirat St. Georg hat in seiner Sitzung am 29.11.2023 folgende Empfehlung beschlossen:
Am 30.11.2022 hatte der damalige Stadtteilbeirat St. Georg auf der letzten Sitzung vor seiner faktischen Auflösung eine mit sehr großer Mehrheit angenommene Empfehlung zum Thema Obdachlosigkeit und zur zunehmenden Verelendung von Menschen in unserem Hauptbahnhofviertel beschlossen. Unklar ist ein Jahr nach diesem Beschluss, was der Bezirk Hamburg-Mitte im Einzelnen oder überhaupt unternommen hat, den Wünschen aus dem Stadtteil nachzukommen. Daher wird der fast genau ein Jahr alte Antrag hiermit erneut vorgelegt, zudem aber auch mit Blick auf weitere Entwicklungen – in rot gehalten - aktualisiert.
Es wird beantragt:
1. Das Bezirksamt wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilbeirat und den örtlichen Initiativen mit Blick auf den bevorstehenden Winter zeitnah nach geeigneten Flächen für kleine Containereinheiten (für jeweils 2 bis 4 Wohn- und 1 Sanitärcontainer), Ausschau zu halten, um dort kurzfristig obdachlose Menschen unterzubringen. Selbstverständlich soll hier auch eine sozialarbeiterische Begleitung gewährleistet werden.
2. Das Bezirksamt wird aufgefordert, insbesondere größere Parkplatzflächen (wie z.B. Sportspaß, das Gelände der katholischen Kirche, auf dem Einrichtungen geschlossen worden sind) darauf hin zu prüfen, ob hier weitere Möglichkeiten zur Aufstellung von Wohncontainern bestehen.
3. Der Senat wird aufgefordert, das Ziel der Beseitigung der Obdachlosigkeit bis 2030 endlich mit einem durchdachten und mit der Zivilgesellschaft rückgekoppelten Aktionsplan anzugehen und dafür als erste Maßnahmen a) das zum 1. November 2023 wieder angelaufene Winternotprogramm auch tagsüber zu öffnen und b) überhaupt zu entfristen, also unbegrenzt weiterlaufen zu lassen. Das Ziel sollte dabei sein, öffentliche Notunterkünfte in dauerhafte, reguläre Wohneinheiten umzuwandeln.
4. Der Senat wird aufgefordert, um dem Ziel der Überwindung der Obdachlosigkeit und der Schaffung eines neuen Zuhauses für die betroffenen Menschen schnell näher zu kommen, das Modellprojekt „Housing First“ mit zunächst lediglich 30 Wohnplätzen schnellstens in ein Regelprojekt zu überführen, da sich Housing First längst nicht nur in Finnland als erfolgreiches Prinzip erwiesen hat, die Obdachlosigkeit massiv zurückzufahren.
5. Der Senat wird aufgefordert, den Anteil der neu gebauten Wohnungen für vordringlich wohnungssuchende Haushalte noch-mals deutlich zu erhöhen.
6. Senat und Bezirksamt werden aufgefordert, mehr Personal für den Wohnraumschutz bereitzustellen, um der gerade auch in St. Georg verbreitet festzustellenden Zweckentfremdung von Wohn-raum (gewerbliche Nutzung von Wohnraum, Leerstand, Ferien-wohnungen usw.) erheblicher intensiver nachgehen zu können.
7. Das Bezirksamt wird aufgefordert, davon abzusehen, Spendenausgabestellen für Obdachlose vom Hachmannplatz ins St. Georger Wohngebiet zu verlagern. Einrichtungen dieser Art, also solche mit erheblicher Außenfrequenz, sollten auf dem Hauptbahnhofgelände und am Rand des Stadtteils, jedenfalls nicht im Wohngebiet angesiedelt werden.
8. Das Bezirksamt wird ersucht, die Toleranz und Akzeptanz der St. Georger*innen gegenüber sozialen Einrichtungen nicht zu strapazieren, sondern zu erhalten und zu fördern. Das erfordert, dass gemeinsam – also an einem Runden Tisch unter Beteiligung nicht zuletzt der Anwohner*innen – erörtert wird, wo für alle Betroffenen und Beteiligten geeignete Standorte zu finden sind.
9. Die jüngst erfolgte Ankündigung von Maßnahmen gegen die Verelendung rund um den Hauptbahnhof durch Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer wird grundsätzlich begrüßt. Allerdings weist der sog. „3-Punkte-Plan“, bestehend aus den Elementen
+ gemeinsame Spitzengespräche mit den Hilfseinrichtungen
+ Schaffung einer „Koordinierungsstelle Sozialarbeit“ für den Hauptbahnhof und das Umfeld
+ kurzfristige, befristete Schutzwohnungen für Betroffene
(„DIE WELT“ vom 18./19.11.2023, im Netz unter https://www.welt.de/regionales/hamburg/article248600842/3-Punkte-Plan-gegen-Verelendung-an-Hamburgs-Hauptbahnhof.html)
erneut das grundlegende Manko auf, die Stadtteilgremien und die Menschen vor Ort in die Debatte nicht miteinzubeziehen. Auch hier ist Bürger*innenbeteiligung unverzichtbar.
10. Der Vorplatz des „Drob Inn“ muss umgestaltet werden. Hier halten sich täglich viele, weit überwiegend obdachlose Menschen aus dem Milieu auf. Es ist überfällig, die erbärmliche An-lage des Platzes deutlich menschenwürdiger zu gestalten und dafür die Zusammenarbeit mit dem „Drob Inn“ zu suchen.
Da der Antrag sehr viele detaillierte Punkte enthält, einigt sich das Plenum, dass über die Intention des Antrages abgestimmt wird, nicht über die einzelnen Punkte.
Meinungsbild Plenum*:
Ja: 42 Nein: 1 Enthaltung: 9
Votum Stadtteilbeirat:
Ja: 12 Nein: 0 Enthaltung: 2
Der Antrag ist angenommen.
*Im Plenum sind rund 70 Personen anwesend.
Um Beschlussfassung / Kenntnisnahme wird gebeten.
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