22-3262

Für ein gutes Miteinander - Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner UND der Gastronomie ernst nehmen! (Antrag der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion)

Antrag öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
05.10.2022
Sachverhalt

Das Thema Außengastronomie bewegt die Bezirkspolitik in Hamburg-Mitte aufgrund der Pandemie bereits seit über 3 Jahren. Doch nicht nur die coronabedingten Ausnahmelösungen sind Regelungsbedarfe, denen wir uns angenommen haben, bereits seit 10 Jahren wird das Thema Gastronomie im öffentlichen Raum zwischen Anwohnenden, Gastro-Szene und Politik kontrovers diskutiert. Kommod und vor allem einhellig waren die Meinungen dazu nie – es handelt sich um die typischen Zielkonflikte einer Großstadt.

Durch die Corona-Pandemie kam das Thema unter einem besonderen Gesichtspunkt zum Vorschein: Die Angst vor Ansteckung mit dem Covidvirus in Räumen, einhergehend mit dem Bedürfnis der Menschen, sich dennoch wieder in der Gastronomie und vor allem miteinander treffen zu wollen, und dem Bedürfnis der Gastronomie und ihrer Beschäftigten, Publikum bedienen zu wollen, nein zu müssen, da es der Broterwerb ist. In diesem Sinne waren die bezirklichen temporären Regelungen (pragmatische Genehmigungen, Ausweitung der Außenterrassen auf Parkplätze und Lieferzonen, Zulassen von Heizpilzen im ersten Corona-Winter) sinnvolle Ausnahmen, um dem Gastro-Gewerbe im Außenbereich Umsätze zu ermöglichen, die durch die Einschränkungen der Pandemie in den Innenräumen nicht möglich waren. Die wichtigen Hilfsprogramme von Bund und Land haben im Zusammenspiel mit diesen Maßnahmen dazu geführt, dass eine vielfältige und häufig inhabergeführte Gastro-Szene weitgehend erhalten bleiben konnte.

Mit dem allmählichen Abebben der Pandemie bzw. einer merklichen Entwicklung hin zu einer endemischen Situation, in der es auch für die Gastronomie keine Einschränkungen des Geschäftsbetriebs mehr gibt, ist nun der Zeitpunkt erreicht, die Ausnahmeregelungen auf den Prüfstand zu stellen. Denn: Ausnahmeregelungen dürfen nicht zur Regel werden, und die Solidarität der Wohnbevölkerung in den Ausgehquartieren ist endlich.

Hamburg-Mitte ist ein lebendiger Bezirk - Menschen aus der ganzen Stadt gehen in den beliebten Vierteln wie St. Pauli, Neustadt und St. Georg gerne aus. Gleichzeitig leben, arbeiten und schlafen allein in diesen Vierteln über 50 000 Menschen.

Nach anfänglich sehr großer Solidarität der Menschen in den beschriebenen Stadtteilen mit „ihrer“ Gastronomie – denn auch die Bewohnerinnen und Bewohner nutzen Kneipen und Restaurants gerne und häufig – ist die Stimmung mittlerweile umgeschlagen. So wird seit längerem die Umnutzung von knappem Parkraum kritisiert, das gewichtigstes Argument ist jedoch der Lärm. Zusätzliche Flächen auf den Straßen bedeuten eben auch ein größeres Potenzial für Ruhestörungen. Neben dem allgemein gestiegenen Lärmpegel durch die zusätzlichen Flächen haben die letzten Sommer- und Winternutzungen gezeigt, dass nicht wenige Wirte die großzügige Genehmigungspraxis ausgenutzt und sich nicht an die vorgegebenen Flächen- bzw. zeitlichen Vorgaben gehalten haben. Die Bezirkskoalition dankt in diesem Zusammenhang ausdrücklich dem Bezirklichen Kontrolldienst (BKD), hier im Rahmen der personellen Ressourcen konsequent zu kontrollieren und entsprechendes Fehlverhalten mit Augenmaß zu sanktionieren. Jedoch lassen sich nicht sämtliche Konfliktherde durchgängig monitoren. Insbesondere in den Quartieren St. Paulis verstärken sich in den Sommermonaten die Belastungen für die Anwohnenden am Wochenende noch einmal durch das schwer zu reglementierende Phänomen des Cornerns.

