Außengastronomie mit Augenmaß
Die Bezirksversammlung hat in ihrer Sitzung am 24.03.2022 dem nachfolgend aufgeführten Antrag der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion Drs. Nr. 22-2819 mehrheitlich - gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und einer Stimme der Fraktion DIE LINKE und bei Enthaltung der GRÜNE- und sieben Mitgliedern der Fraktion DIE LINKE - zugestimmt.
Die Pandemie hat nicht nur Gastronom:innen, sondern uns alle zwei Jahre lang in vielen Bereichen beeinträchtigt. So konnten die Gastronomiebetriebe nicht in vollem Umfang besetzt werden, Bürgerinnen und Bürger hatten auch nach den Lockdowns und Vollschließung von Betrieben Bedenken, Innenräume aufzusuchen; war eine Ansteckung in diesen doch wahrscheinlicher.
Inzwischen sind zwei Jahre vergangen, wir haben Impfstoffe, das Virus nimmt bei den meisten Menschen einen milden Verlauf, ein Ansteckungsrisiko wird mit Blick auf den Frühsommer deutlich geringer werden. So können Gastronomien wieder voll ausgelastet werden.
Um sich solidarisch zu zeigen, haben es Anwohner:innen auch in dicht besiedelten Gebieten in Kauf genommen, dass Parkstände und Lieferzonen als Sonderflächen ausgewiesen wurden und als Außengastronomie nutzbar waren. Die dadurch wegfallenden Parkplätze, jedoch in erster Linie die Lärmbelästigungen, wurden dabei hingenommen, ging man doch von einer Übergangslösung aus.
Genau dies versprach die Politik beiden Seiten. Dass man kurzfristig helfen würde, dies jedoch nicht zu einem Dauerzustand werden kann und wird. So sind Anwohner:innen bereits früh vor Beginn der Außensaison 2022 auf die Politik zugekommen und haben ihre Bedenken und Sorgen geäußert, dass eine 24/7 Dauerbeschallung nicht mehr hinnehmbar und auch gesundheitsgefährdend wahrgenommen wurde. In Bereichen, in denen es bisher keinerlei Außengastroflächen gab, sind plötzlich ganze Straßenzüge zu solchen geworden. Neben dem weiterhin anhaltenden Verständnis für die Situation der Gastronomiebetreibenden, bittet man nun von Anwohnendenseite um eine ebensolche Rücksichtnahme, wie man sie in den letzten zwei Jahren zeigte.
Um sowohl die Gastronomie bei der Bewältigung der Pandemiefolgen weiterhin zu unterstützen, aber auch den dort lebenden Menschen gerecht zu werden, wollen wir ein Maß finden, mit dem beide Seiten leben können. Über Viertel wie St. Pauli und St. Georg kann gesagt werden, dass sie am Wochenende belebter sind als unter der Woche. So ist vorstellbar, dass in der Sommersaison 2022 als Ausnahme von den bisherigen Regeln an den Tagen Freitag bis Sonntag Parkstände und Lieferflächen als zusätzliche Außengastronomie genutzt werden können, jedoch nur an diesen Tagen, zeitlich begrenzt. Um zu verhindern, dass vorüberflanierende Menschen das Mobiliar mit mitgebrachten Getränken auch nach Ladenschluss nutzen, muss sichergestellt sein, dass dieses am Ende des Tages eingeholt wird.
Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung beschließen:
1. Parkflächen und Lieferzonen können als Sondernutzungsflächen zur Nutzung für Außengastronomie von Freitagnachmittag (17.00 Uhr) bis Sonntagabend beantragt werden. Als Öffnungs- bzw. Schließzeiten dieser zusätzlichen Flächen gelten die Zeiten der allgemeinen Sommerterrassen. Diese Sondernutzung wird auf den 31.10.2022 begrenzt.
2. Das Mobiliar auf Ladezonen muss abends stets aus dem öffentlichen Raum entfernt werden. Auf Parkständen muss es eingeräumt bzw. so zusammengestellt werden, dass es nicht nutzbar und eine Gefahr für den Verkehr ausgeschlossen ist. Außerhalb des Wochenendes muss es aus dem öffentlichen Raum entfernt werden.
3. Die Gastromiebetriebe stellen Schilder nach Maßgabe der StVO auf, um anzuzeigen, in welchem Zeitraum auf den betreffenden Flächen nicht geparkt werden darf. Die Sicherheit der Nutzer:innen auf Parkständen und Ladezonen stellen die Betriebe nach Abstimmung mit der Polizei mit geeigneten Absperrungen zu den Verkehrsflächen her. Feste Installationen wie Aufbauten, Zäune etc. dürfen nicht aufgestellt werden.
4. Sollten es zu einer Beschwerdelage kommen, die Auflagen nicht eingehalten werden, insbesondere die Nachtruhe und auch der Lärmschutz missachtet werden, spricht sich die Politik dafür aus, die Genehmigung umgehend zu widerrufen.
Das Bezirksamt nimmt zu dem Beschluss mit Schreiben vom 19.05.2022 wie folgt Stellung:
Mit Stand 13.05.2022 liegen dem Bezirksamt Hamburg-Mitte 96 Anträge zum o. g. Beschluss vor. Unmittelbar nach Beschlussfassung hat das Bezirksamt
Zu 1.:
Die Öffnungs- bzw. Schließzeiten für die einzelnen Gastronomiebetriebe bestimmen sich nach deren individueller gaststättenrechtlichen Erlaubnis und der darin enthaltenen Öffnungszeiten-Regelung. Um den Beschluss der Bezirksversammlung zügig umsetzen und die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner angemessen berücksichtigen zu können, wurde in einem ersten Schritt vom Bezirksamt eine Nutzungszeit für die Parkflächen und Ladenzonen von 17 bis 23 Uhr am Freitag, Samstag und Sonntag festgelegt.
