"Verlegte" Bushaltestelle Borghorst
Auskunftsersuchen der BAbg. Mirbach, Jobs, Sturmhoebel, Winker und Fraktion DIE LINKE
Im Zuge der Kohärenzsicherungsmaßnahme „Borghorster Elbwiesen“ und der damit verbundenen Verlegung der Kreisstraße K63 vom Altengammer Hauptdeich auf den Borghorster Elbdeich ist die Haltestelle „Borghorst“ (Richtung Altengammer Kreisel) Anfang September 2016 an die Haltestelle „Zeltplatz Altengamme“ „verlegt“ worden. Fahrgäste aus dem östlichen Altengamme und dem angrenzenden Voßmoor müssen seitdem, wenn sie nach Geesthacht oder ins elbwärts gelegene Landgebiet wollen, einen rund 1000 Meter längeren Weg zu Fuß zurücklegen als vor der Verlegung der Haltestelle. Dasselbe trifft zu auf alle, die aus Geesthacht bzw. aus dem elbwärts gelegenen Landgebiet kommend das östliche Altengamme oder das Voßmoor erreichen wollen. Durch die vollzogene Ausdünnung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind betroffene Personen (Anwohnerinnen und Anwohner und ihre Besucherinnen und Besucher sowie Beschäftigte in den Betrieben vor Ort) entsprechend vermehrt auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen oder müssen, im Fall von Älteren und Gehbehinderten, schlicht zu Hause bleiben.
Laut Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) liegt der Einzugsbereich einer Haltestelle im städtischen Bereich grundsätzlich innerhalb eines Radius von 400 Meter Luftlinie, im ländlich strukturierten Bereich werden 600 Meter zugrunde gelegt.[1] Viele Anwohnerinnen und Anwohner beklagen die große Entfernung zur nächsten Bushaltestelle und sammeln zurzeit Unterschriften für eine Petition zur Wiederinbetriebnahme der Haltestelle „Borghorst“.
Die faktische Außerbetriebnahme der Haltestelle wurde Ende August/Anfang September 2016 vorgenommen, ohne dass die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner vorher dazu befragt oder auch nur informiert worden wären. Das Bezirksamt Bergedorf sei laut BWVI am 12. Juli 2016 „über die Aufhebung der Haltestelle Borghorst informiert und angehört“ worden und habe keine Stellungnahme abgegeben (Drs. 20-1000.1). Eine Befassung des Regionalausschusses mit dem Vorgang hatte die Bezirksverwaltung lediglich nach der Schaffung vollendeter Tatsachen vorgesehen, indem sie dem Ausschuss die Anträge von HVV und VHH auf Entbindung von der Betriebspflicht der Haltestelle Borghorst zu dessen Septembersitzung zur Kenntnis gab (Drs. 20-0916).
Im Planfeststellungsverfahren zur Kohärenzsicherungsmaßnahme „Borghorster Elbwiesen“ hatten die Verkehrsbetriebe HVV und VHH eingewandt, die Bedienung der Haltestelle Borghorst nach Verlegung der K63 sei wirtschaftlich und fahrplantechnisch kaum machbar, eine Schleifenfahrt vom Zeltplatz Altengamme zum Altengammer Kreisel und zurück käme aus ihrer Sicht eher nicht in Frage. Die BWVI als zuständige Planfeststellungsbehörde hatte die Einwendungen in ihrem Planfeststellungsbeschluss[2] „als unbegründet“ zurückgewiesen und ihre Entscheidung wie folgt begründet: „Für den Fall, dass Nachteile tatsächlich eintreten, sind diese jedoch aufgrund ihrer vergleichsweise geringfügigen Auswirkungen hinzunehmen. Zum einen ist die zusätzliche Fahrzeit durch die Stichfahrt zur Endhaltestelle am Borghorster Kreisel aufgrund der relativen Kürze aus Sicht der Planfeststellungsbehörde durch eine Anpassung der Fahrpläne voraussichtlich aufzufangen. Diese werden ohnehin regelmäßig an neue Anforderungen angepasst und überarbeitet. Kleinere Veränderungen in der Streckenführung, die eine Anpassung des Fahrplans erfordern, stellen keine ungewöhnlichen oder unzumutbaren Anforderungen an Verkehrsbetriebe und deren Kostenträger dar. Bis die K63 tatsächlich auf den Leitdamm verlegt worden ist, besteht ausreichend Zeit, eine entsprechende Planung vorzunehmen, die den Bedürfnissen der Anwohner gerecht wird.“
Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation beantwortet die Fragen 5 -8, 11 und 12; das Bezirksamt beantwortet die Fragen 1-4, 9 und 10 des Auskunftsersuchens vom 08.03.2017 wie folgt:
Vorbemerkung des Bezirksamts:
Das Unternehmen VHH hat bei der Genehmigungsbehörde BWVI die Änderung der Linienführungen im Zuge der Linien 439 und 120 zum 5.8.2016 beantragt. Beide Anträge beinhalten den Wegfall der Bushaltestelle Borghorst.
