22-3366.1

Kurzfristige Ermöglichung von Geflüchtetenunterkünften am Karl-Arnold-Ring und Findung von langfristigem Ersatz

Mitteilung öffentlich

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19.01.2023
Sachverhalt

Die Bezirksversammlung hat dem nachfolgend aufgeführten Antrag der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion Drs. Nr. 22-3366 in ihrer Sitzung am 17.11.2022 einstimmig - bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE und einer Enthaltung der GRÜNE-Fraktion - zugestimmt.

 

 

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, den die Fraktionen der Bezirksversammlung bereits im Hauptausschuss im März verurteilt haben, läuft bereits seit knapp neun Monaten. Die zu verurteilende Taktik der russischen Streitkräfte, die Bombardierung von zivilen Zielen, führt weiterhin zu einem großen Flüchtlingsstrom aus der Ukraine in die benachbarten Staaten und darüber hinaus. In Hamburg ist die Zahl der ankommenden Menschen deutlich spürbar und führt mittlerweile zu Mangel an geeigneten Flächen zur Unterbringung.

 

Als Bezirksversammlung Hamburg-Mitte unterstützen wir weiterhin das Bezirksamt und die Hamburger Fachbehörden bei Ihren Bemühungen zur immer schwieriger werdenden Aktivierung von Unterbringungsmöglichkeiten. Aus Perspektive der Stadtteile in Hamburg-Mitte ist dabei eine bedauerliche Notwendigkeit, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt beispielweise auch begrenzt Sporthallen von beruflichen Schulen zur temporären Unterbringung herangezogen werden mussten. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Solidarität der Menschen vor Ort sowie der örtlichen Sportvereine, hier flexibel auf die Situation zu reagieren und gemeinsam mit dem Bezirksamt alternative Lösungen für die Sportangebote gefunden zu haben.

 

Nun wird am Beispiel der geplanten Unterbringung am Standort Karl-Arnold-Ring deutlich, dass zur Deckung der aktuellen Kapazitätsbedarfe neue Formen der temporären Unterbringung gefunden werden müssen. Die Planung, hier auf geeignete Wohnwagen zurückzugreifen, wird durch uns für die temporäre Unterbringung für einen begrenzten Zeitraum bis zum 30.09.2023 unterstützt.

 

Nichtsdestotrotz gilt auch für diese Entscheidung, dass eine weitergehende Konzentration in bereits ausgelasteten Stadtteilen vermieden werden sollte. Wir bekräftigen unseren Beschluss (Drucksache 22-2818) und befürworten weiterhin Flächen in Stadtteilen, die bisher weniger zur Unterbringung von Geflüchteten beigetragen haben. In diesem Sinne fordern wir die zuständigen Stellen dazu auf, auf eine längerfristige Unterbringung im Karl-Arnold-Ring etwa in Containerbauweise zu verzichten. Gleichzeitig ist unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit darauf zu achten, dass der Bezirk Hamburg-Mitte gemessen an Bewohnerzahl und Fläche bereits jetzt einen überproportionalen Beitrag zur Unterbringung leistet.

 

  1. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte unterstützt die Bemühungen der zuständigen Stellen, den weiterhin wachsenden Unterbringungsbedarf über geeignete temporäre Formen wie Wohnwagen umzusetzen, insbesondere auch um eine Unterbringung in Zelten zu vermeiden. Die Bezirksversammlung spricht sich jedoch im Hinblick auf die gegenwärtige Verteilung von Unterbringungskapazitäten auf die einzelnen Bezirke (4344 von 12656 Plätzen in Hamburg-Mitte) für eine gleichmäßigere Verteilung von Unterkünften, auch von Interimsstandorten, auf das gesamte Stadtgebiet aus. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, hierauf bei den zuständigen Stellen hinzuwirken, dass eine solche Verteilung zumindest mittel- bis langfristig erreicht wird.
  2. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, mit den zuständigen Stellen dafür zu sorgen, dass der Standort am Karl-Arnold-Ring ausschließlich für den Betrieb bis zum 30.09.23 hergerichtet wird. Begleitend dazu gehören für die Menschen ordentliche bauliche Zustände, die Zurverfügungstellung von WLAN sowie hinreichende soziale Betreuungsangebote vor Ort. Eine sich anschließende, mittel- bis langfristige Unterbringung in Containerbauweise am Standort Karl-Arnold-Ring 11 lehnen wir ab.

