20-1131.01

"Verlegte" Bushaltestelle Borghorst

Antwort

Sachverhalt

Auskunftsersuchen der BAbg. Mirbach, Jobs, Sturmhoebel, Winker und Fraktion DIE LINKE

 

Im Zuge der Kohärenzsicherungsmaßnahme „Borghorster Elbwiesen“ und der damit verbundenen Verlegung der Kreisstraße K63 vom Altengammer Hauptdeich auf den Borghorster Elbdeich ist die Haltestelle „Borghorst“ (Richtung Altengammer Kreisel) Anfang September 2016 an die Haltestelle „Zeltplatz Altengamme“verlegt“ worden. Fahrgäste aus dem östlichen Altengamme und dem angrenzenden Voßmoor müssen seitdem, wenn sie nach Geesthacht oder ins elbwärts gelegene Landgebiet wollen, einen rund 1000 Meter längeren Weg zu Fuß zurücklegen als vor der Verlegung der Haltestelle. Dasselbe trifft zu auf alle, die aus Geesthacht bzw. aus dem elbwärts gelegenen Landgebiet kommend das östliche Altengamme oder das Voßmoor erreichen wollen. Durch die vollzogene Ausdünnung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind betroffene Personen (Anwohnerinnen und Anwohner und ihre Besucherinnen und Besucher sowie Beschäftigte in den Betrieben vor Ort) entsprechend vermehrt auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen oder müssen, im Fall von Älteren und Gehbehinderten, schlicht zu Hause bleiben.

 

Laut Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) liegt der Einzugsbereich einer Haltestelle im städtischen Bereich grundsätzlich innerhalb eines Radius von 400 Meter Luftlinie, im ländlich strukturierten Bereich werden 600 Meter zugrunde gelegt.[1] Viele Anwohnerinnen und Anwohner beklagen die große Entfernung zur nächsten Bushaltestelle und sammeln zurzeit Unterschriften für eine Petition zur Wiederinbetriebnahme der Haltestelle „Borghorst“.

 

Die faktische Außerbetriebnahme der Haltestelle wurde Ende August/Anfang September 2016 vorgenommen, ohne dass die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner vorher dazu befragt oder auch nur informiert worden wären. Das Bezirksamt Bergedorf sei laut BWVI am 12. Juli 2016 „über die Aufhebung der Haltestelle Borghorst informiert und angehört“ worden und habe keine Stellungnahme abgegeben (Drs. 20-1000.1). Eine Befassung des Regionalausschusses mit dem Vorgang hatte die Bezirksverwaltung lediglich nach der Schaffung vollendeter Tatsachen vorgesehen, indem sie dem Ausschuss die Anträge von HVV und VHH auf Entbindung von der Betriebspflicht der Haltestelle Borghorst zu dessen Septembersitzung zur Kenntnis gab (Drs. 20-0916).

 

Im Planfeststellungsverfahren zur Kohärenzsicherungsmaßnahme „Borghorster Elbwiesen“ hatten die Verkehrsbetriebe HVV und VHH eingewandt, die Bedienung der Haltestelle Borghorst nach Verlegung der K63 sei wirtschaftlich und fahrplantechnisch kaum machbar, eine Schleifenfahrt vom Zeltplatz Altengamme zum Altengammer Kreisel und zurück käme aus ihrer Sicht eher nicht in Frage. Die BWVI als zuständige Planfeststellungsbehörde hatte die Einwendungen in ihrem Planfeststellungsbeschluss[2]als unbegründet“ zurückgewiesen und ihre Entscheidung wie folgt begründet: „r den Fall, dass Nachteile tatsächlich eintreten, sind diese jedoch aufgrund ihrer vergleichsweise geringfügigen Auswirkungen hinzunehmen. Zum einen ist die zusätzliche Fahrzeit durch die Stichfahrt zur Endhaltestelle am Borghorster Kreisel aufgrund der relativen Kürze aus Sicht der Planfeststellungsbehörde durch eine Anpassung der Fahrpläne voraussichtlich aufzufan­gen. Diese werden ohnehin regelmäßig an neue Anforderungen angepasst und überarbeitet. Kleinere Veränderungen in der Streckenführung, die eine Anpassung des Fahrplans erfordern, stellen keine ungewöhnlichen oder unzumutbaren Anforderungen an Verkehrsbetriebe und deren Kostenträger dar. Bis die K63 tatchlich auf den Leitdamm verlegt worden ist, besteht ausreichend Zeit, eine entsprechende Planung vorzunehmen, die den Bedürfnissen der Anwohner gerecht wird.“

