Bebauungsplan-Entwurf Wilhelmsburg 102 "Spreehafenviertel", Zustimmung zur Aufstellung
Letzte Beratung: 17.09.2020 Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Ö 7.3
Der Stadtplanungsausschuss hat in seiner Sitzung am 14.09.2020 die nachfolgend aufgeführte Vorlage mehrheitlich - gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE und bei Enthaltung der GRÜNE-Fraktion - beschlossen und empfiehlt damit der Bezirksversammlung, der Aufstellung des Bebauungsplan-Entwurfs Wilhelmsburg 102 zuzustimmen.
1. Zweck und Bedeutung der Planaufstellung sowie Planinhalte
Das Bezirksamt Hamburg-Mitte/ Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung verfolgt die Aufstellung des Bebauungsplan-Entwurfs Wilhelmsburg 102 (siehe dazu auch die Drucksache 22-0252, Stadtplanungsausschuss – Sitzung 06.11.2019 – Einleitung des Bebauungsplans). Das Plangebiet Spreehafenviertel ist Teil der im Rahmenkonzept „Hamburgs Sprung über die Elbe – Zukunftsbild 2013+“ enthaltenen sog. Nord-Süd Achse, welche vom Wilhelmsburger Inselpark im Süden bis zum Spreehafen im Norden, vom Veringkanal im Westen bis zur verlegten, neuen Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße im Osten reicht. Damit stellt sie räumlich wie inhaltlich einen wichtigen Entwicklungsbereich auf der Elbinsel dar, mit dem die städtebauliche Entwicklung Wilhelmsburgs maßgeblich gestaltet werden soll.
Von Mitte Juni bis Mitte Dezember 2017 führte die IBA Hamburg GmbH im Einvernehmen und in enger Kooperation mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und dem Bezirksamt Hamburg-Mitte / Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung, das Workshopverfahren „Spreehafenviertel – Neue urbane Nachbarschaften“ durch. Das kooperative Verfahren mit zwei öffentlichen Workshopterminen und einer öffentlichen Abschlusspräsentation bildet die Grundlage des Funktionsplanentwurfs, der intensiv mit den zuständigen Fachämtern des Bezirksamtes, der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW), der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) und Hamburg Port Authority (HPA) abgestimmt wurde.
Das geplante Quartier Spreehafenviertel soll den nördlichen Abschluss im Rahmen der Entwicklung der sogenannten Nord-Südachse Wilhelmsburgs nach Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße bilden. Es knüpft nördlich an das Reiherstiegviertel und das geplante Elbinselquartier an. Mit dem Grünzug entlang des Ernst-August-Kanals wird die Wilhelmsburger Dove-Elbe-Landschaftsachse fortgeführt und als zusammenhängender erlebbarer Grünzug gesichert.
Neben den bestehenden Brückenverbindungen über den Ernst-August-Kanal ist im westlichen Plangebiet eine neue Brückenverbindung am Schipperort für Fußgänger mit Anbindung an das Reiherstiegviertel vorgesehen. Diese mündet im neuen Quartier an zentraler Stelle, von der aus ein Wegenetz durch die Innenhöfe der geplanten Baublöcke führt. Zusätzlich wird zur Anbindung an das im Süden entstehende neue Elbinselquartier in Verlängerung des Aßmannkanals eine weitere Brückenverbindung für Fußgänger geschaffen. Zur verbesserten Anbindung an das Radwegnetz ist im Bereich der Brücke Hafenrandstraße außerdem eine Unterquerung der Hafenrandstraße vorgesehen.