3. Der Bezirksamtsleiter wird im Hinblick auf die nunmehr erheblichen Unterbringungskapazitäten im Stadtteil Wilhelmsburg gebeten, bei den zuständigen Stellen auf eine schnellstmögliche Beendigung der Notunterbringung in der Sporthalle BS 14 Dratelnstraße hinzuwirken.

4. Die Verwaltung wird gebeten, zur Sitzung des Ausschusses für Sozialraumentwicklung im Januar 2023 Vorschläge vorzulegen, wie für die Unterkünfte und die umliegenden Sozialräume, flankierende Angebote geschaffen werden können.

 

 

 

Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zu dem Beschluss teilweise auf Grundlage von Auskünften von F&W Fördern & Wohnen AöR (F&W) mit Schreiben vom 02.01.2023 wie folgt Stellung:

 

Die Sozialbehörde dankt dem Bezirksamt Hamburg-Mitte sowie der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte für die besondere Solidarität und Unterstützung, zusätzliche und dringend benötigte Unterbringungskapazitäten für Schutzsuchende zu schaffen. Damit leistet der Bezirk Hamburg-Mitte einen sehr wesentlichen Beitrag, dass es Hamburg gelingt, neben den mit Stand 15. Dezember 2022 insgesamt bereits rund 15.200 zusätzlich geschaffenen Plätzen die weiterhin erforderlichen Kapazitäten zu realisieren und den Schutzsuchenden einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen.

 

Nach wie vor suchen Menschen aus der Ukraine und aus anderen Krisenregionen der Welt in Deutschland und in Hamburg Schutz. Seit dem 24. Februar 2022 sind mit Stand 16. Dezember 2022 41.719 Personen in Hamburg registriert worden, davon wurden bisher 4.598 Personen in andere Länder verteilt, sodass 37.121 Schutzsuchende aus der Ukraine in Hamburg verblieben sind. Rund 17.650 Menschen aus der Ukraine wurden seit Kriegsbeginn untergebracht.

 

Aktuell liegen die Zugänge Schutzsuchender aus anderen Herkunftsländern seit Jahresbeginn mit Stand 19. Dezember 2022 bei 11.238 Personen, von denen 7.572 in Hamburg verblieben sind, 5.532 davon mit Unterbringungsbedarf. Dies entspricht im Vergleich zu den Vorjahren einem sehr hohen Niveau. Im Übrigen siehe auch https://www.hamburg.de/sfa-lagebild/.

 

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat die Lenkungsgruppe „Integration öffentlich-rechtliche Unterbringung (örU) und Erstaufnahme (EA) in die gesamtstädtische Flächenverwertung und Planung“ am 09.12.2022 für 2023 nunmehr zwei Zugangsprognosen aufgestellt: einerseits für die Asyl- und Schutzsuchenden aus allen Drittstaaten ohne die Zugänge aus der Ukraine, andererseits für die Schutzsuchenden aus der Ukraine. Selbst im best-case-Szenario beider Zugangsprognosen bedarf es für 2023 eines Platzaufbaus von rd. 5.000 Plätzen, im worst-case-Szenario sogar von 16.500 Plätzen. Während das best-case-Szenario ein Kriegsende in der Ukraine Mitte 2023 unterstellt, geht das worst-case-Szenario davon aus, dass in 2023 nochmals die gleiche Anzahl von Schutzsuchenden aus der Ukraine nach Hamburg kommen wie in 2022. In der Abwägung dieser Szenarien stellen sich die zuständigen Behörden darauf ein, mindestens 10.000 Unterbringungsplätze in 2023 zu entwickeln.

 

Die zuständigen Behörden prüfen vor dem Hintergrund der dramatischen Situation mit Hochdruck fortlaufend alle Möglichkeiten, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten beziehungsweise zu erhalten. Der Kapazitätsaufbau schließt hierbei sowohl die Schaffung kurzfristiger Notfall- und Interimskapazitäten (Anmietung von Hotels, Herrichtung von Gewerbeobjekten, Vorbereitung von Hallen), auch auf Basis des Gesetzes zum Schutz der Sicherheit und öffentlichen Ordnung (SOG), als auch die Neuentwicklung von Standorten im Regelsystem ein. Hierfür müssen grundsätzlich alle geeigneten Flächen in Anspruch genommen werden. Da geeignete Flächen nur begrenzt zur Verfügung stehen, muss die Priorität auf der schnellstmöglichen Schaffung von Plätzen liegen, um die dauerhafte Auskömmlichkeit der Unterbringungskapazitäten sicherzustellen.

