22-2736.1

Beschluss zum Antrag Einbenennung eines Weges in St. Georg nach Inge Stolten - Stadtteilbeirat St. Georg vom 23.02.2022

Mitteilung öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
10.05.2022
Sachverhalt

 

Der Cityausschuss hat die nachfolgende Beiratsempfehlung in seiner Sitzung am 01.03.2022 einstimmig beschlossen.

____________________________________________________________________________________

 

Der Antrag der Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. wird wie folgt gestellt:

 

St. Georg hat eine reiche, mehr als 800 Jahre währende Geschichte, die mindestens zur Hälfte

von Frauen geprägt wurde. Doch tatsächlich spiegelt sich das im Stadtteilalltag, konkret in der

Benennung von Straßen, Plätzen, Parks und Brücken in so gar keiner Weise wider.

 

Den auf männliche Personen zurückgehenden 31 Ortsbezeichnungen Adenauerallee,

Alexanderstraße, Altmannbrücke, August-Bebel-Park, Barcastraße, Baumeisterstraße,

Böckmannstraße, Brockesstraße, Bülaustraße, Carl-Legien-Platz, Carl-von-Ossietzky-Platz,

Ernst-Merck-Brücke, Ernst-Merck-Straße, Ferdinand-Beit-Straße, Gurlittstraße, Hachmannplatz,

Helmuth-Hübener-Gang, Jürgen-W.-Scheutzow-Park, Julius-Kobler-Weg, Kennedybrücke,

Knorrestraße, Nagelsweg, Kurt-Schumacher-Allee, Rautenbergstraße, Repsoldstraße, Robert-Nhil-Straße, St. Georgs Kirchhof, St. Georgstraße, Schmilinskystraße, Schweimlerstraße,

Westphalensweg stehen lediglich drei weibliche Namen gegenüber:

 

- seit 1948 die Ellmenreichstraße, benannt nach Franziska Ellmenreich (1847-1931), einer

bekannten Schauspielerin und Mitbegründerin des Deutschen Schauspielhauses;

- seit 2011 der Heidi-Kabel-Platz (1914-2010), benannt nach der bekannten Schauspielerin

des niederdeutschen Ohnsorg-Theaters;

- seit 2013 der Platz Am Mariendom…

 

Damit haben von insgesamt 88 benannten „Verkehrsflächen“ in St. Georg 31 männliche und 3

weibliche Bezeichnungen, nicht einmal zehn Prozent, von Namen von Migrantinnen und

Einwanderern einmal ganz abgesehen. Zeit also, dieses Missverhältnis zu verändern.

Inge Louise Stolten (* 23. März 1921 in Hamburg; † 4. Mai 1993 ebenda) war eine deutsche

Schauspielerin, Schriftstellerin, Journalistin und Politikerin. Während der NS-Zeit gehörte sie dem

passiven Widerstand im Umkreis der Weißen Rose Hamburg an. Durch eine

Tuberkuloseerkrankung als Schauspielerin berufsunfähig, veröffentlichte sie ab 1956 zahlreiche

Schriften und Rundfunkbeiträge zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen sowie

autobiographische Werke. Sie war die Großnichte von Otto Stolten und zweite Frau von Axel

Eggebrecht.

 

Wikipedia-Eintrag zu Inge Stolten, abgefragt am 1.2.2022:

 

Inge Stolten ist 1921 in St. Georg geboren worden und in der Koppel aufgewachsen. Sie stammte aus

einem sozialdemokratischen Arbeiterhaushalt, spielte hinterm Schauspielhaus, ging auf die Mädchenschule in der Koppel, machte 1939 Abitur, wurde aber wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ nicht zum

Studium zugelassen, absolvierte ab 1940 eine Schauspielausbildung und war danach am Deutschen

Schauspielhaus engagiert. Als Gegnerin der Nazis tauchte sie in den letzten Kriegstagen unter, kehrte

anlässlich der Kapitulation aber in die Stadt zurück und wurde noch am Tag der Befreiung als Dolmetscherin für die britische Militärregierung in St. Georg tätig. Über diese frühen Jahre hat Inge Stolten etliche Schriften verfasst und sich in Interviews oftmals dieser Zeit erinnert. Nicht zufällig gehörte sie in den ersten beiden Jahren dem Vorstand der St. Georger Geschichtswerkstatt an.

 

Nach 1945 war Inge Stolten zunächst einige Jahre als Theater- und Film-Schauspielerin

engagiert, musste wegen einer schweren Erkrankung ihren Beruf 1956/57 allerdings aufgeben.

In diesen Jahren wurde sie beim NWDR Hörspiel- und Synchronsprecherin und war bald eine

angesehene, bekannte Journalistin für Radio und Fernsehen und publizierte verschiedene

Sachbücher. Inge Stolten gehörte damit zu den markantesten demokratischen Persönlichkeiten

des westdeutschen Nachkriegs-Journalismus. Bereits 1954 hatte sie den NWDR-Mitbegründer

Axel Eggebrecht (1899-1991) kennengelernt, mit dem sie – nach langer Skepsis gegenüber einer Hochzeit – ab 1982 auch verheiratet war. In den letzten Jahren ihres (gemeinsamen) Lebens engagierte sich

die beiden in der PDS, um sich damit vor allem gegen „das Überrollen der DDR“ und nationalistische

Bestrebungen zu engagieren.

 

Inge Stoltens inzwischen erschlossener, umfangreicher Nachlass befindet sich heute in der

Staats- und Universitäts-Bibliothek Carl von Ossietzky. Im „Garten der Frauen“ auf dem

Ohlsdorfer Friedhof trägt ein Gedenkstein auch ihren Namen. Mit der Einbenennung eines Weges nach

Inge Stolten soll dieser aufrechten, kritischen Zeitzeugin an ihrem Geburtsort Hamburg-St. Georg gedacht werden.

 

Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. beantragt hiermit, den zwischen der Ernst-Merck-Straße und dem Ferdinandstor verlaufenden, bisher unbenannten Fußweg als Inge-Stolten-Weg neu einzubenennen.

 

Ja: 22   Nein: 0  Enthaltung: 2

Votum Stadtteilbeirat:

Ja: 8   Nein: 0  Enthaltung: 2

 

Der Antrag ist einstimmig angenommen.

*Im Plenum sind rund 40 Personen (digital) anwesend.

____________________________________________________________________________________

 

Das Bezirksamt teilt zu dem Beschluss folgendes mit:

 

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat die Benennung des bisher unbenannten Fußweges zwischen der Ernst-Merck-Straße und dem Ferdinandstor in Inge-Stolten-Weg geprüft und hat grundsätzliche keine Bedenken. Betroffen sind zwei Flurstücke, wobei sich eines in privater Hand befindet. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte wird mit dem Eigentümer Kontakt aufnehmen, um das Einverständnis einzuholen und den Cityausschuss über das Ergebnis informieren.

 

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme wird gebeten.