 

Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation beantwortet die Fragen 5 -8, 11 und 12; das Bezirksamt beantwortet die Fragen 1-4, 9 und 10 des Auskunftsersuchens vom 08.03.2017 wie folgt:

 

Vorbemerkung des Bezirksamts:

Das Unternehmen VHH hat bei der Genehmigungsbehörde BWVI die Änderung der Linienführungen im Zuge der Linien 439 und 120 zum 5.8.2016 beantragt. Beide Anträge beinhalten den Wegfall der Bushaltestelle Borghorst.

 

Vor der Entscheidung über Änderungen des Linienverkehrs hat die Genehmigungsberde, das ist in Hamburg die BWVI, Stellen, deren Aufgaben durch den Antrag des Verkehrsunternehmens berührt werden, anzuhören (§ 14 PBefG).

 

Die BWVI hat konkret für die Linie 439 und 120 ein Anhörungsverfahren am 18.07. bzw. am 12.07.2016 durchgeführt und u.a. das Bezirksamt als Träger der Straßenbaulast zu wegerechtlichen Fragen angehört (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 PeBfG),. Das Bezirksamt hat damit Gelegenheit zu prüfen, ob Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit oder des Bauzustandes der Straßen bestehen und/oder ob besondere bauliche Maßnahmen für die regelhafte Benutzung der Straße erforderlich werden würden. Dazu hat das Bezirksamt als Träger der Wegebaulast bereits am 18.07.2016 gegenüber der BWVI Stellung genommen.

 

Desweiteren hat das Bezirksamt beide Schreiben an den zuständigen Ausschuss hier Regionalausschuss zur Kenntnisnahme und zur Gelegenheit der Abgabe einer weiteren Stellungnahme weitergegeben (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PBefG i.V.m. Abschnitt V Nr. 1.1 Anordnung über die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Personenbeförderungsrechts). Darüber hinaus bestehen keine weiteren Zuständigkeiten bzw. Aufgaben für das Bezirksamt Bergedorf hinsichtlich des Personenbeförderungsrechtes.

 

Den politischen Ausschüssen der Bezirksversammlung hier im besondere dem Regionalausschuss - obliegt daher die Aufgabe einer Stellungnahme der Gemeinde im Sinne PBefG.

 

 

 

 

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

  1. Wann wurde das Bezirksamt von der geplanten Verlegung der Haltestelle „Borghorst“ unterrichtet?

 

Das Bezirksamt wurde mit Datum des 18.07.2016 zum Genehmigungsantrag der VHH Linie 439 von der BWVI angehört.

 

 

  1. Was hat die Verwaltung unternommen, um zu einer sachgerechten Stellungnahme zu gelangen? Wie wurde insbesondere bei der Ermittlung des Bedarfes der nun verlegten Haltestelle verfahren?

 

Das Bezirksamt hat in eigener Zuständigkeit eine Prüfung hinsichtlich wegerechtlicher Anforderungen durchgeführt. Eine weitere Prüfung des Bezirksamtes findet mangels Zuständigkeit nicht statt siehe Vorbemerkung.

 

 

  1. Trifft es zu, dass das Bezirksamt Bergedorf u. a. als Gemeinde angehört wurde, jedoch keine Stel­lung genommen hat?

3.1 Wenn ja: Wie begründet die Verwaltung ihr Schweigen und wer konkret hat die Entscheidung getrof­fen, keine Stellungnahme abzugeben?

 

Das Bezirksamt hat am Tag der Kenntnisnahme - das ist der 18.07. - eine Stellungnahme als Träger der Wegebaulast bei der BWVI abgegeben und die Beteiligung der Ausschüsse initiiert. Aufgrund der politischen Sommerpause wurde allerdings der zuständige Regionalausschuss tatsächlich erst am 20.09.2016 in Kenntnis gesetzt.

