Bebauungsplan-Entwurf Wilhelmsburg 102 "Spreehafenviertel" Zustimmung zur Durchführung der Öffentlichen Plandiskussion
Letzte Beratung: 29.03.2021 Stadtplanungsausschuss Ö 3.3
Mit Bezugnahme auf die Vorlage des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung zur Sitzung des Stadtplanungsausschusses am 14.09.2020 (Drucksachen – Nr.: 22-1245, Zustimmung zur Aufstellung) wird vor dem Hintergrund des erreichten Planstandes um Zustimmung zur Durchführung der öffentlichen Plandiskussion gebeten.
Das Plangebiet ist Teil der im Rahmenkonzept „Hamburgs Sprung über die Elbe – Zukunftsbild 2013+“ enthaltenen Mittelachse, welche vom Wilhelmsburger Inselpark im Süden bis zum Spreehafen im Norden, vom Veringkanal im Westen bis zur verlegten, neuen Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße im Osten reicht. Damit stellt sie räumlich wie inhaltlich einen wichtigen Entwicklungsbereich auf der Elbinsel dar, mit dem die städtebauliche Entwicklung des westlichen Wilhelmsburgs maßgeblich gestaltet werden soll.
Das Plangebiet umfasst insgesamt circa 20 ha und wird durch die Harburger Chaussee / Hafenrandstraße im Norden, die Schlenzigstraße im Osten und den Ernst-August-Kanal im Südwesten begrenzt. Es ist von großflächigen Baumbeständen – insbesondere einem rund 3 ha großen Wald westlich der Georg-Wilhelm-Straße und einem rund 5 ha großen Wald zwischen Ernst-August-Kanal und Schlenzigstraße geprägt. Östlich der Georg-Wilhelm-Straße befindet sich im Weiteren eine Sportanlage. Im Nordosten entlang der Schlenzigstraße und in Teilen an der Harburger Chaussee sind gewerbliche Nutzungen vorhanden, die an das angrenzende circa 24 ha große Industriegebiet Stenzelring östlich des Plangebiets anknüpfen.
Auf dem in städtischem Eigentum befindlichen Grundstück in der Schlenzigstraße mit der Flurstücknummer 12071 der Gemarkung Wilhelmsburg befindet sich eine öffentlich-rechtliche Folgeunterbringung für Flüchtlinge mit einer Laufzeit bis Ende 2022. Danach steht diese Fläche für die Projektentwicklung zur Verfügung.
Mit der städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets soll neuer attraktiver Wohnraum für etwa 1.000 Wohneinheiten in unterschiedlichen Gebäudetypologien für unterschiedliche Haushalte entstehen. Drei dezentrale neue Kindertagesstätten und die Verlegung der Sportanlage an den südöstlichen Rand des Plangebiets sorgen für die Versorgung mit moderner soziale Infrastruktur. Kleinteilige Einzelhandelsnutzungen sowie die Neuausrichtung des Gewerbes sollen die Entwicklung zu einem gemischt genutzten Quartier mit einem verträglichen Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten unterstützen.
Die städtebauliche Struktur lehnt sich an die Bebauung des gründerzeitlichen Reiherstiegviertels an, die in ihrer Ausprägung Blockrandstrukturen mit vereinzelten Hinterhofbebauungen und zum Teil großzügigen Innenhöfen aufweist. Neben öffentlich geförderten und freifinanzierten Mietwohnungen sind auch Eigentumswohnungen sowie Baufelder für Baugemeinschaften disponiert. In Maßstab und Höhe ist eine abgestufte Höhenentwicklung der Bebauung von Norden nach Süden geplant. Zum nördlichen Spreehafen hin soll eine siebengeschossige Bebauungskante entstehen, die Bezüge zu der im Maßstab ähnlichen Bebauungsstruktur der östlichen Harburger Chaussee herstellt. Nach Süden stuft sich die Bebauung mit fünf Geschossen auf die Höhen des Reiherstiegviertels ab.
