21-1980

Mehr Tempo 30 ermöglichen

Beschlussempfehlung Ausschuss

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
27.05.2021
Sachverhalt

 

Beratungsfolge

am

TOP

Drs. Nr.

Ergebnis

AM

05.05.2021

12

21-1733

Mehrheitlich gegen die Stimme der AfD angenommen

 

 

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt in Deutschland innerorts regelhaft 50 km/h. Auf vielen Straßen in Hamburg ist tatsächlich auch nichts anderes angeordnet. Dieser Umstand wird von immer mehr Menschen kritisch gesehen. Tempo 30 statt Tempo 50 kann aus einer ganzen Reihe von Gründen Vorteile für viele Bürger*innen bedeuten:

  • Reduzierte Lärm-, Stickoxid- und Feinstaubemissionen vermindern Gesundheitsgefahren. Zu diesen Gefahren gehören auch physische und psychische Folgen von Lärm und wenig Nachtruhe. Überdurchschnittlich oft sind Menschen mit geringem Einkommen betroffen, da sie eher an besonders belasteten Straßenabschnitten wohnen.
  • Reduzierte CO2-Emissionen tragen zum Klimaschutz bei – gerade auch, weil bei Tempo 30 mehr Menschen den Umweltverbund nutzen.
  • Kürzere Bremswege verringern die Zahl der Unfälle und die Schwere der Unfallfolgen.
  • Tempo 30 reduziert die Zahl der Überholvorgänge des Kfz-Verkehrs gegenüber dem Radverkehr. Dies trägt merklich zum Sicherheitsgefühl der Radfahrerinnen und Radfahrer bei – und verringert so das regelwidrige Radfahren auf Gehwegen. Gerade auf schmalen Nebenflächen entlang von Tempo 50 Straßen werden die Nebenflächen vom Radverkehr entlastet zugunsten des Fußverkehrs.
  • Fußgängerinnen und Fußgänger können leichter die Fahrbahn überqueren.
  • Die wahrgenommene Aufenthaltsqualität steigt, dies kann ökonomische Vorteile für Anwohnerinnen und Anwohner, Einzelhandel und Gastronomie mit sich bringen.
  • Die Temporeduzierung verbessert den Verkehrsfluss. Ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss und eine übersichtlichere Gestaltung der Kreuzungen ermöglichen die Reduzierung der Standzeiten. Diese Chance ist bei geringeren Geschwindigkeiten exorbitant größer, da Bremsvorgänge und Standzeiten an Signalanlagen oder Kreuzungen verkürzt werden können.
  • Die Verbesserung des Verkehrsflusses ist ebenfalls essenziell für eine nachhaltige Reduktion des Lärms und der Schadstoffemissionen.
  • In vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern steht das Bedürfnis nach Sicherheit, Rücksichtnahme und Übersichtlichkeit im Straßenverkehr im Mittelpunkt. Die Ent- und nicht die Beschleunigung des Straßenverkehrs erleichtern es allen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern, sich ordnungsgemäß und rücksichtsvoll zu verhalten.

All diese Gründe gegen das Bedürfnis abzuwägen, etwas schneller von A nach B zu kommen, ist keine leichte Aufgabe. Bislang scheitert die Lösung aber daran, dass die Aufgabe gar nicht erst bearbeitet werden darf: Wenn keine konkrete Gefahrenstelle vorliegt und keine Kita, Schule etc. an der Straße liegt, so muss Tempo 50 angeordnet werden. Die zuvor genannten Gründe wiegen aber durchaus schwer.

Wir halten auch die Definition von Gefahrenstellen für mehr als überholt. Die Qualität des Verkehrsraums hauptsächlich über tatsächliche Unfälle zu definieren, ist antiquiert und auch rechtlich nicht mehr haltbar (siehe z.B. das Urteil des BVerwG 3 C 23.00 – Buchholz 442.151 §45 StVO Nr. 41). Wenn gefährliche Bereiche von Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern gemieden werden, weil diese sich dort unsicher fühlen, kann es keine verlässlichen Daten geben. Vielmehr sind Aspekte wie Schul-, Kita- und Freizeitverkehre, freie Sichtachsen und Gesundheitsgefahren stärker zu berücksichtigen – auch ohne die direkte Anliegerschaft von Altersheimen, Schulen, Kitas etc.

Ein großes Problem besteht ebenfalls darin, dass sich somit kaum verlässliche Daten zu den einzelnen Faktoren gewinnen lassen. Ohne Verkehrsversuche, die den normalen Alltag betreffen, bleibt eine zukunftsweisende Entwicklung nicht seriös planbar und es wird ein für fast alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer unbefriedigender Status Quo erhalten.

Die Beharrlichkeit der Behörden bei Straßen, in denen Linienbusverkehr stattfindet, auf die Einhaltung von Tempo 50 zu bestehen, lässt sich vor allem im Kerngebiet von Eimsbüttel nicht nachvollziehen. Die tatsächlichen Durchschnittsgeschwindigkeiten der Busse lassen nicht darauf schließen, dass sich die Fahrzeiten auf den Nebenstrecken signifikant erhöhen, wenn dort Tempo 30 gelten würde.

Für Hamburg sollten daher neue Möglichkeiten entwickelt werden, Entscheidungsspielräume für den Einzelfall zu schaffen.

 

 

Petitum/Beschluss

:

Der Vorsitzende der Bezirksversammlung möge sich bei den zuständigen Fachbehörden dafür einsetzen, dass in Hamburg geeignete Grundlagen und behördliche Vorgaben geschaffen werden, um in mehr Nebenstraßen als bislang Tempo 30 anordnen zu können – sowohl als Teil einer Tempo-30-Zone als auch als Tempo-30-Strecke. Hierbei sollte das Vorhandensein von Linienbusverkehren nur einen Teilaspekt in dem Entscheidungsprozess darstellen und bei der Abwägung stärker Aspekte wie Lärmschutz, Schul-, Kita-, Rad- Fuß- und Freizeitverkehre berücksichtigt werden.

 

 

Anhänge

keine