Die städtebauliche Struktur lehnt sich an die Bebauung des gründerzeitlichen Reiherstiegviertels an, die in ihrer Ausprägung Blockrandstrukturen mit vereinzelten Hinterhofbebauungen und zum Teil großzügigen Innenhöfen aufweist. Diese ortstypische Bebauungsstruktur bietet einen klaren, gut erschlossenen Rahmen für eine Vielzahl von Gebäudetypologien und trägt zur Minderung der Lärmeinwirkung auf die Aufenthalts- und Schlafräume bei. Innerhalb der drei unterschiedlich großen Baublöcke sind neben Miet- und Eigentumswohnungen auch Gebäude für Baugemeinschaften vorgesehen. Die typologische Vielfalt des Quartiers soll u.a. durch gereihte Stadthäuser im Blockinneren, hybride Gebäude mit kombinierten Wohn- und Gewerbenutzungen und ein Solitärgebäude am Quartiersplatz ergänzt werden. In Maßstab und Höhe ist eine graduell abgestufte Höhenentwicklung der Bebauung von Norden nach Süden geplant. Zum nördlichen Spreehafen hin soll eine siebengeschossige Bebauungskante entstehen, die Bezüge zu der im Maßstab ähnlichen Bebauungsstruktur der östlichen Harburger Chaussee herstellt. Nach Süden stuft sich die Bebauung mit fünf Geschossen auf die Höhen des Reiherstiegviertels ab.
Die Stellplätze sollen überwiegend in Tiefgaragen untergebracht werden, die durch Ausbildung eines Hochparterre nur gering in das Erdreich einbinden und über die angrenzenden Planstraßen und die Georg-Wilhelm-Straße erschlossen werden. Drei Kitas im Plangebiet arrondieren das Angebot an wohnungsnahen Kindertagesstätten und Spielflächen.
Östlich der Georg-Wilhelm-Straße soll mit Ausrichtung zum Ernst-August-Kanal ein neuer Quartiersplatz entstehen. Zum Quartiersplatz und Teilen der Georg-Wilhelm-Straße hin sollen erdgeschossige Laden- und Gastronomieflächen in kleinteiligem Zuschnitt entwickelt werden. Darüber hinaus sind an der Ecke zum Quartiersplatz weitere Einzelhandelsflächen mit einer Verkaufsfläche von bis zu 799 m2 (z.B. Bioläden u.a.) vorgesehen.
Der Quartiersplatz wird von der südlichen Bebauung des großen Baublocks östlich der Georg-Wilhelm-Straße und einem siebengeschossigen Solitärgebäude im Osten baulich gefasst und öffnet sich zum Ernst-August-Kanal. Das siebengeschossige Solitärgebäude beherbergt im Sockel einen zweigeschossigen Kindergarten mit Atrium und darüber Wohnnutzungen. Die Kindertagesstätte verfügt im unmittelbaren Umfeld über zugeordnete Außenspielflächen.
Den Übergang der Wohnbebauung zum Gewerbegebiet an der Schlenzigstraße bildet ein hybrides Gebäude aus Wohnen und Gewerbe. Der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Gebäuderiegel mit gestaffeltem Höhenverlauf von sieben bis fünf Geschossen wird über die Planstraße D erschlossen. Im zweigeschossigen Sockel des Gebäudes ist wohnverträgliches Gewerbe geplant und darüber liegend eine kleinteilige, einseitig ausgerichtete Wohnnutzung mit Laubengangerschließung und einer gestalteten Dachlandschaft aus Spielflächen und Dachgärten. Im Osten ist eine Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets an der Schlenzigstraße und dem Stenzelring geplant. Die Struktur aus zwei- und dreigeschossigen Gebäuderiegeln mit dazwischengeschalteten Hallen- und Hofflächen orientiert sich an der Typologie von Handwerkerhöfen.
Für die zukünftige Entwicklung der Sportflächen in Wilhelmsburg und auf der Veddel liegt ein Sportflächenkonzept aus dem Jahr 2014 vor. Dieses wurde durch das Fachamt Sozialraummanagement und das Fachamt Bezirklicher Sportstättenbau des Bezirksamtes Hamburg-Mitte erstellt. Die Maßnahmen an der Sportanlage „Landesgrenze“ im Spreehafenviertel umfassen eine Verlegung und einen Ausbau der derzeitigen Anlage.