 

 

  1. Hat das Bezirksamt Bergedorf die Öffentlichkeit über den geplanten Wegfall der Haltestelle informiert und wenn ja, wann und wie?

4.1 Wenn nein: Warum nicht?

 

Siehe Antwort zu 3.

 

 

  1. Wie ist das Einzugsgebiet der Haltestelle „Borghorst“ definiert, wie viele Menschen sind darin wohn­haft, wie viele Arbeitsplätze und welche kulturell oder touristisch wichtigen Einrichtungen befinden sich darin?

 

Der Einzugsradius der Haltestelle Borghorst liegt für einen dörflich strukturierten Raum im Hamburger Stadtgebiet bei 600 Metern Luftlinie. Die erbetenen Daten zur Zahl der dort dauerhaft wohnenden Menschen und zur Zahl der Arbeitsplätze liegen der zuständigen Behörde nicht vor. In diesem Bereich befindet sich vor allem das für Besucher ökologisch interessante Gebiet Borghorster Elblandschaft.

 

 

  1. Wie bewertet die Bezirksverwaltung die Tatsache, dass Fahrgäste im östlichen Altengamme und im Voßmoor jetzt über 1000 m und mehr bis zur nächstgelegenen Bushaltestelle laufen müssen, vor dem Hintergrund, dass der in Hamburg übliche Einzugsbereich von Bushaltestellen im ländlich struk­turierten Bereich 600 m nicht überschreiten soll?

 

Die Ortschaft Borghorst ist über die Haltestellen Borghorst, Altengammer Marschbahndamm und Vossmoorbrücke vollständig durch das Busnetz des HVV erschlossen (Linie 228 Altengamme - Borghorst – Speckenweg - S Bergedorf sowie Schulbuslinien 328 und 428).

 

Die Verlagerung des Abfahrtsortes der Linien 120 und 439 verändert lediglich die direkten Verbindungen nach Geesthacht und entlang des Elbufers über Altengamme hinaus. Von der Haltestelle Zeltplatz Altengamme, die von der Haltestelle Borghorst ca. 880 m entfernt liegt, können diese Reiseziele auch weiterhin erreicht werden. Nach den Daten des HVV betrifft dies täglich durchschnittlich 5 Personen, die bislang mit der Linie 120 aus Richtung ZOB Hamburg Borghorst zum Ziel hatten und eine Person, die von Borghorst in Richtung ZOB Hamburg gefahren ist. Unter Abwägung der Gesamtumstände konnten diese Auswirkungen nicht verhindert werden (im Übrigen siehe Drucksache 20-1000.1)

 

Vossmoor gehört zur Gemeinde Escheburg in Schleswig-Holstein und wird auch durch Haltestellen im Gemeindegebiet (Regionalbus-Linie 8895) erschlossen.

 

 

  1. Welche zusätzlichen Kosten wären den Verkehrsbetrieben und dem Vorhabenträger entstanden, wenn die Haltestelle „Borghorst“ durch eine Schleifenfahrt von ca. 2 km Länge weiterhin worden wäre?

 

Die Entscheidung, die Haltestelle in Borghorst mit den Linien 120 und 439 nicht mehr anzufahren, erfolgte nicht aus Kostengründen. Eine konkrete Kostenermittlung liegt daher nicht vor.

 

Ausschlaggebend ist vielmehr, dass durch die Fahrzeitverlängerung für die Schleifenfahrt bestehende Umsteigebeziehungen verloren gingen. Die Buslinien 120 und 439 sind miteinander verknüpft, um Fahrgästen aus den Vier- und Marschlanden eine Direktverbindung nach Geesthacht bieten zu können. Beide Linien stellen wichtige Umsteigeverbindungen in die Vier- und Marschlande als auch zum Stadtverkehr in Geesthacht her. Bei einer Veränderung der Fahrplanlagen wäre dies teilweise oder vollständig nicht mehr möglich. 

 

 

  1. Wie oft hat ein Bus der Linien 120 bzw. 439 an der Haltestelle „Zeltplatz Altengamme“ 3 Minuten oder länger gestanden? Bitte ab 1.9.16 nach Datum, Uhrzeit und jeweiliger Standzeit auflisten.