Aus dem beschriebenen Gründen spricht sich die Koalition aus SPD, CDU und FDP für den Bezirk Mitte nun dafür aus, den Bewohnerinnen und Bewohnern nach 3 Jahren tolerierter Ausnahmesituation nun eine Verschnaufpause zu gönnen. Wir möchten für die Wintersaison 2022/ 2023 (zw. 01.11.22 und 31.03.23) zur Regelung aus Vorpandemiezeiten zurückkehren und in Wohnquartieren lediglich beschränkte Möglichkeiten für die Außenbestuhlung („Rauchertische“) auf den Gehwegen zulassen. Parkplätze und Lieferzonen sollen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Aufgabe von (Kommunal-) Politik ist es immer, die gesellschaftlichen Veränderungen aufzugreifen und mögliche Lösungen zu adaptieren. Die Konfliktlagen in einzelnen Quartieren, wie beispielsweise der Paul-Roosen-Straße auf St. Pauli, sind wir in diesem Sommer mit einer vermittelnden Gesprächsplattform im Rahmen des Cityausschusses angegangen. Wir denken langfristig und wollen diesen Gesprächs- und Ideenprozess ausweiten: Workshopverfahren, die auf das Miteinander der Akteure abzielen und die Fragen der zukünftigen Nutzung des öffentlichen Straßenraums verhandeln, werden wir auf bezirklicher Ebene etablieren. Das Konzept eines „Nachtbürgermeisters“, wie es andere Städte wie Mannheim oder Münster derzeit für vergleichbare Konfliktsituationen erproben, prüfen wir.

Darüber hinaus scheint es jedoch ebenso sinnvoll zu sein, dass sich die gesamte Stadt in einem geordneten Prozess aufmacht zu definieren, welchen Stellenwert die Gastronomie für Hamburg hat. Hier kann z.B. geklärt werden, wie sich einerseits bisher weniger attraktive Quartiere durch ein vielfältiges gastronomisches Angebot beleben und wie sich andererseits belastende Konzentration dieser Angebote in bestimmten Vierteln entzerren lassen. Wir regen hierfür ein geeignetes Beteiligungsformat wie beispielsweise die „Stadtwerkstatt“ an. Hier soll auch mit allen Beteiligten diskutiert werden, wie und wo Außengastronomie im Winter regelhaft möglich ist, ohne dass die Anwohnenden in besonderem Maße zusätzlich belastet werden.

Gleichzeitig wollen wir den Genehmigungsprozess für Außengastronomie vereinfachen und setzen uns für mehrjährige Genehmigungen der Sondernutzungen ein. Dies entlastet die Gastronomiebetriebe und bringt Planungssicherheit.

Petitum/Beschluss

Vor diesem Hintergrund möge der Hauptausschuss beschließen:

1. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass aufgrund der hohen Belastungen für die Wohnquartiere in den vergangenen Corona-Jahren, in denen temporär sinnvolle Ausnahmen für die Außengastronomie in Hamburg-Mitte beschlossen wurden, nun für die Wintersaison 2022/23 (zwischen dem 01.11.22 und dem 31.03.23) lediglich eingeschränkte Außenbewirtung auf öffentlichen Flächen vergleichbar zur Winternutzung vor der Pandemie genehmigt wird. Hierzu gehören beispielsweise Steh- bzw. Rauchertische.

2. Gastronomische Angebote im Rahmen von Märkten, Weihnachtsmärkten und saisonalen Veranstaltungen, etc. sind von dieser Regelung auszunehmen.

3. Der Bezirksamtsleiter wird zudem gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass die bisherige Ausnahmepraxis zur Nutzung von Parkständen und Lieferzonen zum 31.10.22 ersatzlos ausläuft.

4. Der Bezirksamtsleiter wird darüber hinaus gebeten, sich bei/ mit den zuständigen Stellen für einen gesamtstädtischen Beteiligungsprozess einzusetzen, der die Chancen und Herausforderungen von gastronomischen Nutzungen – auch in der Wintersaison – für die unterschiedlichen städtischen Quartiere behandelt und in seiner Folge zeitgemäße, stadtentwicklungspolitische Instrumente zur Verfügung stellt.

5. Die Verwaltung möge prüfen, unter welchen Bedingungen Ausnahmen zu 1. für besonders belebte Plätze ohne ansässige Wohnbevölkerung bzw. mit vorrangiger Tagesbewirtung sowie für Orte, die die positiven Effekte der Außengastronomie zur Stabilisierung des Umfelds dringend benötigen (Beispiel: Hansaplatz), möglich sind.

6. Sollten im Laufe der Winterperiode im Zuge von Eindämmungsverordnungen die Bewirtung in Innenräumen beschränkt sein, wird die Verwaltung gebeten, Außenterrassen auf Gehwegen und Plätzen ausnahmsweise, jedoch ohne zusätzliche Flächen auf Parkständen, etc., zu genehmigen. Den politischen Gremien ist in diesem Fall kurzfristig eine Verwaltungsvorlage zur Entscheidung vorzulegen.

7. Die Verwaltung möge prüfen, wie es möglich ist, eine Sondernutzungsgenehmigung auf politischen Beschluss des Cityausschusses für mehrere Jahre innerhalb der Saison 01.04.-31.10. auszustellen, so dass die Gastronomiebetriebe eine Planungssicherheit haben und beispielsweise in hochwertigeres Außenmobiliar investieren können, mit der Zusage, dieses mehrere Jahre nutzen zu können.

8. Die Verwaltung wird gebeten, hierzu im zuständigen Cityausschuss zu berichten.