Vor der Entscheidung über Änderungen des Linienverkehrs hat die Genehmigungsbehörde, das ist in Hamburg die BWVI, Stellen, deren Aufgaben durch den Antrag des Verkehrsunternehmens berührt werden, anzuhören (§ 14 PBefG).
Die BWVI hat konkret für die Linie 439 und 120 ein Anhörungsverfahren am 18.07. bzw. am 12.07.2016 durchgeführt und u.a. das Bezirksamt als Träger der Straßenbaulast zu wegerechtlichen Fragen angehört (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 PeBfG),. Das Bezirksamt hat damit Gelegenheit zu prüfen, ob Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit oder des Bauzustandes der Straßen bestehen und/oder ob besondere bauliche Maßnahmen für die regelhafte Benutzung der Straße erforderlich werden würden. Dazu hat das Bezirksamt – als Träger der Wegebaulast – bereits am 18.07.2016 gegenüber der BWVI Stellung genommen.
Desweiteren hat das Bezirksamt beide Schreiben an den zuständigen Ausschuss – hier Regionalausschuss – zur Kenntnisnahme und zur Gelegenheit der Abgabe einer weiteren Stellungnahme weitergegeben (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PBefG i.V.m. Abschnitt V Nr. 1.1 Anordnung über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Personenbeförderungsrechts). Darüber hinaus bestehen keine weiteren Zuständigkeiten bzw. Aufgaben für das Bezirksamt Bergedorf hinsichtlich des Personenbeförderungsrechtes.
Den politischen Ausschüssen der Bezirksversammlung – hier im besondere dem Regionalausschuss - obliegt daher die Aufgabe einer Stellungnahme der Gemeinde im Sinne PBefG.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
Das Bezirksamt wurde mit Datum des 18.07.2016 zum Genehmigungsantrag der VHH – Linie 439 – von der BWVI angehört.
Das Bezirksamt hat in eigener Zuständigkeit eine Prüfung hinsichtlich wegerechtlicher Anforderungen durchgeführt. Eine weitere Prüfung des Bezirksamtes findet mangels Zuständigkeit nicht statt – siehe Vorbemerkung.
3.1 Wenn ja: Wie begründet die Verwaltung ihr Schweigen und wer konkret hat die Entscheidung getroffen, keine Stellungnahme abzugeben?
Das Bezirksamt hat am Tag der Kenntnisnahme - das ist der 18.07. - eine Stellungnahme als Träger der Wegebaulast bei der BWVI abgegeben und die Beteiligung der Ausschüsse initiiert. Aufgrund der politischen Sommerpause wurde allerdings der zuständige Regionalausschuss tatsächlich erst am 20.09.2016 in Kenntnis gesetzt.
4.1 Wenn nein: Warum nicht?
Siehe Antwort zu 3.
Der Einzugsradius der Haltestelle Borghorst liegt für einen dörflich strukturierten Raum im Hamburger Stadtgebiet bei 600 Metern Luftlinie. Die erbetenen Daten zur Zahl der dort dauerhaft wohnenden Menschen und zur Zahl der Arbeitsplätze liegen der zuständigen Behörde nicht vor. In diesem Bereich befindet sich vor allem das für Besucher ökologisch interessante Gebiet Borghorster Elblandschaft.
Die Ortschaft Borghorst ist über die Haltestellen Borghorst, Altengammer Marschbahndamm und Vossmoorbrücke vollständig durch das Busnetz des HVV erschlossen (Linie 228 Altengamme - Borghorst – Speckenweg - S Bergedorf sowie Schulbuslinien 328 und 428).
Die Verlagerung des Abfahrtsortes der Linien 120 und 439 verändert lediglich die direkten Verbindungen nach Geesthacht und entlang des Elbufers über Altengamme hinaus. Von der Haltestelle Zeltplatz Altengamme, die von der Haltestelle Borghorst ca. 880 m entfernt liegt, können diese Reiseziele auch weiterhin erreicht werden. Nach den Daten des HVV betrifft dies täglich durchschnittlich 5 Personen, die bislang mit der Linie 120 aus Richtung ZOB Hamburg Borghorst zum Ziel hatten und eine Person, die von Borghorst in Richtung ZOB Hamburg gefahren ist. Unter Abwägung der Gesamtumstände konnten diese Auswirkungen nicht verhindert werden (im Übrigen siehe Drucksache 20-1000.1)
Vossmoor gehört zur Gemeinde Escheburg in Schleswig-Holstein und wird auch durch Haltestellen im Gemeindegebiet (Regionalbus-Linie 8895) erschlossen.