Mit dem Bebauungsplan Wilhelmsburg 102 des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die genannten Maßnahmen geschaffen werden. Die vorgesehenen Baugebietsfestsetzungen sollen eine Mischung verschiedener Nutzungen ermöglichen und gleichzeitig auf die Ergebnisse der schalltechnischen Untersuchung reagieren. Daraus resultiert ein Übergang vom Gewerbegebiet (GE) westlich der Schlenzigstraße zu einem Urbanen Gebiet (MU) und anschließend zum Allgemeinen Wohngebiet (WA). Zwischen dem Ernst-August-Kanal und dem Gewerbegebiet entsteht eine Fläche für Sportanlagen. Entlang des Ernst-August-Kanals befinden sich die als Parkanlagen festgesetzten Flächen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH). Nördlich und östlich des Quartiersplatzes, der als Fußgängerbereich festgesetzt wird, soll ein Urbanes Gebiet mit gemischten Nutzungen entstehen.
2. Gegenwärtige Nutzungen
Das Plangebiet umfasst insgesamt circa 20 ha und wird durch die Harburger Chaussee / Hafenrandstraße im Norden, die Schlenzigstraße im Osten und den Ernst-August-Kanal im Südwesten begrenzt. Es ist von großflächigen Baumbeständen – insbesondere einem rund 3 ha großen Wald westlich der Georg-Wilhelm-Straße und einem rund 5 ha großen Wald zwischen Ernst-August-Kanal und Schlenzigstraße geprägt. Östlich der Georg-Wilhelm-Straße befindet sich eine Sportanlage. Im Nordosten entlang der Schlenzigstraße und in Teilen an der Harburger Chaussee sind gewerbliche Nutzungen vorhanden, die an das angrenzende circa 24 ha große Industriegebiet Stenzelring östlich des Plangebiets anknüpfen. Im Süden des Ernst-August-Kanal grenzt das gründerzeitliche Reiherstiegsviertel an das Plangebiet an.
Entlang der Harburger Chaussee befindet sich im Plangebiet eine Sportanlage mit Tennis- und Fußballplätzen, die innerhalb des Plangebiets nach Südosten verlagert und vergrößert werden soll. Auf dem in städtischem Eigentum befindlichen Grundstück in der Schlenzigstraße mit der Flurstücknummer 12071 der Gemarkung Wilhelmsburg wurde im November 2015 eine öffentlich-rechtliche Folgeunterbringung für Flüchtlinge mit bis zu 380 Plätzen eingerichtet. Es handelt sich dabei um sechs dreigeschossige Modulhäuser mit wohnungsähnlichen Grundrissen. Die geplante Laufzeit für die Unterbringung erfolgt nach derzeitigem Planungsstand bis Ende 2022. Danach steht diese Fläche für die Projektentwicklung zur Verfügung.
3. Bisher rechtsverbindliche Pläne innerhalb des Plangebiets
Westlich Georg-Wilhelm-Straße gilt der Baustufenplan Wilhelmsburg vom 06.01.1956 mit der Darstellung Fläche für besondere Nutzung „Hafen“, die keine rechtsverbindliche Festsetzung ist. Nördlich angrenzend an die Hafenrandstraße gilt der Bebauungsplan Wilhelmsburg 25 vom 10.08.1976. Der Plan setzt Verkehrsflächen als Grundlage für den Bau der Hafenrandstraße fest. Östlich der Georg-Wilhelm-Straße gilt der Bebauungsplan Wilhelmsburg 28 - Kleiner Grasbrook 1 vom 11.12.1968 mit der Festsetzung Grünflächen „Sportanlage“ im nördlichen Teil und einer Industriegebietsausweisung „GI“ für den südlichen Teil. Nördlich angrenzend an der Harburger Chaussee gilt der Bebauungsplan Wilhelmsburg 67 vom 24.02.1984. Er weist ebenfalls eine kleine Grünfläche „Sportanlage“ an der Harburger Chaussee aus und ansonsten Gewerbegebiet „GE“.
