Leuchtende Fuß- und Radwege: Mehr Sicherheit und Energieeffizienz auf Eimsbütteler Straßen Drs. 21-3226, Beschluss der BV vom 29.09.2022
Sachverhalt:
Die Hamburger:innen vermehrt und dauerhaft vom Umstieg vom Auto auf das umweltfreundliche Verkehrsmittel Fahrrad zu überzeugen, gelingt am schnellsten und effektivsten durch eine Attraktivitätssteigerung der Fahrradnutzung. Ein wichtiges Element ist hierbei die sichere Ausgestaltung der Radwege. Bei unzureichender oder fehlender Beleuchtung durch Laternen können Radfahr- und Schutzstreifen insbesondere bei schlechtem Wetter und/oder Dunkelheit (nachts) nur schwer von der restlichen Fahrbahn zu unterscheiden sein. Gleiches gilt auf Nebenflächen, die von Radfahrenden und zu Fuß Gehenden (in getrennten Bereichen) gemeinsam genutzt werden – sowohl im Straßenraum als auch in öffentlichen Grünanlagen. Für viele Autofahrende und andere Verkehrsteilnehmende ist es bereits in der Dämmerung und/oder bei schlechtem Wetter oft schwer auszumachen, wo ein Radweg verläuft. Je dunkler es wird, desto riskanter wird es für Radfahrende und Fußgänger:innen, vor allem an Unfallschwerpunkten und besonderen Gefahrenstellen.
Diesen Risiken kann effektiv mit einem neuartigen Straßenbelag begegnet werden, der nach Einbruch der Dunkelheit farblich leuchtet. Die Radwege sowie Fußwege heben sich dadurch deutlich von der Umgebung ab. Das hierfür verwendete Material enthält synthetische Substanzen und nutzt das Phänomen der Lumineszenz. Dabei erfolgt eine Absorption und Zwischenspeicherung von elektromagnetischer Strahlung aus dem sichtbaren, ultravioletten oder infraroten Licht. Die absorbierte Energie wird zeitlich versetzt in Form von Licht emittiert. Dieser Nachleuchteffekt funktioniert ohne jegliche zusätzliche Strom- /Energiezufuhr und bietet ausreichend Speicherleistung für zehn Stunden Leuchtkraft. Neben dem Plus an Sicherheit bietet der illuminierende Belag auch einen klaren Vorteil für die Umwelt: Zum einen kann der gänzlich ohne Strom leuchtende Straßenbelag gegebenenfalls herkömmliche Straßenbeleuchtung (in Teilen) ersetzen. Zum anderen werden Tiere – anders als beim Betrieb von Laternen – durch fluoreszierende Rad- und Fußwege in Parks und Grünanlagen nicht gestört.
Mindestens vier europäische Städte haben bereits erste positive Erfahrungen mit fluoreszierenden Belägen im Straßenbau gesammelt: Cambridge (UK), Eindhoven (Niederlande), Lidzbark Warmiñski (Polen) und Esztergom (Ungarn). Bisher kommen dabei zwei Varianten der Illumination zum Einsatz: bei der ersten Variante werden dem Belag (Spezialsplitt) fluoreszierende Partikel beigemischt, bei der zweiten Variante wird eine fluoreszierende Flüssigkeit auf den Rad- und Fußweg aufgesprüht. Alle bisherigen Tests (auch im Winterbetrieb) sind erfolgreich verlaufen – die Haltbarkeit bzw. Leuchtfähigkeit des Materials soll je nach Methode bei bis zu 20 Jahren liegen.
Beschluss:
Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende zu ersuchen, eine/n Sachverständige/n in den Ausschuss für Mobilität zu entsenden, um über Möglichkeiten zu berichten, in Eimsbüttel lumineszierende Radwege und Fußwege anzulegen. Dabei soll auch über die Ergebnisse der (von der damaligen BWVI) in der Drucksache 21- 10951 angekündigten Evaluierung der Feldversuche sowie nach Möglichkeit über Erfahrungen aus den schon existierenden Anwendungen, etwa in Duisburg, im Kanton Wallis (CH), in Cambridge (UK), in Eindhoven (NL), in Lidzbark Warmiński (PL) und Esztergom (HU) berichtet werden. Insbesondere wird auch darum gebeten, eine Einschätzung zu den beiden möglichen Techniken (Splitt-Beimischung / Aufsprühen eines fluoreszierenden Farbstoffs) sowie über eventuelle Erkenntnisse zur Umweltverträglichkeit dieser neuen Straßenbeläge abzugeben. Dem Ausschuss soll außerdem eine Kostenschätzung für einen Modellversuch im Bezirk Eimsbüttel vorgelegt werden.
Stellungnahme:
Mit der Thematik fluoreszierender Straßenbeläge auf Radverkehrsanlagen hat sich die BVM in den zurückliegenden Jahren wiederholt intensiv befasst.
So zum Beispiel im Rahmen des Bürgerschaftlichen Ersuchens ‚Sichtbarkeit und Akzeptanz von Radverkehrsführungen erhöhen – Radverkehrsführung in Kreuzungsbereichen farblich hervorheben‘ (Drs. 21/7616) vom Februar 2017, zu dem die damalige BWVI der Bürgerschaftspräsidentin geantwortet hat (Drs. 21/10951) sowie im Rahmen eines Tests im Zusammenhang mit dem Projekt Blue Port (selbstleuchtende Markierung von Seitenstreifen an einem Radweg im Hafen) im Juli 2019.
