Ein Gutachten zu Überholabständen für ein sicheres Radfahren im Mischverkehr
Beratungsfolge |
am |
TOP |
Drs. Nr. |
Ergebnis |
AM |
02.06.2021 |
5.2 |
Mehrheitlich angenommen |
Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) lehnte in ihrer Stellungnahme zum gemeinsamen GRÜNE/CDU-Antrag mit der Drucksache 21-1144 eine durchgehende Tempo-30-Strecke auf der Hallerstraße zwischen Rothenbaumchaussee und Mittelweg wegen einer nicht erhöhten Unfallhäufigkeit ab. Die gleiche Auffassung hat die BIS in der Vergangenheit auch für die Osterstraße und die Bundesstraße vertreten.
Damit wird nicht nur einem Antrag der Bezirksversammlung widersprochen, in dem sich GRÜNE und CDU für mehr Verkehrssicherheit aussprechen. Die Innenbehörde trifft damit eine juristische Fehleinschätzung, denn auch wenn keine auffällige Unfalllage gegeben ist, kann eine Gefahrenlage begründet werden. So urteilt das Bundesverwaltungsgericht schon vor mehr als 10 Jahren (Urteil vom 23.09.2010 – BVerwG 3 C 32.09; https://.bverwg.de/230910U3C32.09.0):
„Eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, liegt nicht erst dann vor, wenn ohne ein Handeln der Straßenverkehrsbehörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zusätzliche Schadensfälle zu erwarten wären (Änderung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 5. April 2001 – BVerwG 3 C 23.00 – Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41). Es reicht aus, dass eine entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt.“
Eine Gefahrenlage kann daher – neben der Unfallhäufigkeit – beispielsweise auch durch fehlende Sichtachsen, hochfrequentierte Schulwege oder nicht ausreichende Überholvorgänge von Radfahrenden im Mischverkehr oder bei (überfahrbaren) Schutzstreifen gegeben sein. Die bisherige, nur auf Unfalllagen ausgelegte Auslegung der StVO durch die BIS entspricht also weder der Vision Zero (null Unfalltote), wie sie sowohl im durch GRÜNE/CDU beschlossenen Eimsbütteler Koalitionsvertrag als auch im Hamburger Koalitionsvertrag beschlossen wurde, noch der aktuellen Rechtslage.
Es bestehen für die Osterstraße, die Stresemannallee als frisch fertiggestellter Teil der Veloroute 3 als auch für die Hallerstraße in dem besprochenen Abschnitt konkrete Beschwerdelagen: Radfahrerinnen und Radfahrer werden dort nach deren Schilderungen regelmäßig zu eng gemäß StVO, also mit einem Abstand von weniger als 1,5 m, überholt. Trifft dies zu, besteht eine entsprechende konkrete Gefahr gemäß Bundesverwaltungsgericht, die eine juristische Notwendigkeit ergibt, dort Tempo 30 anzuordnen.
Um die unterschiedlichen Beschwerdelagen objektiv zu bewerten, schlagen wir ein unabhängiges Gutachten für folgende zu untersuchende typologisch unterschiedliche Straßenzüge exemplarisch vor:
Stresemannallee: Veloroute 3, Schutzstreifen/Hochbordradwege, durchgängig T50, Ausweichstrecke Lokstedter Steindamm.
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Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, sich bei der zuständigen Behörde für Inneres und Sport (BIS) dafür einzusetzen, dass
1. die bestehende Gefahrenlage bei Tempo 50 gutachterlich bewertet wird. Unter-suchungsgegenstand des Gutachtens sollen die tatsächlichen Abstände sein, mit denen Radfahrerinnen und Radfahrer durch Kfz überholt werden.
2. Dabei sollen folgende Straßen mit Tempo 50 betrachtet werden:
a. Hallerstraße zwischen Rothenbaumchaussee und Mittelweg
b. Osterstraße
c. Stresemannallee (Veloroute 3).
3. Die Untersuchung der Überholabstände soll in den morgendlichen und nachmittäglichen Verkehrsspitzen sowie mittags erfolgen. Sie ist an mindestens zwei Werktagen und einem Samstag durchzuführen.
4. Die Überprüfung soll schnellstmöglich erfolgen. Ergebnisse sollen im 3. Quartal 2021 präsentiert werden. Carl Maria Bohny, Robert Klein, Sebastian Dorsch und GRÜNE-Fraktion
Hans-Hinrich Brunckhorst und CDU-Fraktion
keine