 

Die vom Hbf./ZOB kommenden Fahrten der Linie 120 gehen am Zeltplatz Altengamme in die Linie 439 in Richtung Geesthacht über. Für den Linienwechsel ist eine Wartezeit von einer Minute erforderlich. Nach der aktuellen Fahrplanlage haben folgende Fahrten eine Standzeit von mindestens drei Minuten zuzüglich einer weiteren Minute (Linienwechsel):

 

Tage

Ankunft
Linie 120

Abfahrt Linie 439

Wartezeit

 

 

 

 

Mo. – Fr.

7.03

7.14

11 Minuten

 

23.10

23.13

4 Minuten

Sa.

8.10

8.14

4 Minuten

 

23.10

23.13

4 Minuten

So.

9.10

9.14

4 Minuten

 

23.10

23.13

4 Minuten

In Gegenrichtung stellt sich die Situation wie folgt dar:

 

Tage

Ankunft
Linie 439

Abfahrt Linie 120

Wartezeit

 

 

 

 

Mo. – Fr.

--

5.47

6 Minuten

 

7.51

7.57

6 Minuten

 

20.45

20.49

4 Minuten

Sa.

20.45

20.49

4 Minuten

So.

20.45

20.49

4 Minuten

 

 

Insgesamt erfüllen somit 32 der wöchentlich geleisteten 230 Fahrten die Kriterien der Anfrage.

 

 

  1. Wird die Bezirksverwaltung zukünftig bei einer geplanten Ausdünnung beim ÖPNV der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme geben und diese Stellungnahmen auch entsprechend berücksichtigen?

9.1 Wenn nein: Warum nicht?

9.2 Wenn ja: In welcher Form?

 

Nein. Siehe Antwort zu 3.

 

 

  1. Welche Abteilung/Funktion innerhalb der Bezirksverwaltung ist zuständig für Belange des ÖPNV?

 

Keine. Siehe Vorbemerkung.

 

  1. Welche Möglichkeiten hat der Bezirk grundsätzlich, um bei den ÖPNV betreffenden Planungen der Verkehrsbehörde mitzubestimmen? (Bitte mit den jeweiligen konkreten Rechtsgrundlagen aufzählen.)

 

Vor der Entscheidung über einen Linienverkehrsantrag hat die Genehmigungsbehörde eine Stellungnahme der im Einzugsbereich liegenden Bezirksämter einzuholen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PBefG i. V. m. Abschnitt V Nr. 1.1 Anordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Personenbeförderungsrechts).  Mit der im Gesetz vorgesehenen Stellungnahme der Gemeinde soll die Genehmigungsbehörde dabei unterstützt werden, die Verkehrsbedarfe zu ermitteln und unter Berücksichtigung des Passagieraufkommens wie auch der gebotenen verkehrlichen Erschließung eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.

 

Zudem muss sich das Bezirksamt als Träger der Straßenbau- oder Wegebaulast dazu äußern, ob im Einzugsbereich des beantragten Verkehrs hinsichtlich des Bauzustandes der hierfür vorgesehenen Straßen (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 PBefG) Bedenken bestehen und ob dieser Verkehr bauliche Maßnahmen, Anlagen oder Zeichen (§13 Abs. 4 HWG) erfordert, die für den allgemeinen Verkehr nicht notwendig sind.

 

 

  1. Gibt es für das Jahr 2017 und darüber hinaus konkrete Überlegungen, evtl. auch mit dem Land Schleswig-Holstein ge­meinsam, wie die defizitäre ÖPNV-Versorgung im östlichen Teil des Bergedor­fer Landgebiets ver­bessert werden könnte?

 

Das Verkehrsangebot im östlichen Teil des Bergedorfer Landgebietes orientiert sich an der Nachfrage und stellt angesichts der Bevölkerungsdichte ein hochwertiges Angebot dar.

 

 

 



 

[1]     http://vierlaender.de/uploads/Images/Infrastruktur/20161021_PA_Haltestelle_Borghorst_m_AW_BWVI_an1.pdf

[2]     Az.: RP3/150.1406-100 vom 9.11.12; http://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/planfeststellungsbeschluss-kohaerenzsicherungsmassnahme-borghorster-elbwiesen

 

 

 

Petitum/Beschluss

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Anhänge

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