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Antwort auf Eingabe: Mitbenennung von Frauen bei bestehenden Straßennamen, hier: Mönckebergstraße

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13.09.2022
Sachverhalt

 

Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte bietet Bürgerinnen und Bürgern an, sich mit Eingaben an die Politik zu wenden. Nachfolgende Eingabe ist eingegangen:

 

Im Rahmen meiner Forschungen, die ich für eine Datenbank der FHH recherchiere, die alle nach Personen benannten Straßennamen (ebenso auch die Mitbenennungen) Hamburg mit entsprechenden Texten über diese Personen (und Stand des Mitbenennungsverfahrens) aufführt, und die im nächsten Jahr online gehen wird (die Startseite ist bereits online, siehe unter: https://www.hamburg.de/strassennamen/ ), bin ich auf zwei weitere Straßennamen im Bezirk Hamburg-Mitte gestoßen, die nach den Nachnamen bedeutender Männer heißen und die ebenso auch nach den bedeutenden weiblichen Angehörigen dieser Männer mitbenannt werden können.

Deshalb stelle ich hiermit  die Eingabe an die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte um Mitbenennung. Es handelt sich einmal um die ebenso bedeutende Ehefrau des Straßennamengebers. In diesem Fall um die Schurzalleebrücke. [Anmerkung Geschäftsstelle der Bezirksversammlung: Die Eingabe zur Schurzalleebrücke wird im Regionalausschuss Horn / Hamm / Borgfelde behandelt.]

Und zum Zweiten um die ebenso bedeutende Schwiegertochter des Straßennamengebers. Es handelt sich um die Mönckebergstraße.  Da die mitzubenennende Schwiegertochter einen Doppelnamen trägt, nämlich Mönckeberg-Kollmar, habe ich mich bereits im Staatsarchiv erkundigt, ob dies auch bei einer Mitbenennung möglich wäre, und bekam eine positive Antwort.

Und natürlich sollten , wenn eine Mitbenennung stattfindet, die Bevölkerung auch über ein Erläuterungsschild unter dem Straßenschild informiert werden.

 

nckebergstraße, Altstadt (1908), Dr. Johann Georg Mönckeberg (22.8.1839-27.3.1908), Senator, Bürgermeister von Hamburg.

Die Straße könnte auch nach der Schwiegertochter Vilma Mönckeberg-Kollmar, Gründerin der W.O.M.A.M, Schaupielerin, Märchenrzählerin, Rezitatorin mitbenannt werden.

 

