Inbetriebnahme eines Interimsstandortes zur Unterbringung Schutzsuchender mit rund 240 Plätzen in der Oldesloer Straße 166 Drs. 21-3704, Beschluss der BV vom 30.03.2023
Mit dem o.g. Antrag hat die Bezirksversammlung Eimsbüttel folgendes Anliegen dargestellt:
Sachverhalt:
Infolge der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten dramatischen Entwicklungen in der Ukraine befinden sich mehrere Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, darunter viele Frauen und Kinder, auf der Flucht aus den Kriegsgebieten in Richtung Westen. Es sind in Deutschland allein mehr als 1 Millionen Menschen aus der Ukraine registriert. Ein baldiges Ende des Krieges ist momentan nicht zu erwarten und auch die Zahlen in Hamburg steigen weiter an. Unabhängig davon ist seit einigen Monaten ein stärkerer Zugang von Geflüchteten aus Afghanistan und weiteren Staaten zu verzeichnen.
Die Lenkungsgruppe „Integration öffentlich-rechtlicher Unterbringung (öRU) und Erstaufnahme (EA) in die gesamtstädtische Flächenverwertung und Planung“ hat zwei Zugangsprognosen aufgestellt, die für 2023 einen weiteren Mehrbedarf ermittelt. Um auf diese Entwicklungen vorbereitet zu sein, werden daher derzeit in der gesamten Stadt zusätzliche Standorte zur Unterbringung von Geflüchteten geprüft.
Vor diesem Hintergrund plant die Hamburger Sozialbehörde, im ehemaligen Select Tagungshotel in der Oldesloer Straße 166 in Schnelsen die Inbetriebnahme eines Interimsstandortes zur Unterbringung Schutzsuchender mit rund 240 Plätzen. Aufgrund des barrierefreien Erdgeschosses und des Aufzugs kann auch für besondere Angebote geplant werden. Im Gebäudetrakt mit den Konferenzräumen und dem Gastronomiebereich können weitere Sondernutzungen und Spezialangebote untergebracht werden. Hinzukommend gibt es rund um den Standort des Gebäudes sieben Kindertageseinrichtungen in zumutbarer Entfernung. Mit diesen Kitas und Trägern müssen im Zuge des Vorhabens dringend Gespräche gesucht werden, um die Kindertagesstätten für die Aufnahme von Kindern mit Fluchthintergrund zu sensibilisieren und die Kapazitäten einiger Einrichtungen zu erweitern. In Reichweite von 19 Minuten mittels ÖPNV Anbindung befinden sich zudem zwei weitere Einrichtungen für Geflüchtete.
Gemäß § 28 Satz 1 Nr. 9 BezVG hat die Bezirksversammlung Gelegenheit zur Stellungnahme.
Beschluss:
Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration hinsichtlich der Inbetriebnahme eines Interimsstandortes zur Unterbringung Schutzsuchender in der Oldesloer Straße 166 folgende Stellungnahme zu übermitteln:
Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt zu dem o. g. Beschluss wie folgt Stellung:
Zu 1:
Die Sozialbehörde bedankt sich für die Unterstützung der Bezirksversammlung Eimsbüttel bei den Anstrengungen des Hamburger Senats, die humanitäre Situation von Geflüchteten und Schutzsuchenden zu verbessern und auch künftig ausreichende Kapazitäten zur Unterbringung bereitzustellen.
Zu 2:
Fördern & Wohnen AöR (F&W) informiert als Betreiberin die Nachbar- und Anwohnerschaft der Unterkunft in der Oldesloer Straße durch die Verteilung eines Informationsblattes über den Standort, seine Bewohnenden und die Dienstzeiten des Einrichtungsteams. In diesem Schreiben wird auch über die Räumlichkeiten des Standortes sowie die mittelfristig und langfristig geplanten Umbauarbeiten informiert.
F&W ist als städtisches Unternehmen an einer größtmöglichen Transparenz seiner Arbeit gegenüber der Öffentlichkeit gelegen. Fragen und Feedback zur Arbeit von F&W können jederzeit über das Feedbackmanagement (feedback@foerdernundwohnen.de) an das Unternehmen herangetragen werden.
Die Sozialbehörde und F&W stehen auch jederzeit bereit, eine Informationsveranstaltung des Bezirksamtes zu unterstützen.
Im Übrigen siehe Drs. 22/11619.
Zu 3 und 4:
In der Unterkunft werden durch F&W, wie in allen Wohneinrichtungen, Mitarbeitende des Unterkunfts- und Sozialmanagements (UKSM) mit einem Schlüssel von 1:80 Bewohnerinnen und Bewohner eingesetzt. Ziel der Arbeit des UKSM ist die Gewährleistung einer menschenwürdigen und an definierten Standards ausgerichteten Unterbringung der Bewohnerinnen und Bewohner. Ein Sicherheitsdienst wird mit zwei Personen pro Schicht in der Einrichtung eingesetzt. F&W wirkt darauf hin, dass die Schichten mit Personal beider Geschlechter besetzt werden.