 

Die Nutzung von Sporthallen und Sportflächen, die in aktiver Nutzung sind, ist dabei eine temporäre Notmaßnahme. Aktuell werden die Sporthallen der Berufsschulen (BS) im Bezirk Hamburg-Mitte am Ebelingplatz, in der Dratelnstraße, Wendenstraße und im Bezirk Hamburg-Nord im Tessenowweg als Notfallstandorte genutzt. Die Auswahl der Sporthallen erfolgte auf Vorschlag der Behörde für Schule und Berufsbildung/der Schulaufsicht in Abstimmung mit der BIS/der Abteilung für Öffentliche Sicherheit und dem Landessportamt, den Bezirksämtern (Bezirksamt Hamburg-Mitte als federführendes Bezirksamt für den Zivil- und Katastrophenschutz und Bezirksamt Hamburg-Harburg als federführendes Bezirksamt für den Sport), dem Hamburger Sportbund in Stellvertretung für die Hamburger Sportvereine und Schulbau Hamburg sowie der Sozialbehörde. Dabei wurde Wert daraufgelegt, auf Sporthallen der allgemeinbildenden Schulen zu verzichten und sich auf Hallen der Berufsschulen zu begrenzen. Bestimmende Faktoren waren hier die Verfügbarkeit in Verbindung mit Sanierungen, das Maß der Entbehrlichkeit für den Berufsschulsport, die Auslastung durch Vereinssport und Möglichkeit der Verlegung der Nutzung, Dreifeldhallen mit adäquater Sanitärstruktur, ausreichend Außenflächen sowie Möglichkeiten des Bodenschutzes. Ziel ist es, die Notfallunterbringung in Sporthallen schnellstmöglich zu beenden. Derzeit ist jedoch nicht absehbar, wann die Zugangs- und Unterbringungssituation dies ermöglichen wird.

 

Es besteht zwischenzeitlich Einvernehmen zwischen der Sozialbehörde und dem Landessportamt, dem Wunsch des Bezirksamtes Hamburg-Mitte nachzukommen und als erstes die Sporthalle Dratelnstraße freizuziehen.

 

Zu 1.:

 

Im April 2017 hat sich die zuständige Behörde mit der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ auf einen Orientierungs- und Verteilungsschlüssel (OVS) verständigt. Der OVS zeigt für begrenzte Gebiete an, wie viele Plätze nach den dort definierten Kriterien im Verhältnis zur jeweiligen hamburgischen Gesamtplatzzahl vertretbar sind und dient insoweit als Orientierung für zukünftige Entscheidungen bei der Errichtung von Unterkünften oder Reduzierung vorhandener Plätze. An die Ziele des OVS, vgl. https://www.hamburg.de/zkf-aktuelles/8492030/schluessel-fuer-gerechtere-verteilung-von-fluechtlingsunterkuenften-in-hamburg-vorgestellt/, sieht sich der Senat grundsätzlich weiterhin gebunden.

 

Durch die andauernden Kriegshandlungen in der Ukraine und einem nicht zu erwartenden schnellen Ende des Krieges steigt neben den Zugängen aus anderen Ländern die Zahl Schutzsuchender aus der Ukraine in Hamburg weiter an, woraus ein hoher Bedarf an Unterbringungsplätzen resultiert. Um diesen Bedarf kurzfristig decken zu können, kann der OVS aktuell nicht berücksichtigt werden. Es wird jede Liegenschaft genutzt, die für einen Standort geeignet ist. Es erfolgt der Ausgleich über den OVS in der aktuellen Situation deshalb erst im Nachgang, wenn der Bedarf an Unterbringungsplätzen zurück geht und mit dem Rückbau bzw. der anderweitigen Nutzung der Unterkünfte begonnen wird. 

 

Sobald die Zugangslage es ermöglicht, wird der OVS bei der Belegung von Standorten und der Schaffung neuer Platzkapazitäten bzw. des Abbaus von Platzkapazitäten wieder berücksichtigt werden.