nckebergs Schwiegertochter war Vilma Mönckeberg-Kollmar, geb. Pratl (1892-1985), Gründerin der W.O.M.A.N., Schauspielerin, Rezitatorin. Sie war die Tochter eines österreichischen Beamten. Ihre schulische Ausbildung erhielt sie in Deutschland, wo sie von 1909 bis 1910 in Berlin die Schauspielschule besuchte. Zwischen 1910 bis 1913 hatte sie Engagements in Lüneburg und am Hamburger Schauspielhaus. Doch ihr wurde kein Talent bescheinigt. So heiratete sie 1913 den Juristen Dr. Dr. Adolf Mönckeberg, den Sohn des Bürgermeisters Johann Georg Mönckeberg, und entdeckte das Märchenerzählen. Wie sie dazu kam, beschrieb sie im Schlusskapitel ihres Buches „Das Märchen und unsere Zeit“: „Auch ich hatte keine Beziehung zum Märchen Aber da erschien im Eugen-Diederichs-Verlag die große Märchensammlung ‚rchen der Weltliteratur, und mein Mann, der viel gebildeter als ich war, machte mir klar, daßrchen nicht Kindergeschichten sondern Menschheits-geschichte seien, wohl wert, sich dahinein zu vertiefen. Darum schenkte ich ihm zu unserem ersten Weihnachten die ersten beiden Bände der Diederichschen Sammlung. Es war unser erstes und auch letztes Weihnachtsfest, denn dann kam der Krieg, und die Männer fielen auch mein Mann fiel. Ihm zum Gedenken sammelte ich die Märchen weiter. Ihm zum Gedenken las ich sie immer wieder. Eines Tages bekam ich Lust, eines der Märchen es war die ‚Jungfrau Marleen laut zu lesen. Das klang wie Musik, und darum las ich es immer wieder laut bis ich das Buch nicht mehr brauchte. Da bekam ich Lust, das Märchen jemandem zu erzählen, aber da war niemand. Ich ging vor einen Spiegel und erzählte es mir selber. Dabei bemerkte ich, daß das Märchen nicht nur die Stimme, sondern auch die Gestik und Mimik des Erzählers brauchte also die ganze Person. Und noch mehr Personen: die Zuhörer.“ 1) Sieben Monate nach dem Tod ihres Ehemannes kam der Sohn Jasper Adolf auf die Welt. Von 1917 bis 1919 studierte Vilma Mönckeberg-Kollmar an den Universitäten Berlin und Hamburg Phonetik, Sprecherziehung und Literatur. 1918 heiratete sie den holsteinischen Kaufmann Kollmar. Ein Jahr später erhielt sie an der Universität Hamburg eine Anstellung als Lektorin für Sprecherziehung und Vortragskunst. Im selben Jahr begannen ihre Vortragsabende mit Volksmärchen der Weltliteratur, die sie in viele europäische Länder führten. Ab 1923 rezitierte sie auch Hölderlin und Rilke und war von 1921 bis 1934 in der Sprechchorarbeit und im Laienspiel tätig. Zwischen 1923 und 1924 arbeitete sie mit Rudolf von Laban in dessen Sprech- und Bewegungschören mit und von 1924 bis 1932 in der Jugendmusikbewegung, führte in dieser Zeit Lehrgänge am Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht in Berlin mit Junglehrerinnen und -lehrern und Erzieherinnen durch, war von 1925 bis 1933 für verschiedene Rundfunk-sender tätig, führte von 1925 bis 1927 die Meisterklasse für Sprechgestaltung an der Schule für Bewegung, Sprache und Musik in Münster, arbeitete von 1924 bis 1932 mit der freideutschen, sozialistischen, christlichen Jugendbewegung, führte von 1929 bis 1932 Lehrgänge am Hamburger Institut für Lehrerfortbildung und von 1930 bis 1933 an der pädagogischen Akademie in Altona durch und war von 1930 bis 1933 Dozentin an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin und Fachberaterin für Sprechbildungsfragen am Berliner Zentralinstitut für Erziehung. 1933 wurde ihr an der Hamburger Universität gekündigt. „Ich galt den neuen Herren als radikales Frauenzimmer. Radikal war ich, aber nur beruflich, das wußte die neue Obrigkeit nicht. Doch die Studenten wußten es, und sie setzten sich für mich ein, sowohl die Bürgerlichen wie die Roten (...) aber auch die Braunen. Die letzteren waren Liebkind bei den neuen Herren, sie setzten es durch, daß meine Kündigung wieder zurückgenommen wurde.