Den Übergang der Wohnbebauung zum Gewerbegebiet an der Schlenzigstraße bildet ein hybrides Gebäude aus Wohnen und Gewerbe. Im zweigeschossigen Sockel des Gebäudes ist wohnverträgliches Gewerbe geplant, in den oberen Geschossen eine kleinteilige, einseitig ausgerichtete Wohnnutzung mit Laubengangerschließung.
Im Osten des Plangebiets ist eine Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets an der Schlenzigstraße geplant. Der nördliche Riegel schließt siebengeschossig an das hybride Gebäude an und wird in Richtung Osten entlang der Harburger Chaussee auf vier Geschosse abgestuft. Damit wird entgegen der bisherigen Planfassung, die zweigeschossig an das hybride Gebäude angeschlossen hat und nach Osten hin viergeschossig wurde, eine stärkere Abschirmung vor dem Verkehrslärm der Harburger-Chaussee vorgesehen.
Mit dem Grünzug entlang des Ernst-August-Kanals wird die Wilhelmsburger Dove-Elbe-Landschaftsachse fortgeführt und als zusammenhängender erlebbarer Grünzug gesichert.
Östlich der Georg-Wilhelm-Straße soll mit Ausrichtung zum Ernst-August-Kanal ein neuer Quartiersplatz entstehen. Östlich des Platzes ist ein Solitärgebäude geplant, das im Sockel einen zweigeschossigen Kindergarten und darüber Wohnnutzungen beherbergen soll. Zum Quartiersplatz und Teilen der Georg-Wilhelm-Straße hin sollen kleinteilig erdgeschossige Laden- und Gastronomieflächen entwickelt werden.
Neben den bestehenden Brückenverbindungen über den Ernst-August-Kanal ist im westlichen Plangebiet eine neue Brückenverbindung am Schipperort für Fußgänger mit Anbindung an das Reiherstiegviertel vorgesehen. Zusätzlich wird zur Anbindung an das im Süden entstehende neue Elbinselquartier in Verlängerung des Aßmannkanals eine weitere Brückenverbindung für Fußgänger geschaffen.
Die Stellplätze sollen überwiegend in Tiefgaragen untergebracht werden, die über die angrenzenden Planstraßen und die Georg-Wilhelm-Straße erschlossen werden. Innerhalb des Gewerbegebiets ist zudem ein Mobility-Hub vorgesehen, der die Stellplatzbedarfe des Gewerbegebiets und anteilig der benachbarten Wohnnutzungen dienen soll.
Mit dem Bebauungsplan-Entwurf Wilhelmsburg 102 des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die genannten Maßnahmen geschaffen werden. Die Baugebietsfestsetzungen sollen eine Mischung verschiedener Nutzungen ermöglichen und gleichzeitig auf die Ergebnisse der schalltechnischen Untersuchung reagieren. Daraus resultiert ein Übergang vom Gewerbegebiet (GE) westlich der Schlenzigstraße zu einem Urbanen Gebiet (MU) und anschließend zum Allgemeinen Wohngebiet (WA).
Zwischen dem Ernst-August-Kanal und dem Gewerbegebiet entsteht eine Fläche für Sportanlagen. Unmittelbar südlich der Sportanlage wir eine Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft festgesetzt und zum Schutz der betroffenen Arten umzäunt.
Entlang des Ernst-August-Kanals soll zur Sicherung der Grünflächen Parkanlage, Freie und Hansestadt Hamburg (FHH), festgesetzt werden. Nördlich und östlich des Quartiersplatzes, der als Fußgängerbereich (FHH) festgesetzt wird, ist Urbanes Gebiet als Baugebiet im Bebauungsplan-Entwurf festgesetzt.
Die Gebäudekubaturen werden durch baukörperbezogene Baugrenzen definiert. Im östlichen Teil des Gewerbegebiets wird zur Gewährleistung der Flexibilität eine flächenhafte Baugrenze festgesetzt. Zur Sicherstellung der geplanten hochbaulichen Entwicklung werden zudem Mindest- und Maximalzahlen der Vollgeschosse, Gebäudehöhen (GH) und Grundflächenzahlen (GRZ) als Obergrenzen festgesetzt (siehe Bebauungsplan-Entwurf).