 

Der aktuelle OVS basiert auf den Daten des Jahres 2021 und wird Anfang 2023 aktualisiert, siehe auch https://www.hamburg.de/sfa/15036438/ovs/.

 

Zu 2.:

 

Auf dem Grundstück der ehemaligen Förderschule wird der Standort Karl-Arnold-Ring 11 durch F&W als Interimsstandort errichtet. Die Inbetriebnahme soll sukzessive ab dem 01.03.2023 beginnen. Ob die Laufzeit bereits zum 30.09.2023 enden kann, kann zurzeit nicht verbindlich zugesagt werden. Die Sozialbehörde geht allerdings von einer maximalen Nutzungsdauer von einem Jahr aus Die entsprechende Nutzungsmitteilung auf Grundlage des SOG wurde dem Bezirksamt Hamburg-Mitte am 9. Dezember 2022 zugesandt. Geplante nachfolgende Baumaßnahmen zur Realisierung von Wohnungsbau werden durch die Nutzung als Interimsstandort zur Unterbringung von Schutzsuchenden nicht gefährdet.

 

Bis zu 200 Schutzsuchende aus der Ukraine sollen an dem Standort in 50 Wohnwagen untergebracht werden. Zusätzlich sind ein großes Gemeinschaftszelt (20 x 30 Meter) sowie Spiel-möglichkeiten im Außenbereich und ein zweistöckiges Containermodul für die Verwaltung und den Technischen Dienst vorgesehen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

Der Senat hat bereits mit Drs. 22/8206 und 22/8308 ausführlich zu den Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur und entsprechenden Anpassungen Stellung genommen. Die dort beschriebenen Maßnahmen gelten grundsätzlich für alle Bezirke hamburgweit. Im Übrigen siehe auch Drs. 22/10030.

 

Die Sozialbehörde ist in regelhaftem Austausch mit den Bezirksämtern im Hinblick auf Maßnahmen der sozialen Infrastruktur im Umfeld von Unterkünften (zum Beispiel Spielmobile, Sozialräumliche Integrationsnetzwerke, Frühe Hilfen und Familienförderung, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Sozialräumliche Angebote der Jugend- und Familienförderung), um diese bedarfsgerecht anzupassen.

 

Für das Förderprogramm Soziale Integrationsnetzwerke (SIN) stellt die Sozialbehörde den Bezirksämtern jährlich SIN-Mittel in Höhe von rund 4,9 Millionen Euro über Fremdbewirtschaftungen zur Verfügung. Aufgrund der anhaltend hohen Anzahl von Schutzsuchenden wurde die Summe sowohl für das Jahr 2022 als auch das Jahr 2023 bereits um eine Million Euro aufgestockt.

 

Die Bezirksämter haben mit Stand von Mitte November 2022 einen Mehrbedarf von insgesamt 3,175 Mio. EUR für 2023 beantragt, das Bezirksamt-Hamburg Mitte einen Mehrbedarf von rd. 1,136 Mio. EUR. Diese Mittel wurden zwischenzeitlich vollumfänglich bewilligt.

 

Der dargestellte Mehrbedarf enthält bereits Mittel in Höhe von 100 Tsd. EUR, die seitens der Sozialbehörde für die Stärkung und Stabilisierung des Sozialraums am Karl-Arnold-Ring zugesagt worden sind.

 

Eine Grundversorgung mit Internet ist durch Aufstellung mobiler WLAN-Router (sgn. Cubes) geplant. Eine darüberhinausgehende Versorgung ist aufgrund der begrenzten Standortlaufzeit nicht wirtschaftlich realisierbar.

 

Zu 3.:

 

Siehe Vorbemerkung.“

 

 

Das Bezirksamt teilt ergänzend mit, dass das Fachamt Sozialraummanagement gemeinsam mit der Stabstelle für Flüchtlinge und Fördern & Wohnen am 18.01.2023 von 18:00-20:00 Uhr eine Informationsveranstaltung zum Thema „Befristete Unterbringung von Geflüchteten in Kirchdorf-Süd“ in der Aula der Schule am Stübenhofer Weg 20 durchführt.

Eine Befassung des Ausschusses für Sozialraumentwicklung mit der Frage, wie für die Unterkünfte und die umliegenden Sozialräume flankierende Angeboten geschaffen werden können, ist in der Sitzung am 02.02.2023 vorgesehen.

 

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme wird gebeten.