“ Vilma Mönckeberg-Kollmar verlor auch ihre Ämter in Berlin. 1939 erfolgte die endgültige Kündigung. Im selben Jahr zog sie zu ihrem in der Niederlausitz tätigen Mann und widmete sich der Schriftstellerei Dank des Feuilletonchefs des „gleichgeschalteten“Hamburger Anzeigers“, Hugo Sieker, konnten Vilma Mönckeberg-Kollmar wie andere, die bereits auf der Goebbelschen Schwarzen Liste standen, auch während der NS-Zeit für die Zeitung veröffentlichen, denn Hugo Sieker ließ sie unter einem Pseudonym schreiben. Über das mutige Auftreten Vilma Mönckeberg-Kollmars in dieser Zeit äerte Hugo Sieker: „In dem Netz, das in den ‚zwölf Jahren immer feinmaschiger von eifrigen Mitläufern, Spitzeln und NS-Sektierern gesponnen wurde, erwies sich manchmal das offene Bekenntnis zu den gefährdeten alten Kulturgütern als sehr nützlich. Oftmals waren es Frauen, die den Mut zum freimütigen Bekenntnis aufbrachten zu ihnen gehörte besonders Vilma Mönckeberg. Von ihr erhielten gelegentlich auch wir Artikel oder Briefe von einer Unverblümtheit, dass dem Redakteur der Atem stocken konnte.“ 2) Vilma Mönckeberg-Kollmars Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg. 1945 flüchtete sie nach Hamburg. Ihren Besitz musste sie zucklassen. Sie erhielt 1946 einen Lehrauftrag für Sprecherziehung an der Universität Hamburg, jedoch ohne Vergütung. Zwei Jahre später widmete sie all ihre Kraft dem Aufbau der Deutschen Sektion der W.O.M.A.N. (Weltorganisation der Mütter aller Nationen, Landesverband Hamburg e.V.), deren Bundesvorsitzende sie von 1948 bis 1958 war. Die W.O.M.A.N. hatte ihren Sitz in der ABC-Straße 46/47. Ihr Ziel war, alle Frauen und Mütter für den Friedensgedanken zu motivieren, um einen Dritten Weltkrieg verhindern zu helfen. Auch wollte die W.O.M.A.N. Frauen zur größeren politischen und sozialen Mitverantwortung erziehen und die Begegnung mit Frauen und Müttern aller Länder unterstützen. Die W.O.M.A.N. initiierte den „Frauen-Dank“ (Dank der Mütter für die Hilfstätigkeit des Auslandes) und an der Universität Hamburg den „Appell der Mütter an das Weltgewissen“ mit vielen ausländischen Teilnehmerinnen zum Thema „Ehrfurcht vor dem Leben“. Unter dem Motto „Frauen helfen Frauen“ wurden amerikanische Patenschaften für Kinder deutscher Familien vermittelt, aus Schweden kamen in der unmittelbaren Nachkriegszeit die „begehrten“ Hilfspakete. Doch bereits einige Jahre nach ihrer Gründung war die W.O.M.A.N. starken Repressalien ausgesetzt. Im Zeichen des Kalten Krieges und des Antikommunismus der 1950er-Jahre wurde die W.O.M.A.N. als kommunistisch unterwandert diffamiert. Nach ihrem Rücktritt als Vorsitzende wurde Vilma Mönckeberg-Kollmar in den internationalen Mütterrat der W.O.M.A.N. gewählt und übernahm 1961 als Bundesvorsitzende erneut die Deutschlandzentrale der WO.M.A.N. „Dann resignierte ich, denn ich mußte einsehen, daß die Mütter in der Welt durchaus nicht bereit waren, ihre Kräfte für eine friedliche Zukunft voll einzusetzen. Sie überließen wieder alles den Männern, und so kehrte ich reumütig von den Müttern der Welt zu den Märchen der Welt zurück.“ Insgesamt dürfte sie in den folgenden Jahren in siebzehn Ländern Erwachsene und Kinder mit ihrer außergewöhnlichen Rezitationskunst für das Märchen fasziniert haben. Vilma Mönckeberg-Kollmar veröffentlichte mehrere Bücher, u. a. „Die Märchentruhe I und II“; „Der Klangleib der Dichtung“ und „Kunst und Technik: Sprache und Technik“. 1972 verlieh ihr der Hamburger Senat den Titel „Professor“.