Der Bebauungsplan wird im Regelverfahren nach § 2 BauGB inklusive Umweltbericht aufgestellt.
Die städtebauliche Neuordnung des Plangebietes stellt angesichts der komplexen Rahmenbedingungen und erheblichen Restriktionen - insbesondere der heute durch Gewerbe, Industrie und Verkehrsflächen und deren Emissionen dominierten Prägung - eine besondere Herausforderung dar. Vor diesem Hintergrund werden im Verlauf des Bebauungsplanverfahrens die weiteren erforderlichen Fachgutachten erstellt. Aktuell liegen bereits folgende Fachgutachten vor:
- Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag, EGL, Dezember 2020
- Baumgutachten, baum management, September 2018
- Lufthygienische Untersuchung, Müller-BBM, Februar 2019
- Erschütterungstechnische Untersuchung der Verkehrserschütterungen, baudyn April 2019
- Potenzial- und Verträglichkeitsstudien (Einzelhandel) für die drei Projektgebiete „Wilhelmsburger Rathausviertel“, „Elbinselquartier“ und „Spreehafenviertel“ in Hamburg-Wilhelmsburg, GMA, Oktober 2018
- Verschattungsgutachten, Evers & Küssner, März 2019
- Schalltechnische Untersuchung, Müller-BBM, Juni 2019
- Vorab-Eingriffsbilanzierung für Projektgebiete auf den Elbinseln, MSB und schaper steffen runtsch (ssr), Juli 2016
- Erläuterungsbericht Verkehrsplanung, SBI, Februar 2019
- Erläuterungsbericht Entwässerung, BWS, Februar 2019
- Rechtsgutachten zur Zulässigkeit des länderübergreifenden Waldausgleichs nach hamburgischem Landesrecht, Weissleder-Ewer, Januar 2021
Der Umgang mit den im Plangebiet vorhandenen und gutachterlich ermittelten Geruchsimmissionen wird aktuell prioritär behandelt. Dazu hat die Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau am 31.05.2018 den Beschluss gefasst, in Beauftragung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW), der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) und dem Bezirksamt Hamburg-Mitte, behördenübergreifend belastbare Maßnahmen und Zeithorizonte zur Minderung der Geruchsbelastung im Stadtteil Wilhelmsburg in enger Abstimmung mit den Betrieben, den relevanten Unternehmensverbänden und der Handelskammer zu konzipieren sowie die IBA Hamburg GmbH (IBA) dabei zu beteiligen.
Mit der Planung sind Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erwarten, wodurch ein Ausgleich erforderlich wird. Entsprechend der Vorgaben der Forstbehörde (seinerzeit BWVI, heute BUKEA) aus dem Jahr 2016 ist für die Waldflächen im Plangebiet ein Ausgleich im Verhältnis 1:2 herzustellen. Entsprechende Ausgleichsflächen innerhalb des Stadtgebiets der FHH können nach aktuellem Stand nicht in Aussicht gestellt werden. Der Waldausgleich im Sinne einer Erstaufforstung soll ca. 20 km südlich der Hamburger Landesgrenze in Hoinkenbostel (Niedersachsen) erfolgen. Die Zulässigkeit des Waldausgleichs außerhalb der Landesgrenze der FHH wurde rechtlich eingehend geprüft und gutachterlich verifiziert. Der Ausgleichsbedarf nach Landeswaldgesetz (LWaldG) bezieht sich nach aktuellem Stand nur auf den 3,24 ha großen Waldabschnitt westlich der Georg-Wilhelm-Straße, für den planungsrechtlich keine andere Nutzungsart festgesetzt ist. Der Baustufenplan aus dem Jahr 1956 mit der Ausweisung „Hafen“ ist unwirksam. Die Nutzungsart an diesem Standort ist nicht mehr umsetzbar. Damit ist für den westlichen Waldabschnitt der Realbestand „Wald“ anzusetzen. Der Waldabschnitt östlich der Georg-Wilhelm-Straße wird planungsrechtlich mit der Festsetzung des Bebauungsplans Wilhelmsburg 28 - Kleiner Grasbrook 1 aus dem Jahr 1968, als „Industriegebiet“ eingestuft. Damit wäre auf Basis des geltenden Planungsrechts eine Überbauung des östlichen Waldabschnitts möglich, ohne einen Ausgleich nach LWaldG auszulösen.