Zur Umsetzung der Gesamtplanung ist neues Planungsrecht erforderlich. Hierfür wird seitens des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung gemäß § 2 Absatz 1 des Baugesetzbuchs in der Fassung vom 03. November 2017 (BGBI. I S. 3635), geändert am 27. März 2020 (BGBI. I S. 587, 591), die Aufstellung eines Bebauungsplans mit der Bezeichnung Wilhelmsburg 102 „Spreehafenviertel“ mit integriertem Umweltbericht verfolgt.
4. Bisheriger Verlauf des Planverfahrens
Stadtplanungsausschuss, Zustimmung zur Einleitung 06.11.2019
Grobabstimmung 13.01.2020
5. Etwaige planstörende Bau- oder Teilungsabsichten
Die Bürgerinitiative „Der Wilde Wald bleibt!“ hat zum Schutz der Waldflächen im Plangebiet ein Bürgerbegehren eingeleitet.
Die Initiative hatte zwischenzeitlich das Drittelquorum erreicht und konnte somit die für den Eintritt der Sperrwirkung notwendigen Unterstützungsunterschriften nachweisen. Während der Sperrwirkung kann eine dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung durch die Bezirksorgane nicht getroffen und mit dem Vollzug einer solchen Entscheidung nicht begonnen werden.
Nach aktueller Auskunft des Fachamtes Interner Service des Bezirksamtes Hamburg-Mitte wurden mit Ablauf der Nachweisfrist am 01.08.2020 zu den bereits zuvor als gültig geprüften 2.133 Unterschriften weitere 1.720 Unterschriften eingereicht. Insgesamt sind nach Ablauf der Nachweisfrist 3.853 Unterstützungsunterschriften eingegangen. Inwieweit und ob die zuletzt übergebenen 1.720 Unterschriften tatsächlich gültig sind, wurde nach Auskunft des zuständigen Fachamtes Interner Service aus verfahrensökonomischen Gründen nicht mehr im Einzelnen überprüft. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass alle zuletzt eingereichten 1.720 Unterstützungsunterschriften anrechenbar wären, kann demnach das für ein erfolgreiches Zustandekommen des Bürgerbegehrens erforderliche Quorum von 6.237 gültige Unterstützungsunterschriften nicht nachgewiesen werden.
Vor diesem Hintergrund hat das Fachamt Interner Service festgestellt, dass das Bürgerbegehren mangels ausreichend nachgewiesener Unterstützungsunterschriften nicht zustande gekommen und das Bürgerbegehren durch diese Feststellung beendet ist. Ebenfalls endete mit Bekanntmachung dieser Entscheidung die mit Wirkung vom 04.06.2020 eingetretene Sperrwirkung.
6. Änderung Flächennutzungsplan, Landschaftsprogramm
Im Flächennutzungsplan sind überwiegend „Gewerbliche Bauflächen“ sowie eine „Grünfläche“ für den vorhandenen Sportplatz dargestellt. Im Landschaftsprogramm sind die Darstellungen „Gewerbe/Industrie und Hafen“, „Grünfläche eingeschränkt nutzbar“, „Parkanlage“ und eine „Landschaftsachse“ südlich und nördlich des Ernst-August-Kanals dargestellt. Das gesamte Plangebiet gehört zur milieuübergreifenden Funktion „Entwicklungsbereich Naturhaushalt“. Sowohl der Flächennutzungsplan wie auch das Landschaftsprogramm müssen parallel geändert werden.
Die Bezirksversammlung wird gebeten, den Beschluss des Stadtplanungsausschusses zu bestätigen und der Aufstellung des Bebauungsplan-Entwurfs Wilhelmsburg 102 zuzustimmen.
Anlagen:
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