Auslöser dafür waren jeweils von den Anfragenden im Internet gefundene Informationen zu einzelnen derart umgesetzten Projekten. Diese weckten aufgrund der Abbildungen Erwartungen, mithilfe selbstleuchtenden Materials in der Oberfläche von Radverkehrsanlagen die Sichtbarkeit und damit auch die Sicherheit dieser insbesondere bei Dunkelheit signifikant verbessern zu können und durch die Verwendung solcher Materialien im Wegebau letztlich sogar Einsparungen bei der Beleuchtung von Wegen zu ermöglichen.
Betrachtet wurden durch die BVM dabei vorrangig flächige Beschichtungen aber auch die Markierung von Randstrichen.
Aus den Recherchen zu dem Bürgerschaftlichen Ersuchen ‚Sichtbarkeit und Akzeptanz von Radverkehrsführungen erhöhen – Radverkehrsführung in Kreuzungsbereichen farblich hervorheben‘ ergaben sich bereits folgende Punkte, die auch ausschlaggebend für die Antwort an die Bürgerschaftspräsidentin waren:
- Sehr hohe Kosten für Material, Herstellung und Erhaltung
- Eine von vielen Faktoren abhängige Leuchtintensität und -dauer:
- Insbesondere bei flächigen Beschichtungen von Wegeflächen sind die Anforderungen an Griffigkeit, Dauerhaftigkeit aber auch Umweltaspekte (Kunststoff als Bindemittel Abrieb durch Verschleiß und Abwitterung; Recycling) zu berücksichtigen.
Selbst unter optimalen Randbedingungen ergab sich bei allen Applikationsformen eine nur schwache und zudem zeitlich deutlich begrenzte Nachleuchtdauer (der Nachleuchteffekt beginnt bereits mit nachlassendem Tageslicht und nicht erst bei Dunkelheit.
In bebauten Stadtgebieten mit einer latent vorhandenen Hintergrundbeleuchtung sind danach keine wahrnehmbaren/wirksamen Leuchteffekte zu erwarten. Die Anwendung solcher Stoffe würde, wenn überhaupt, nur in abgelegenen anbaufreien Bereichen ohne Straßen- oder Hintergrundbeleuchtung einen erkennbaren Effekt zeigen (wie bei dem wiederholt vorgebrachten Beispiel aus Polen).
Der bereits erwähnte Versuch im Rahmen des Projekts Blue Port hat diese Einschätzung eindrucksvoll bestätigt, war doch trotz der als optimal zu bewertenden Ausgangslage (neues unverschmutztes Material, sonniger Tag und damit lange und intensive Aufladung) kein Nachleuchteffekt wahrnehmbar.
Für den in der Antwort an die Bürgerschaftspräsidentin benannten Feldversuch haben sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. So blieb es weiterhin bei insgesamt schwachen Nachleuchteffekten. Bereits bekannte Probleme mit der mechanischen Widerstandsfähigkeit des Beschichtungsmaterials konnten nicht behoben werden.
Es wurde daher festgestellt, dass fluoreszierende Materialen für die durch das Nachleuchten erhofften Effekte in urbanen bebauten Bereichen mit latent vorhandenem Hintergrundleuchten ungeeignet sind. Bei flächigen Beschichtungen kommen zudem hohen Kosten für die Herstellung aber auch bauliche Einschränkungen hinzu (mangelhafte Beständigkeit der vorgestellten Produkte hinsichtlich Abriebes und ausreichender Griffigkeit). Zudem können diese Materialien bei Erneuerung der Beschichtung oder des Oberbaus insgesamt nicht recycelt werden, sondern sind getrennt zu entsorgen.
Bei der ausgelöst durch das vorliegende Ersuchen der BV Eimsbüttel durchgeführten erneuten Recherche haben sich hinsichtlich der Einschätzung der Anwendbarkeit fluoreszierender Materialen keine neuen Erkenntnisse ergeben.
Zwischenzeitig ist lediglich die Markierung der Randstreifen in Duisburg neu hinzugekommen. Dieses Projekt ist offensichtlich in einem sehr dunklen unbeleuchteten Bereich in einem Wald umgesetzt worden, in dem dann tatsächlich auch wahrnehmbare Nachleuchteffekte zu erwarten sind. Dennoch ist die selbstleuchtende Randmarkierung ergänzend eingefasst durch zwei Streifen herkömmlicher, weißer und reflektierender Markierung. Damit wird dem zeitlich begrenzten und unterschiedlich intensiven Nachleuchten des Materials Rechnung getragen, um auch bei Nachlassen oder Ende des Nachleuchteffektes für die Radfahrer:innen eine ausreichende Orientierung bieten zu können.
Die in Duisburg angewandte Form der seitlichen Markierung wäre für entsprechend dunkle Bereiche auch in Hamburg denkbar. Es sind dabei aber folgende Einschränkungen zu bedenken:
- Hinsichtlich der Leuchtintensität und -dauer sind auch bei dieser Form die zuvor beschrieben Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
- Die im Vergleich zur herkömmlichen Markierung höheren Kosten (ca. 100,00 EUR/kg Nachtleuchtplastik).
- Beleuchtungsanlagen an Wegen durch z. B. Parkanlagen werden durch den schwachen Nachleuchteffekt der Streifen nicht entbehrlich, dienen diese Anlagen doch weniger der allgemeinen Orientierung sondern der Schaffung sozialer Sicherheit durch gute Einsehbarkeit auch des Umfeldes für die Nutzer:innen durch Ausleuchtung der Wege.
Die ausgeprägt reflektierenden weißen Markierungen bieten in der Kombination von Restleuchten in der Umwelt und Beleuchtung des Fahrrades aus Sicht der BVM bereits eine ausreichende Orientierung.
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Um Kenntnisnahme wird gebeten.
keine