Der naturschutzrechtliche Ausgleich wird nach dem Hamburger Staatsrätemodell ermittelt. Die Grundlage der Bestandsbewertung bildet der Ist-Zustand und nicht das alte Planrecht, denn der Ist-Zustand entspricht schon seit Jahrzehnten nicht mehr dem geltenden Planrecht. Der naturschutzrechtliche Ausgleich soll innerhalb des von der BUKEA vorgegebenen Suchraums für Kompensationsmaßnahmen erfolgen. Nach aktuellem Stand sind dafür Flächen in Wilhelmsburg Ost, in der Fischbeker Heide und in Hoinkenbostel vorgesehen.
Der Artenschutz wird als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme auf außerhalb des Plangebiets liegende Flächen in Wilhelmsburg und in der Fischbeker Heide zugeordnet. Um artenschutzrechtliche Betroffenheiten bei Sperber, Fitis und Sumpfmeise zu vermeiden, wird eine Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft im Plangebiet festgesetzt und umzäunt.
Die Qualität und Quantität der jeweiligen Ausgleichsmaßnahmen wird im weiteren Bebauungsplanverfahren konkretisiert. Der Nachweis der Ausgleichsflächen ist frühzeitig im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens und im Vorfeld der Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange zu führen.
Der Stadtplanungsausschuss hat in seiner Sitzung am 06.11.2019 der Einleitung des Bebauungsplanverfahrens auf Basis der Vorlage des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung zugestimmt. Der Bebauungsplan-Entwurf wurde am 13.01.2020 behördenintern grobabgestimmt.
Nach endgültiger Beendigung des Bürgerbegehrens „Der Wilde Wald bleibt!“ wurden mit Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger am 05.03.2021 und im Gesetzes- und Verordnungsblatt am 09.03.2021 der Aufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre des Bebauungsplan-Entwurfs Wilhelmsburg 102 rechtskräftig. Der Stadtplanungsausschuss und die Bezirksversammlung hatten in den Sitzungen am 14.09.2020 bzw. 17.09.2020 auf Grundlage der Vorlagen des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung die Zustimmungen erteilt. Aufgrund der zwischenzeitlichen eingegangenen Beschwerde der Bürgerinitiative zum Bescheid des Bezirksamtes Hamburg-Mitte über das Nichtzustandekommen des Bürgerbegehrens wurden die Veröffentlichung des Aufstellungsbeschlusses und der Veränderungssperre seinerzeit zunächst ausgesetzt. Nach der Zurückweisung des Widerspruchs der Bürgerinitiative durch die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFGB – Bezirksaufsichtsbehörde) am 15.12.2020 hat die Bürgerinitiative mit Schreiben vom 26.01.2021 dem zuständigen Fachamt Interner Service mitgeteilt, dass sie keine weiteren Rechtsmitteln gegen den negativen Widerspruchsbescheid einlegen werde. Im Ergebnis endeten damit das Rechtsmittelverfahren und das Bürgerbegehren endgültig.
Die Durchführung der ÖPD soll voraussichtlich im Frühjahr 2021 erfolgen. Einen geeigneten Termin und das konkrete Beteiligungsformat (Livestream oder Hybridveranstaltung) wird das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung in Abhängigkeit zu den Regularien der Corona-Pandemie-Bestimmungen zeitnah definieren und im Vorfeld mit dem Stadtplanungsausschuss abstimmen.
Auf Basis des aktuellen Bebauungsplan-Entwurfs des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung und dieser Vorlage wird der Stadtplanungsausschuss um Zustimmung zur Durchführung der öffentlichen Plandiskussion (ÖPD) gebeten.
gez. Michael Mathe
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