21-4783.1

Eine Toilette für Alle in Hamburg-Mitte

Mitteilung öffentlich

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24.01.2019
Sachverhalt

Die Bezirksversammlung hat in ihrer Sitzung am 22.11.2018 dem Antrag der GRÜNE-Fraktion Drs. Nr. 21-4783 in der nachfolgend aufgeführten Fassung einstimmig zugestimmt.

 

 

Die internationale Bewegung „Changing Places“ und die deutsche Stiftung „Leben Pur“ mit ihrer Kampagne „Toiletten für Alle“ kämpfen für menschenwürdige öffentliche Toiletten für Menschen mit schweren oder mehrfachen Behinderungen. Laut Statistischem Bundesamt sind dies mehr als 9 % der Bevölkerung Deutschlands, Tendenz steigend. Ohne solche Toiletten müssen manche der betroffenen Menschen auf den Fußboden einer öffentlichen Toilette gelegt werden: unsicher, unhygienisch und unwürdig. Um das zu vermeiden, verlassen viele Betroffene selten ihr Haus. Manche Behinderungen werden sogar von den DIN-Norm-WCs gar nicht berücksichtigt.

Die „Toilette für Alle“ gibt es z.B. am Marienplatz und in der Allianz-Arena in München, im Landtag Baden-Württemberg und der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart, in einem Cafe-Bistro in Ingolstadt, am Bahnhof in Metzingen, in der Volkshochschule in Schwäbisch Gmünd, im Rathaus in Waldkirch usw. In Hamburg gibt es noch keine Einzige. Die Bezirke Eimsbüttel & Wandsbek planen im Hamburg-Haus (Eimsbüttel) und im Bezirksamt Wandsbek die Einrichtung solcher.

Während Im Süden der Republik viele „Changing Places“ Toiletten verwirklicht sind, bleibt der Norden noch zurück. Hamburg-Mitte ist das Zentrum für viele Menschen und Besucher*innen und bietet viele passende Orte. Wichtig sind ein barrierefreier Zugang und gute Erreichbarkeit. Sinnvoll ist außerdem die Anbindung an bestehende öffentliche Infrastruktur wie Bezirksamt oder Bürger*innenhaus.

In Mitte kommen deswegen mehrere Standorte in Frage:

-          In der Nähe S-Bahn Berliner Tor, zum Beispiel an der HAW

-          In Kombination mit dem neuen Sportzentrum des HT16/Sprechwerk Theaters in Hamm/Borgfelde

-          Im Stadtteil- oder Jugendzentrum Horner Geest in Verbindung mit der neuen Haltestelle der U4

-          in der Hamburger Innenstadt im Rathaus oder in Rathaus-Nähe

 

Die Bezirksamtsverwaltung wird gebeten, zu prüfen,

  • an welcher Stelle in Hamburg-Mitte ein “Changing Place” eingerichtet werden kann, der mit möglichst vielen der beschriebenen Einrichtungen (Anlage 1) ausgestattet ist und
  • mit welchen Kosten für die Umbaumaßnahmen zu rechnen ist.


 

Anlage1:

 

Ein “Goldstandard” Changing Place benötigt beispielsweise:

  • 12 m² Platz für einen elektrischen Rollstuhl und zwei Begleiterinnen bzw. Begleiter
  • eine zentral an der Wand platzierte Toilette, mit Platz an beiden Seiten für die Begleiterinnen bzw. Begleiter
  • eine höhenverstellbare Liege mit abklappbarem Seitengitter, breit genug für eine Drehung um die Körperlängsachse (mindestens 180 x 90 cm)
  • einen Deckenlifter zum sicheren Transfer vom Rollstuhl auf die Liege oder Toilette und zurück
  • einen breiten Papierrollenspender für die Liege
  • ein Paravent um Privatsphäre zu schaffen
  • einen luftdicht verschließbaren Abfallbehälter
  • ein höhenverstellbares Waschbecken, mit verlängertem Wasserhahn und Griffen (falls nicht automatisch)
  • an der Wand montierte Handgriffe, zusätzlich zu den herunterklappbaren Handgriffen neben der Toilette
  • ein Dusch-WC
  • ein Regal für Kolostomietaschen
  • einen bodentiefen Spiegel für kleinwüchsige Menschen oder Menschen, die einen Rollstuhl benutzen
  • einen Stock-/Krückenhalter neben beiden Seiten des Waschbeckens
  • einen für kleinwüchsige Menschen oder Menschen im Rollstuhl erreichbaren Lichtschalter
  • Starke Kontrastfarben zwischen Fußboden und Wänden, Türgriffen und -rahmen, Türen und Oberflächen der Toilettenausstattung (insbesondere Handgriffe und Toilettenpapierhalter)
  • Klare Ausschilderung inklusive Piktogramme mit hohem Kontrast sowie in Blindenschrift, und das internationale “Changing Places” Zeichen (falls diese Toilette den Anforderungen entspricht), außerdem Orientierungsbeschreibung in allen Schriften in dem WC
  • Mehrere Haken auf Standard- und Rollstuhlhöhe
  • einen Automaten für Hygiene-Produkte, z.B. Windeln unterschiedlicher Größe, feuchte Tücher, Einweg-Handschuhe usw, der auch von Menschen im Rollstuhl und kleinwüchsigen Menschen bedient werden kann
  • eine geruchsneutrale Seife
  • ein “Nicht alle Behinderungen sind sichtbar”-Schild an der Außenseite der Tür
  • ein veröffentlichtes System, über so viele Medien wie möglich, wobei Menschen prüfen können, bevor sie ankommen, ob die Toilette in Betrieb ist oder nicht. Falls die Toilette außer Betrieb ist, sollten weitere Infos, ob sie teilweise zu nutzen ist, was genau ausgefallen ist und wie lange die Schließung voraussichtlich dauert, mitgeteilt werden. Nach Reparatur sollte eine Mitteilung veröffentlicht werden, dass die Probleme behoben sind, und die Toilette wieder funktionstüchtig ist.