 

Quellen:

1) Vilma Mönckeberg-Kollmar: Dasrchen und unsere Zeit (Manuskript).

2)      Hugo Sieker: Kulturarbeit im Widerstandsgeist, hrsg. von der Lichtwark-Stiftung zu Ehren des 70-jährigen Hugo Sieker, Hamburg 1973.“

 

 

 

Im Vorwege wurde durch die Vorsitzende der Bezirksversammlung der Cityausschuss festgelegt, um sich mit der Eingabe inhaltlich zu beschäftigen und einen Vorschlag zu erarbeiten, wie mit der Eingabe umgegangen wird. Für die Beratung gibt es folgende Wege:

 

Die Eingabe fällt in die Zuständigkeit des Bezirksamtes

 

1. Die Eingabe geht ein, nach Rücksprache mit der Vorsitzenden der Bezirksversammlung wird ein Ausschuss für die inhaltliche Beratung festgelegt.

 

2. Das zuständige Fachamt wird um Übermittlung einer Stellungnahme gebeten, die dann zusammen mit der Eingabe vorgelegt wird.

 

3. Der Ausschuss berät die Eingabe und die Bewertung des Fachamtes. Im Ergebnis muss sich der Ausschuss zur Eingabe positionieren:

 

a. Stimmt die Politik den Beschwerdepunkten bzw. Vorschlägen ganz oder teilweise zu? Dann fasst der Ausschuss den Beschluss, dass das Bezirksamt um Umsetzung der Beschwerdepunkte bzw. Vorschläge gebeten wird.

b. Möchte die Politik die Beschwerdepunkte bzw. Vorschläge (z.B. aufgrund der Stellungnahme des Fachamtes) nicht unterstützen? Dann fasst der Ausschuss einen entsprechenden Beschluss und begründet diese Entscheidung.

 

Die Eingabe fällt in die Zuständigkeit einer Fachbehörde

 

1. Die Eingabe geht ein, nach Rücksprache mit der Vorsitzenden der Bezirksversammlung wird ein Ausschuss für die inhaltliche Beratung festgelegt.

 

2. Da eine Vorab-Stellungnahme nicht eingeholt werden kann, hat der Ausschuss folgende Möglich-keiten:

 

a. Stimmt die Politik den Beschwerdepunkten bzw. Vorschlägen ganz und teilweise zu? Dann fasst der Ausschuss den Beschluss, dass die Fachbehörde gebeten wird, die Beschwerdepunkte bzw. Vorschläge umzusetzen.

b. Möchte die Politik die Beschwerdepunkte bzw. Vorschläge (z.B. aufgrund der Stellungnahme des Fachamtes) nicht unterstützen? Dann fasst der Ausschuss einen entsprechenden Beschluss und begründet diese Entscheidung.

 

Weitere Möglichkeiten gemäß der Geschäftsordnung

 

Selbstverständlich bietet die Geschäftsordnung weitere Möglichkeiten, wie mit der Eingabe umgegangen werden soll:

 

a. Der Petentin bzw. dem Petenten wird geraten, zunächst den Rechtsweg auszuschöpfen.

b. Die Eingabe oder Beschwerde wird für erledigt erklärt.

c. Die Eingabe oder Beschwerde wird, ohne auf die Sache einzugehen, zurückgewiesen.

d. Die Eingabe oder Beschwerde wird für ungeeignet zur weiteren Beratung erklärt.

e. Die Eingabe oder Beschwerde fällt nicht in die Kompetenz der Fach- oder Regional-Ausschüsse der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte und wird deswegen dem Eingabenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft oder dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zugeleitet.

 

 

Das Bezirksamt teilt zu dieser Eingabe folgendes mit:

Nach erster Einschätzung steht der Erweiterung der Benennung mit Hilfe eines Erläuterungsschildes nichts im Wege. Solche Erweiterungen laufen wie normale Benennungsanträge ab und benötigen zunächst einen entsprechenden Beschluss eines Gremiums.

Nach erster Prüfung scheint eine Mitbenennung der Mönckebergstraße nach Vilma Mönckeberg-Kollmar möglich. Frau Mönckeberg-Kollmar kann ein Wirkungskreis im Raum Hamburg nachgewiesen werden. Zudem sind ihr zahlreiche Veröffentlichungen von Märchenbüchern zuzuordnen.

 

 

Das Bezirksamt teilt mit Datum vom 30.06.2022 zu dem Beschluss Folgendes mit:

Der Bezirksamtsleiter hat dem Benennungsvorschlag zugestimmt. Der Benennungsantrag wird zum Stichtag 01.07.2022 an das Staatsarchiv übersendet. Der offizielle Beschluss durch die Senatskommission wird Ende des 3. oder Anfang des 4. Quartals 2022 erwartet.

 

 

 

Petitum/Beschluss

Um Kenntnisnahme wird gebeten.