Das Personal vor Ort wird durch weitere zentrale Einheiten unterstützt. Hierzu gehören insbesondere die Kinderschutzkoordination, die Sozialpädagogischen Einzelfallhilfen, das Einzugs- und Begleitteam, die Freiwilligenkoordination und das Beschwerdemanagement.
Für den Standort wird das Gewaltschutzkonzept in Unterkünften für Geflüchtete standortbezogen implementiert (siehe Musterkonzept https://www.hamburg.de/fluechtlinge/7040758/gewaltschutz-einrichtungen/). Mitarbeitende von F&W sind mit dem Konzept vertraut und verpflichtet, im Sinne dessen zu handeln. Auch auf in der Einrichtung eingesetztes Personal von Dienstleistern und auf Freiwillige trifft dies zu. In jedem Einrichtungsteam von F&W gibt es feste Ansprechpersonen für Themen des Gewaltschutzes sowie niedrigschwellige Beschwerdemöglichkeiten. Die Abläufe in Bezug auf Gewaltvorfälle sind in Form von Dienstanweisungen festgeschrieben und allen Mitarbeitenden bekannt. Diese werden dahingehend geschult und haben Zugang zu regelmäßigem fachlichem Austausch und Supervision. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden mehrsprachig über Beratungsangebote zu Gewalterfahrungen informiert. F&W kooperiert zudem eng mit dem Beratungsangebot „savia-steps against violence“.
Zu 5 bis 8:
Die Mitarbeitenden der Unterkunft bauen in Kooperation mit dem Bezirksamt Kontakte zur Nachbarschaft und Kooperationen zu Akteuren der umliegenden sozialen Infrastruktur auf, um eine vielfältige Angebotsstruktur in der Unterkunft zu etablieren.
Freiwilliges Engagement ist am Standort Oldesloer Straße, wie an allen Standorten, ein wichtiges Thema, da es eine tragende Säule in Hinblick auf die Integration der Menschen darstellt. Für den Standort Oldesloer Straße 166 befassen sich F&W und das Bezirksamt Eimsbüttel in Zusammenarbeit mit der Sozialbehörde mit vorbereitenden Planungen zu Unterstützungsmaßnahmen im Umfeld für die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Eine konkretere Planung kann erst erfolgen, wenn bekannt ist, für welche Personen- und Altersgruppen der Standort letztlich in der Belegung am besten geeignet und vorgesehen ist.
Ein Angebot zur Beschulung oder zu medizinischer Versorgung ist am Standort aufgrund der geringen Größe nicht geplant. Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen vielmehr im Sinne des Integrationskonzeptes eine Anbindung an die Regelsysteme erhalten.
Darüber hinaus gibt es im Bezirksamt Eimsbüttel verschiedene professionelle und ehrenamtliche Projekte und Angebote, die beispielsweise Familien über das System und Angebote der Kindertagesbetreuung, Schule und weitere Angebote für Kinder und Familien informieren und sie beim Einstieg unterstützen
Die Mitarbeitenden der Unterkunft bieten psychisch belasteten Personen im Rahmen des Beratungsangebotes Unterstützung in ihrer oft schwierigen Lebenssituation an und forcieren die Anbindung an Regelsysteme der Gesundheitsversorgung. Hierzu gehört in vielen Fällen auch das Traumafolgezentrum CENTRA, mit welchem bei Bedarf eine gute Kooperation hergestellt wird (siehe Drs. 22/11619).
Im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens melden die Bezirksämter – in der Regel nach Anhörung der Bezirksversammlungen – der Sozialbehörde regelhaft ihre konsumtiven und investiven Bedarfe für die regionalen Angebote der Kinder‐ und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Familienförderung sowie der Sozialräumlichen Angebote der Jugend‐ und Familienhilfe. Die Sozialbehörde wiederum setzt im Verlauf des Haushaltsaufstellungsverfahrens die finanziellen Rahmenbedingungen für die weitere Ausgestaltung der Planung nach einem mit den Bezirksämtern vereinbarten Verteilungsschlüssel.
Bedarfsplanungen sind jeweils innerhalb der vom Senat in Abstimmung mit den Bezirksämtern im Rahmen der Haushaltsaufstellung festgelegten Eckwerte vorzunehmen. Die festgelegten Eckwerte konnten im Rahmen von Verhandlungen zwischen der Sozialbehörde und der Finanzbehörde in den letzten Jahren mehrmals erhöht werden. Im Bereich der Rahmenzuweisungen der Kinder- und Jugendarbeit (Offene Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit), Familienförderung und sozialräumlichen Angebotsentwicklung sieht der Senat eine deutliche Eckdatenerhöhung ab 2023 vor (siehe Drs. 22/9000, Einzelplan 4, Produktgruppe „Bezirkliche Zuweisung Jugend und Familie“, Produktgruppe 254.09 sowie Drs. 22/10299). Die Rahmenzuweisungen werden gemäß dem beschlossenen Haushaltsplan in 2023/ 2024 um jeweils 1,5 Prozent sowie strukturell um drei Millionen Euro ab 2023 gesteigert. Um den Bezirksämtern mehr Spielräume zu eröffnen, dürfen Mittel aus diesen Rahmenzuweisungen zudem in vollem Umfang zur wechselseitigen Deckung eingesetzt werden.