 

 

 

Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) nimmt zu dem Beschluss mit Schreiben vom 11.01.2019 wie folgt Stellung:

 

Die BUE ist ministeriell für die öffentlichen Toiletten zuständig. Aus Sicht der BUE wäre eine "Toilette für Alle" in Verbindung mit einer öffentlichen Toilette dort zu platzieren, wo der größte Bedarf besteht. Dies wäre grundsätzlich an zentralen Orten bzw. im Umfeld touristischer Hotspots, die hochfrequentierte Personenströme aufweisen, damit möglichst viele Menschen vom Angebot einer "Toilette für Alle" profitieren können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass mögliche Standorte außerhalb des Innenstadtbereichs aus Sicht der BUE für eine öffentliche Toilette weniger gut geeignet sind. Vor diesem Hintergrund favorisiert die BUE den Bereich am Rathaus. Das Rathausgebäude selbst scheidet aus Sicht der BUE aufgrund der eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten baulicher und sicherungstechnischer Art aus. Auch stünden denkmalschutzrechtliche Gründe im Wege.

 

In Betracht kommen ferner nur WC-Anlagen, die über eine ausreichende soziale Kontrolle verfügen, also personell betreut werden, um Fehlnutzungen und Vandalismus vorzubeugen. Zudem sollten die WC-Anlagen idealerweise oberirdisch auf Straßenniveau erreichbar sein, damit so wenig wie möglich Barrieren vorhanden sind. Derartige Flächen sind derzeit kostenfrei nach Kenntnisstand der BUE nicht verfügbar. Die Bezirkspolitik könnte aber bei zukünftigen und geeigneten Bauvorhaben im Innenstadtbereich derartige Flächen als Auflage für Genehmigungen vorsehen.

 

In Anbetracht der derzeitigen Situation erscheint der BUE am ehesten die sanierte WC-Anlage Rathauspassage geeignet zu sein, um eine "Toilette für Alle" zu verwirklichen. Allerdings befindet sich diese Anlage nicht auf Straßenniveau und ist derzeit auch noch nicht barrierefrei erschlossen. Nach derzeitigem Planungsstand beabsichtigt die Deutsche Bahn AG, voraussichtlich Ende 2019 oder 2020 in der S-Bahnstation einen Aufzug in unmittelbarer Nähe zur WC-Anlage einzurichten. Somit wäre dann zumindest eine barrierefreie Zuwegung vorhanden. Auch würde die dann entstehende "Toilette für Alle" mit rd. 9 m² nicht über das von der „Stiftung Leben pur“ definierte Flächenpotential von 12 m² verfügen, so dass nicht die komplette in Anlage 1 des Bezirksversammlungsbeschlusses aufgezählte Einrichtung realisiert werden könnte. Es könnten jedoch ein Deckenlifter, eine höhenverstellbare Liege, ein Dusch-WC und ein höhenverstellbarer Waschtisch nachgerüstet werden. Im Ergebnis würde zwar nicht der "Goldstandard" Changing Places erreicht, aber eine erhebliche Verbesserung für Menschen mit Handicap erzielt werden können.

 

Die BUE wird daher den Wunsch der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte vormerken, mit Herstellung des Aufzuges eine nachträgliche Umrüstung der entsprechenden Fläche in eine "Toilette für Alle" zu prüfen. Die Fachplaner gehen derzeit von Umbaukosten in Höhe von 35.000,- bis 40.000,- Euro aus.

 

Die BUE teilt die Auffassung der Bezirksversammlung, dass die Anbindung einer "Toilette für Alle" an bestehende öffentliche Infrastrukturen sinnvoll bzw. unerlässlich ist, um eine ausreichende soziale Kontrolle und Betreuung sicherzustellen. Die BUE kann sich auch eine "Toilette für Alle" in Verbindung mit einer der vorgeschlagenen Einrichtungen oder einem Bezirksamt oder einem Bürgerhaus vorstellen, hat hier jedoch keine Zuständigkeiten, da es sich in diesen Fällen um keine öffentlichen Toiletten im engeren Sinne handelt.

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme wird gebeten.