Die Entscheidung, die Haltestelle in Borghorst mit den Linien 120 und 439 nicht mehr anzufahren, erfolgte nicht aus Kostengründen. Eine konkrete Kostenermittlung liegt daher nicht vor.
Ausschlaggebend ist vielmehr, dass durch die Fahrzeitverlängerung für die Schleifenfahrt bestehende Umsteigebeziehungen verloren gingen. Die Buslinien 120 und 439 sind miteinander verknüpft, um Fahrgästen aus den Vier- und Marschlanden eine Direktverbindung nach Geesthacht bieten zu können. Beide Linien stellen wichtige Umsteigeverbindungen in die Vier- und Marschlande als auch zum Stadtverkehr in Geesthacht her. Bei einer Veränderung der Fahrplanlagen wäre dies teilweise oder vollständig nicht mehr möglich.
Die vom Hbf./ZOB kommenden Fahrten der Linie 120 gehen am Zeltplatz Altengamme in die Linie 439 in Richtung Geesthacht über. Für den Linienwechsel ist eine Wartezeit von einer Minute erforderlich. Nach der aktuellen Fahrplanlage haben folgende Fahrten eine Standzeit von mindestens drei Minuten zuzüglich einer weiteren Minute (Linienwechsel):
Tage |
Ankunft |
Abfahrt Linie 439 |
Wartezeit |
|
|
|
|
Mo. – Fr. |
7.03 |
7.14 |
11 Minuten |
|
23.10 |
23.13 |
4 Minuten |
Sa. |
8.10 |
8.14 |
4 Minuten |
|
23.10 |
23.13 |
4 Minuten |
So. |
9.10 |
9.14 |
4 Minuten |
|
23.10 |
23.13 |
4 Minuten |
In Gegenrichtung stellt sich die Situation wie folgt dar:
Tage |
Ankunft |
Abfahrt Linie 120 |
Wartezeit |
|
|
|
|
Mo. – Fr. |
-- |
5.47 |
6 Minuten |
|
7.51 |
7.57 |
6 Minuten |
|
20.45 |
20.49 |
4 Minuten |
Sa. |
20.45 |
20.49 |
4 Minuten |
So. |
20.45 |
20.49 |
4 Minuten |
Insgesamt erfüllen somit 32 der wöchentlich geleisteten 230 Fahrten die Kriterien der Anfrage.
9.1 Wenn nein: Warum nicht?
9.2 Wenn ja: In welcher Form?
Nein. Siehe Antwort zu 3.
Keine. Siehe Vorbemerkung.
Vor der Entscheidung über einen Linienverkehrsantrag hat die Genehmigungsbehörde eine Stellungnahme der im Einzugsbereich liegenden Bezirksämter einzuholen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PBefG i. V. m. Abschnitt V Nr. 1.1 Anordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Personenbeförderungsrechts). Mit der im Gesetz vorgesehenen Stellungnahme der Gemeinde soll die Genehmigungsbehörde dabei unterstützt werden, die Verkehrsbedarfe zu ermitteln und unter Berücksichtigung des Passagieraufkommens wie auch der gebotenen verkehrlichen Erschließung eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.
Zudem muss sich das Bezirksamt als Träger der Straßenbau- oder Wegebaulast dazu äußern, ob im Einzugsbereich des beantragten Verkehrs hinsichtlich des Bauzustandes der hierfür vorgesehenen Straßen (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 PBefG) Bedenken bestehen und ob dieser Verkehr bauliche Maßnahmen, Anlagen oder Zeichen (§13 Abs. 4 HWG) erfordert, die für den allgemeinen Verkehr nicht notwendig sind.
Das Verkehrsangebot im östlichen Teil des Bergedorfer Landgebietes orientiert sich an der Nachfrage und stellt angesichts der Bevölkerungsdichte ein hochwertiges Angebot dar.
[1] http://vierlaender.de/uploads/Images/Infrastruktur/20161021_PA_Haltestelle_Borghorst_m_AW_BWVI_an1.pdf
[2] Az.: RP3/150.1406-100 vom 9.11.12; http://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/planfeststellungsbeschluss-kohaerenzsicherungsmassnahme-borghorster-elbwiesen
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