Für das Förderprogramm Soziale Integrationsnetzwerke (SIN) stellt die Sozialbehörde den Bezirksämtern jährlich SIN-Mittel in Höhe von rund 4,9 Mio. € über Fremdbewirtschaftungen zur Verfügung. Aufgrund der anhaltend hohen Anzahl von Schutzsuchenden wurde die Summe für das Jahr 2023 bereits um rd. 3.174 Mio. Euro aufgestockt. Zudem entsprechen die Förderziele der SIN der Zielsetzung der Drs. 21/1395, sodass zum 01.01.2023 die Mittel aus der Drs. 21/1395 in voller Höhe von 675.000 € additiv in die Mittel der SIN-Förderrichtlinie überführt werden.
Für das Jahr 2023 wurde dem Bezirksamt Eimsbüttel ein Mehrbedarf von rd. 170 Tsd. Euro zugesagt. Weitere SIN Mehrbedarfe von rd. 75 Tsd. Euro wurden durch das Bezirksamt Eimsbüttel angemeldet. Im Rahmen der gemeldeten Mehrbedarfe sind Mittel für die Bereitstellung von SIN-Angeboten für den Stadtteil Schnelsen vorgesehen.
Darüber hinaus wurden im Bereich der Familienförderung Mehrbedarfe zur Unterstützung von geflüchteten Familien durch Familienteams und Elternlotsen durch das Bezirksamt Eimsbüttel gemeldet und von der Sozialbehörde zugesagt: zur Stärkung der Familienteams wurden 30.000 Euro und zur Stärkung der Elternlotsenprojekte 25.000 Euro für 2023 zur Verfügung gestellt.
Soweit sich unterjährig weitere Mehrbedarfserfordernisse ergeben (zum Beispiel durch steigende Energiekosten oder flüchtlingsbedingte Mehrkosten), werden diese durch die Bezirksämter an die Sozialbehörde gemeldet. Die Sozialbehörde steuert für alle Bezirksämter gleichermaßen, inwieweit die Mehrbedarfe begründet sind und im Haushaltsvollzug Berücksichtigung finden können.
Zu 9:
Die Sozialbehörde fördert das freiwillige Engagement in den Hamburger Bezirken mit insgesamt 1.000 Tsd. Euro über die Förderrichtlinie Freiwilliges Engagement in den Bezirken. Zu den Zuwendungszwecken zählen bspw. Maßnahmen, die die Zusammenarbeit von lokalen Akteuren des freiwilligen Engagements unterstützen oder auch Freiwilligenprojekte, die zur Förderung der Integration von Geflüchteten und Zugewanderten beitragen. Mittels Fremdbewirtschaftungsvereinbarung im Rahmen der oben genannten Förderrichtlinie stehen dem Bezirksamt Eimsbüttel für 2023 und 2024 jeweils 127 Tsd. Euro zur Förderung zur Verfügung.
Sofern im aktuellen Kontext der Unterbringung von Schutzsuchenden und Geflüchteten in einzelnen Bezirken weitere Mittel zur Förderung des freiwilligen Engagements benötigt werden, können diese zunächst aus nicht verbrauchten Restmitteln anderer Bezirke ausgeglichen werden. Sollte die verfügbare Gesamtsumme von 1.000 Tsd. Euro im Jahresverlauf nicht ausreichen, wird die Sozialbehörde einen Mehrbedarf beantragen, um auch weiterhin eine flexible Nutzung zwischen den Bezirksämtern zu ermöglichen.
Im Übrigen siehe Drs. 22/11619.
Zu 10:
Der Standort soll perspektivisch - wie alle anderen Standorte der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, deren Laufzeit mindestens drei Jahre beträgt - eine Internetversorgung bis in die Zimmer der Bewohnerinnen und Bewohner erhalten. Hierfür wird ein Nachtrag zum sogenannten „WLAN-Voucher-Modell“ (siehe Drs. 22/10592, 22/7432, 22/4280, 22/3987 und 22/2965) erfolgen. Die Zeit bis zur Aufnahme in das Modell wird durch eine Übergangslösung über einen privaten Provider überbrückt, die von der Sozialbehörde finanziert wird. Hierbei werden die Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls eine Versorgung bis in die Zimmer erhalten.
:
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
keine