Nach Klarstellung durch die Bezirksversammlung wurde diese Festlegung zwischenzeitlich dahingehend konkretisiert, dass die Außengastronomie auf den Parkständen und Ladezonen samstags und sonntags jeweils ab 8 Uhr geöffnet werden kann.
Das zuständige Polizeikommissariat 14 hat als Voraussetzung für die Erteilung einer straßenverkehrsbehördlichen Anordnung gefordert, dass in der Erlaubnis Öffnungszeiten festgelegt werden, um bei Verstößen falsch parkende Fahrzeuge abschleppen zu können.
Da in der gaststättenrechtlichen Erlaubnis Schließzeiten in der Regel zwischen 23 und 24 Uhr festgelegt sind, wurde auf der Grundlage die Entscheidung der Öffnungs- bzw. Schließzeit bis 23 Uhr für die Parkflächen und Ladezonen getroffen. Somit können sich die in der Sondernutzungserlaubnis festgelegten Öffnungszeiten zum Teil von den gaststättenrechtlichen Erlaubnissen zur Nutzung der Außengastronomie unterscheiden – unabhängig, ob auf Gehwegen oder Parkständen. Im Bereich St. Pauli gibt es teilweise keine Schließzeiten.
Aufgrund der beschriebenen Erlaubnislage, bei der zwei Rechtsbereiche betroffen sind (1. die „Konzession nach Gaststättengesetz“ und 2. das „Hamburgische Wegegesetz“) können offene Fragestellungen hinsichtlich der Kontrollen bzw. der Kommunikation gegenüber den Anwohnenden auftreten. Das Bezirksamt begleitet den Prozess und geht situativ auf erkennbare Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten ein.
Zu 2.:
Die im Beschluss vorgesehenen Auflagen wurden bei der Erlaubnis berücksichtigt.
Zu 3.:
Seit Beschlussfassung gingen rund 40 E-Mails und Anrufe von Sondernutzungsnehmerinnen und Sondernutzungsnehmern ein, die
Einige Gastronomen erbaten einen Ablehnungsbescheid für die beantragte, unbeschränkte Nutzung der Parkstände und/oder Lieferzonen, um dagegen Widerspruch einlegen und den weiteren Rechtsweg beschreiten zu können.
Zu 4.:
Gem. § 19 Abs.1 Satz 4 Hamburgisches Wegegesetz kann eine Erlaubnis erteilt werden, wenn u. a. die Rechte von Dritten nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.
Dem Bezirksamt liegen inzwischen Beschwerden von Anwohnerinnen und Anwohnern zur o.g. Erlaubnispraxis vor. Aus dem besonders betroffenen Wohlwillquartier wiesen bisher rund zehn Betroffene darauf hin, dass aufgrund musikalischer Beschallung und hohem Geräuschpegel der Gäste die Nachtruhe über das gewohnte Maß hinaus gestört sei. Tagsüber sei das Durchkommen auf den verbleibend verengten Gehwegen durch zum Teil ungenehmigte Aufbauten (Bänke, Hocker etc.), vollbesetzter Tischgruppen und wartende Gäste erschwert. Mit ungenehmigten Lichterketten und Spots – auch außerhalb der Öffnungszeiten – finde eine durchgehende Beleuchtung statt.
Beim Polizeikommissariat 14 gingen Beschwerden, vorrangig zu den folgenden Stadtteilen, ein:
Die Beschwerdelagen gleichen sich:
Das Polizeikommissariat 14 hat festgestellt, dass der Anzahl von Sondernutzungserlaubnissen vom Bezirksamt gegenüber die Anzahl der straßenverkehrsrechtlichen Anträge (Beschilderung) nicht entsprechen, sondern die Antragslage dort deutlich geringer sei.
Eine einheitliche Beschilderung auf den durch Außengastronomie genutzten Parkflächen ist somit z. B. im Portugiesenviertel nicht vorhanden. Auch werden unerlaubte Ausdehnungen aus den Parkstreifen auf die Gehwege durch Möblierung der Außengastronomie festgestellt, teilweise auch auf der Fahrbahn. U. a. im Portugiesenviertel wird die Gehwegfläche für Passanten durch die ursprüngliche Außengastronomie und nunmehr durch zusätzliche Gastronomiegäste auf den Parkflächen zunehmend eingeschränkt. Es komme besonders an Wochenenden zu Behinderungen auf den Gehwegen.
In St. Georg und in der Neustadt werde die provisorisch aufgestellte Halteverbotsbeschilderung verschoben, umgedreht und seien teilweise mit nicht richtigen Zeiten beschriftet. Dem Polizeikommissariat 14 sei eine regelmäßige Kontrolle dieser Beschilderung nicht möglich.
Einzelne Gastronomen halten sich nicht an die Aufbau- bzw. Öffnungszeiten, so dass es auch unter den Gastronomen zu Differenzen komme.
Das Polizeikommissariat 14 empfiehlt eine regelmäßige Kontrolle der Vorgaben durch das Bezirksamt Hamburg-Mitte sowie im kommenden Jahr – besonders im Interesse der Anwohnenden und anderer Verkehrsteilnehmenden – auf die Zulassung von „Corona-Sommerterrassen“ zu verzichten.
Im Fall eines aufgrund der Beschwerdelage sowie vorliegender Verstöße kann das Bezirksamt die Sondernutzungserlaubnis widerrufen. In solchen Fällen würde die Räumung der Flächen verlangt, gegebenenfalls auch unter Androhung von Zwangsmitteln. Dies bedeutet in der Regel ein längeres Verwaltungsverfahren, bei dem die Betroffenen auch Rechtsmittel einlegen können.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.